Am 26. Oktober 2011 schaffte es eine SPAM-Mail durch meine Filter. Der mir unbekannte Schreiber wies mich auf eine Aktie hin, die heute noch günstig, aber schon in wenigen Tagen im Wert das 100-fache wert sei. Warum? Ganz einfach: weil sowohl Microsoft als auch Google dieses Unternehmen kaufen wollten. Die Mail lobte den Übernahmekandidaten in den Himmel. Der Umsatz werde von 25.000.000 € in 2012 auf 250.000.000 € in 2014 steigen. Grund sei die überragende Technologie dieses innovativen Unternehmens.
Na gut dachte ich bei mir, schauen wir mal, was die Aktienbrooker über dieses Unternehmen zu berichten wissen. Mit Kopfschütteln stellte ich fest, dass der Kurs wenige Tage zuvor von 0.50 € auf 0.55 € gestiegen war. Die Suche nach Firmenprofilien, der Branche, einer Bilanz oder anderen Zahlen blieb erfolglos. Immerhin war zu ermitteln, dass die Aktie am 24. Oktober zum ersten Mal in Frankfurt gehandelt wurde. Da ich nicht zu den sogenannten Zockern gehöre, beschloss ich die Aktie nicht zu kaufen. Allerdings behielt ich den Kurs und die Umsätze im Auge. Bis zum 10. November war der Kurs auf 0.59 € angestiegen, es gab wohl tatsächlich Dumme, die sich zum Kauf verleiten liesen. Bis zu diesem Datum hatten schon 199.100 Aktien den Besitzer gewechselt. Bei einem Kurs von knapp 60 Ct ein knappes Milliönchen!
Einige Wochen später kam etwas durch meine SPAM-Filter, das sich “Börsenbrief” nannte und eben jene Aktie erwähnte. Dort wurde auf eine Pressemitteilung vom 29. September 2011 verwiesen. In dieser Pressemitteilung war sogar von einem Milliardenmarkt die Rede. Der Kurs war inzwischen auf 0.63€ gestiegen. Da die Börse nach dem Prinzip “Angebot und Nachfrage” funktioniert, gab es tatsächlich Interessenten. In diversen Börsenforen wurde diese Aktie diskutiert. Gutes war in keinem Posting zu lesen. Einer der Forenteilnehmer meinte immerhin “es könnte doch wahr sein”. Ein anderer überlegte, ob der nicht auf den Zug aufspringen und kaufen soll, warten bis einige Dumme den Kurs weiter nach oben treiben und dann sehr schnell wieder abspringen; sprich verkaufen. Alle anderen Kommentatoren zeigten Mitleid mit denen, die auf diesen Betrug reinfallen. Nach wenigen Tagen waren die meisten Kommentare aus den Foren gelöscht. Ob die Forenmoderatoren Besuch vom Anwalt bekamen, ist nicht ersichtlich, doch die gelöschten Kommentare enthielten den Hinweis, dass Falschaussagen keineswegs das Wort “Betrug” rechtfertigen.
Nun schreiben wir April 2012. Der Kurs dieses Weltunternehmens ist auf 0.12 € abgestützt. Geschäftsberichte gibt es immer noch keine, auch andere Zahlen sucht man vergeblich. Die Aktie ist seit Februar nicht mehr handelbar. Sicher ist: da hat jemand viel Geld an denen verdient, die glaubten einen sicheren Tipp zu bekommen. Sie mögen sich mit einer alten Weisheit der Aktienhändler trösten: das Geld ist nicht weg, es hat jetzt nur ein anderer!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.