In einer Zeit, in der Gemeinschaftsaufrufe wie „Klarmachen zum ändern“ und „alternativlos“ in den Vordergrund gestellt werden, arbeitet das Räderwerk der kleinen und grossen Politik nach seiner eigenen Vernunft. Hier ist sich jeder selbst der Nächste, die eigene Agenda wird zum allgemeinen Ziel erklärt. Es herrschen die Ichlinge.
Die einen wollen andere Geschlechterrollen und wiederholen nur die Fehler der Vergangenheit mit umgekehrtem Vorzeichen. Andere suchen eine neue Gesellschaftsordnung im Stil des Internets mit drei Buchstaben abgekürzt. Wieder andere möchten Fortschritt aufhalten und die sich ändernde Rollenverteilung mit dem Scheckheft in der Hand zurückdrehen. Wer sonst keine Talente besitzt träumt von einem Land, in dem Verbrechen unmöglich sind – und nimmt dafür den Polizeistaat in Kauf. Dann gibt es noch die, für die Politik die Fortsetzung des „Freien Marktes“ mit anderen Mitteln ist. Gesetze werden gegen Spenden eingebracht. Doch weil der Freie Markt lieber nimmt als gibt, kosten solche Gesetze den Bürger jährlich viel Geld – das wieder an die Spender fließt.
Das Gemeinwohl ihres Ressorts hat niemand im Blick. So arbeiten die Protagonisten in der Regierung und den Parteien nebeneinander oder gar gegeneinander, statt miteinander.
Der Wettlauf um knappe Ressourcen ist reines Hauen und Stechen. Seit mehr als 20 Jahren wurde die Aussage „es gibt nichts zu verteilen‘ verinnerlicht. Wähler, Arbeitnehmer und Konsumenten steckten ihre Ansprüche zurück. Doch entwickelten sie aus ihrer Not heraus eine eigene Moral: „Verzichten müssen alle“. Wer erwischt wird Wasser zu predigen aber Wein zu trinken muss seine Karriere oft beenden. Doch es geht nicht nur um knappes Geld sondern auch um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bzw. der Parteianhänger. So wird bei Pressekonferenzen, Interviews und auch in Telefonkonferenzen hart um das eigene Anliegen gekämpft. Dienstleister für den Bürger will hier keiner sein – es geht darum, das Maximum für das eigene Steckenpferd rauszuschlagen. Gebändigt werden solche Pläne gelegentlich nur durch leere Kassen und Journalisten, die gelangweilt abwinken: Das Thema hatten wir schon.
Der Wähler registriert sehr genau wer hier um Unterstützung wirbt, ob von dieser Unterstützung, egal ob in Form von Wählerstimmen oder Parteiarbeit, etwas zurückkommt oder ob alle Energie in ein persönliches Lieblingsprojekt gesteckt wird – während andere Bereiche brach liegen. Während Führungskräfte in Unternehmen vermehrt ihre Fähigkeiten als Teamplayer ausbauen und – anders als ihre Vorgänger – keine Patriarchen mehr sein wollen, machen Spitzenpolitiker eine Rolle rückwärts. Sie entwickeln sich zu Alphatieren, die abweichende Meinungen innerhalb der eigenen Gruppe als persönlichen Affront auffassen. Ihr Scheitern ist vorbestimmt.
Eine Regierung, die so agiert, muss mit der Abstrafung am Wahltag rechnen. Alle anderen sehen den Bedeutungsverlust schon in der Sonntagsfrage.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.