Stellen Sie sich vor, der Deutsche Staat würde am Eröffnungstag des Oktoberfestes, am letzten Spieltag der Fußballbundesliga, am Namenstag von Jürgen Drews und an Sylvester den Kirchen ein Gottesdienstverbot aussprechen. Die Piraten wären wohl die erste Partei in diesem unserem Lande, die dagegen auf die Straße gehen würde.
Nicht nur, weil die Piraten wie eine Mauer auch hinter ihren christlichen Parteifreunden stehen würden, vielmehr deshalb: weil jeder gläubige Mensch in der Ausübung seiner Religion ebenso frei sein muss, wie der Nichtgläubige bei seiner ureigenen Lebensgestaltung.
Nicht alleine Gott sei Dank, dass es dieses Gottesdienstverbot nicht gibt. Niemand muss diesbezüglich für die Rechte gläubiger Christen auf die Straße gehen. Die orangen Banner „Christsein ist Menschenrecht“ dürfen weiterhin in den MACs der Piratenpartei-Grafiker schlummern, bis sie irgendwann zum Zeichen öffentlicher Solidarität werden.
Absolut positiv ist der Ansatz des Grundgesetzes, welches durch Artikel 140 (mit Art. 139 WRV) Sonntage und anerkannte Feiertage als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ unter besonderen Schutz stellt. Weshalb hieraus auf Länderebene so genannte „stille Tage“ konstruiert werden, die ausschließlich christlichen Feiertagen einen besonderen rechtlichen Rahmen geben, erschließt sich jedoch nicht. Ebenso wenig das Verbot von öffentlichen Tanzveranstaltungen (Tanzverbot). Erklären sollte man dies im Besonderen den Ausrichtern und Teilnehmern der Mittelfränkischen Schachmeisterschaften in Weißenburg, die, nach Protesten der Kirchen, wegen eines amtlichen Verbotes jetzt ihr Osterturnier absagen mussten. Gemeinhin hat Schach recht wenig mit Tanzen zu tun, zumindest im ländlichen Franken. Doch das besagte Tanzverbot und die Sonderregelungen an stillen Tagen verbieten nicht nur den Tanz, sondern eine ganze Litanei an Dingen, die Menschen zu ihrer Erholung gerne tun. Richtig: verboten wird die Freiheit des Einzelnen, diese vom Grundgesetz besonders geschützten freien Tage so zu gestalten, wie er es gerne tun würde, um von der Arbeit auszuruhen und sich seelisch zu erheben.
So sollte es für jede Organisation, die sich dem Schutz der Menschenrechte im Allgemeinen und der strikten Trennung von Kirche und Staat im Besonderen widmet, selbstverständlich sein, diesen Missstand aufzuzeigen. Die Piratenpartei hat aus diesem Grund für den Karfreitag in vielen Bundesländern Demonstrationen angemeldet.
Unter dem deutschlandweiten Motto „Tanzen gegen das Tanzverbot“ hat auch der hessische Landesverband Kundgebungen in Gießen und Frankfurt am Main angemeldet. „Wir wollen mit den Demonstrationen eine öffentliche Debatte anstoßen. Dies ist uns bereits jetzt gelungen. Was wir hingegen absolut nicht wollen, ist, Christen in der Ausübung ihrer religiösen Riten zu behindern. Aus diesem Grund haben wir auch die Zeitpunkte so gelegt, dass sie nicht mit entsprechenden kirchlichen Veranstaltungen kollidieren“, erklärt Kai Möller, Stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Hessen. Möller hatte die Demo für den Opernplatz in Frankfurt am Mittwoch letzter Woche beim Ordnungsamt angemeldet und bereits zwei Stunden später vorab per Telefon eine Absage für den Karfreitag erhalten. „Man hat versucht, mich dazu zu bewegen, die Veranstaltung auf Samstag zu verschieben“, so der stellvertretende Landesvorsitzende der Hessen-Piraten. Er lehnte das mit der Begründung ab, dass es ja eben um diesen Tag gehe und man schließlich eine terminbezogene Demo nicht ins Irgendwann verschieben könne. Dennoch bot er dem Frankfurter Ordnungsamt sein Entgegenkommen bezüglich des Ablaufs an. Am Dienstag dieser Woche kam es dann zu einem Kooperationstreffen in der Amtsstube. Die anwesenden Piraten schlugen eine „stille Demo“ vor und den Verzicht auf jedwede Beschallung: „Unser Vorschlag war, dass die Teilnehmer eigene MP3-Player mitbringen und einfach mit Stöpseln im Ohr gegen das Tanzverbot antanzen“. Aber eine stille Demo an einem dieser stillen Tage stellten sich die Entscheider beim Ordnungsamt in FFM ganz anders vor und boten an, sich doch einfach still auf den Opernplatz zu setzen – das ginge dann am Karfreitag. Es drängt sich die Frage auf, ob der deutsche Demonstrant zukünftig mit Fischernetzen gegen Atomkraft demonstrieren soll.
In Gießen wollten die örtlichen Piraten mit ihrer Anti-Tanzverbot-Demo ebenfalls am Freitag in die City. Auch dort hagelte es prompt die Absage durch die Verwaltung. Hier kam die Verbotsverfügung vom Regierungspräsidenten. Mittlerweile hat man das Verwaltungsgericht angerufen und ist gespannt auf das Urteil, welches bereits heute gesprochen wird.
Auch in Frankfurt arbeitet Pirat und Jurist Christian Oechler gerade an einer Klageschrift, die ebenfalls noch am heutigen Donnerstag an das Verwaltungsgericht gehen soll. Das Verfassungsgericht wurde bereits darüber informiert, dass es bei negativen Entscheidungen in FFM und Gießen am Freitag noch ran muss. Wünschen wir den Hessen, dass Recht gesprochen wird und die Kundgebungen am Freitag stattfinden können.
Auch christliche Piraten äußern sich zum Tanzverbot. So bloggt zum Beispiel Rainer Klute, Mitglied der Piratenpartei und der Freien evangelischen Gemeinde Dortmund unter dem Titel „Der Herr des Tanzes“: „Als Christ finde ich es zwar gut, den Karfreitag angemessen zu begehen, aber ich glaube nicht, dass sich irgendjemand dadurch zum christlichen Glauben bekehrt oder auch nur anfängt, sich näher dafür zu interessieren, wenn man ihm das Tanzen oder andere Vergnügungen verbietet. Es dürfte eher der umgekehrte Effekt eintreten.”
Bessere Schlussworte sind nicht nötig.
Die Flaschenpostredaktion wünscht Ihnen frohe und – wenn Sie wollen – gesegnete Ostern.