“Beste Bildung für alle”
“Damit alle Kinder durchstarten können, wollen wir individuelle Förderung, gute Ganztagsschulen und dort Gemeinschaftsschulen, wo die Menschen vor Ort dies wollen. Eine Schulreform von unten lässt eine neue Schulkultur wachsen – und die Schule bleibt im Dorf. Die unsozialen Studiengebühren werden wir abschaffen, die Studienbedingungen verbessern.”
Quelle: Wahlprogramm Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg
Am 9. Juli veröffentlichte der Rechnungshof Baden-Württemberg seine “Denkschrift 2012”. In Beitrag 13 mit dem sperrigen Titel “Demografische Entwicklung der Schülerzahlen und ihre Auswirkungen auf den Lehrkräftebedarf an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen” findet sich die folgende Empfehlung:
“Eine Haushaltssanierung des Landes ist ohne die Einbeziehung des Personals aus dem Bildungsbereich nicht denkbar. […] Legt man […] die stark verbesserte Lehrerausstattung von 2011 zugrunde, so ergeben sich für die folgenden zehn Jahre (bis 2021) rechnerisch 13.100 abbaubare Stellen.”
In einem anderen Absatz des Berichts werden unter den Begriffen “demografische Rendite” und “Nettorechenmodell” 8.500 Stellen genannt, unter “Bruttorechenmodell” 14.100.
Am 11. Juli 2012 sagte Ministerpräsident Kretschmann gegenüber “Spiegel Online”: “Selbstverständlich wird das Kultusministerium in erheblichem Umfang beitragen müssen zur Sanierung des Haushalts […] Die 8.055 Stellen werden selbstverständlich wegfallen bis 2020.”
Die im Bericht verwendete Grafik könnte man als Lehrbeispiel für Manipulation verwenden: Statt absoluter Zahlen werden Prozentwerte gezeigt. Je nachdem welches Jahr man als 100% ansetzt, kann die Kurve steigen oder fallen. Die y-Achse beginnt nicht bei 0, damit der Rückgang der Schülerzahlen dramatischer aussieht. Natürlich werden die Zahlen auch als Tabelle gezeigt. Aber wer liest die schon, wenn ein schickes Diagramm daneben steht?
Die Daten kommen vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Dort findet man die unten stehende Grafik. Und schon sieht alles viel weniger dramatisch aus.
Für einen objektiven Vergleich braucht man die Anzahl der beschäftigten Lehrer in den vergangenen Jahrzehnten. Und die zu haltende Stundenzahl. Wobei man auch damit noch sehr aufpassen muss. Wenn z. B. eine Klasse statt 30 Schülern 50% weniger, also nur noch 15 Schüler hat, kann man deshalb trotzdem keinen halben Lehrer einsparen.
Außerdem steigt die Stundenzahl ständig: 35-Stunden-Wochen sind für Schüler in der 8. Klasse keine Seltenheit. Dazu kommt der Trend zu mehr Ganztagsschulen, zusätzliche Arbeiten wie Poolstunden und Hausaufgabenbetreuung.
Obwohl alle Politiker ständig die Wichtigkeit der Bildung betonen, obwohl im Landesportal Baden-Württemberg die Rede ist von der “anhaltend guten wirtschaftlichen Lage in Baden-Württemberg”, obwohl Geld für das umstrittene Milliardengrab »Stuttgart 21« da ist – bei den Schulen wird der Rotstift angesetzt.
Derweil haben die Lehrer in Baden-Württemberg ganz andere Probleme: Der Philologenverband verteilt Formulare (doc-Format) zum sogenannten Bugwellenabbau. Damit ist der Abbau der vielen Überstunden gemeint, die Lehrer im aktuellen und in vergangenen Schuljahren geleistet haben. Umgerechnet 1.400 Lehrerstellen (Pressemitteilung des PhV BW).