Am Sonntag fand im Dokuzentrum Nürnberg eine (K)einzelfall Veranstaltung statt. Nach der Veranstaltung im August in Berlin wurde diese Konferenz bewusst in Nürnberg, der Stadt der Menschenrechte, organisiert. In den Tagungsräumen des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände ging es erst um 13 Uhr los. Zuvor machten die grob 40 Piraten eine Führung “Hinter der Kulisse” durch die nicht vollständig errichtete Kongresshalle. Besonders beeindruckend ist, wie der Architekt das Dokuzentrum wie einen Speer aus Glas und Stahl quer in das kolloseumartige Gebäude gejagt hat …
Im ersten Vortrag von Cornelia Otto (wegen Krankheit vertreten durch Bruno Kramm) zeichnete sich der rote Faden ab, nach dem gesellschaftliche Normen entstehen. Nachdem Meinungsfreiheit und Menschenwürde beleuchtet wurde war klar, warum man sich massiv gegen Diskriminierung aussprechen muss. Schweigen wird in vielen Situationen als Zustimmung missdeutet, oder zumindest als Desinteresse (die Ursache für Schweigen kann auch Furcht vor sozialer Isolation sein). Wenn die Mehrheit die Minderheit gewähren lässt, verbündet sie sich stillschweigend mit der Minderheit – so kann es einer Minderheit gelingen, die Mehrheit zu lenken und neue Normen zu etablieren. Für weitere Literatur zu diesem Thema sei P. Berger / T. Luckmanns Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit empfohlen.
Im Anschluss driftete die Diskussion über das Schweigen, über ungewolltes Zustimmen zu einer Diskussion zur ständigen Mitgliederversammlung (SMV), welche die Beteiligungsmöglichkeiten innerhalb der Partei erhöhen soll. Zu einem Konsens kam es jedoch nicht, die Fronten verliefen zwischen “jede demokratische Abstimmung muss geheim sein” und “es könnten schneller und mit größerer Beteiligung Positionen erarbeitet werden”. Die interessante These, dass die SMV für Dinge ohne Bedürfnis nach Anonymität umsetzbar wäre macht den Abschluss – wobei sich dann wieder die Frage ergibt, wer bestimmt welche Dinge keiner Anonymität bedürfen.
Über Antisemitismus und Antizionismus ging es im Vortrag von Harry Liebs. Die wohl essentiellste Feststellung war, dass es schwer möglich ist Kritik an Israel zu üben, ohne dabei antisemitisch zu sein, als Antisemit herabgesetzt zu werden oder als antisemitisch wahrgenommen zu werden. Von Teilen des Publikums kam der Einwurf, dass heutzutage kaum jemand öffentlich antisemitische Aussagen bringt – jedoch widerspricht Harry hier bestimmt. In vielen Berichten spiegele sich eine Doppelmoral wieder, sobald es um Israel geht – es würde mit zweierlei Maß gemessen. Auch würden deutsche Juden fälschlicherweise als Abgesandte Israels wahrgenommen und behandelt. Der Vortrag schärfte die Wahrnehmung antisemitischer Aussagen und half, sie als solche zu erkennen.
Nach einer kurzen Suppen-Pause machte Jörg Blumtritt darauf aufmerksam, wie trügerisch die Nähe bei gleich klingenden Forderungen ist – vor allem wenn die andere Seite aus völlig anderen Überlegungen das Gleiche fordert. Diese Bündnisstrategie nennt sich Querfront oder auch “der dritte Weg” und wird von der NPD in vielen Situationen, ob bei der Abschaffung der 5% Klausel in Schleswig Holstein oder beim Wunsch zu regionalen Wirtschaftskreisläufen, eingesetzt. Die NPD ist in ihren Forderungen heute sehr geschickt, wenngleich diese einen grundlegend anderen Hintergrund haben. Trotz weniger gleich klingender Programmteile könnten sich aber “Rechte” und PIRATEN nicht unterscheiden, denn gegensätzlicher könnte das Menschenbild nicht sein: Bei den Nazis ist jeder von Geburt an einer gewissen Wertigkeit zugeordnet. Der Wertekodex der Piraten ist aber von Selbstbestimmung und Respekt vor jedem einzelnen Menschen geprägt.
Sobald die Aufzeichnung im Netz verfügbar ist werden wir darauf verlinken.