Am 05.03.2022 hat in Münster-Hiltrup der erste Parteienkongress stattgefunden. https://parteienkongress.de/ Eingeladen waren alle demokratischen Parteien, die nicht im Bundestag sind. Oder salopp formuliert alle Kleinparteien.
Und tatsächlich bin ich auf Parteinamen gestoßen, die ich noch nie zuvor gehört habe. Die Gartenpartei z. B. oder die Unabhängige, Moderne Soziale Partei, Freiparlamentarische Allianz oder die Frauen. Ich halte mich für politisch einigermaßen informiert, aber da war ich dann doch offensichtlich uninformiert. Ich kannte keine dieser Parteien oder hatte von Ihnen gehört.
Das Ziel oder die Aufgabe des Kongresses war es, die kleinen Parteien unter einem Dach zu vereinen und ihnen so mehr Gewicht zu verleihen. Damit war dann übrigens nicht ein Fusionieren gemeint. Die Piraten waren mit insgesamt 10 Leuten vertreten. Darunter auch die Jupis und in meiner Person auch die Flaschenpost. Der Buvo sowie diverse Lavos waren ebenfalls vertreten.
Die Frage war also, was hat es mit diesem Kongress, seinen Veranstaltern/Organisatoren etc. so auf sich, und, ist das etwas, was auch für die Piraten interessant ist.
Zielsetzung
Das Ziel ist es, alle Kleinparteien unter einem Dach zu vereinen. Dazu wurde extra der Verband demokratischer Parteien (VdP) gegründet. Das fanden allerdings einige eher suboptimal, weil sie an dem Gründungsprozess nicht beteiligt waren. Daher wird dieser Verband noch einmal neu gegründet, dann mit allen, die daran teilnehmen wollen.
Ein Ziel ist es, den kleinen Parteien sozusagen mehr mediale Aufmerksamkeit zu verschaffen. Außerdem mittels Klagen, die der neu zu gründende Verband führt, z.B. in Sachen Wahlreform und Unterschriften sammeln, zu helfen. Ebenfalls gemeinsame Dienstleistungen anzubieten, um so Synergieeffekte zu erreichen, die sonst nur große Parteien haben, bzw. um Geld zu sparen.
Glaubwürdigkeit
Es ist schwer, wenn man mit so vielen Namen konfrontiert wird, die man noch nie gehört hat, zu beurteilen, ob etwas glaubwürdig ist oder nicht. Ich habe mir zwei herausgesucht.
Beate Merkel
Ich habe nicht gefragt, ob sie verwandt ist. Irgendwie bin ich sicher, der Witz ist alt. Das habe ich gefunden: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/beate-christine-merkel
Bianca Schubert
https://bewegung.jetzt/partei/mecklenburg-vorpommern/ Es gäbe noch einen weiteren Link, der ist aber deutlich privater und gehört hier nicht her.
Die Frage ist also, glaube ich, dass die Veranstalter/Organisatoren sozusagen koscher sind? Die Antwort darauf lautet: ja.
Sind die angegebenen Ziele machbar?
Unterschiedlich. Dass nur neugegründete Parteien, die noch nicht ein Jahr existieren, berechtigt sind, gegen bestehende, sie behindernde, Regularien zu klagen, wurde dabei leider übersehen. Sinnvoll kann hingegen sein, Ressourcen zu bündeln. Allerdings wird dies eine Menge an Energie, Zeit und auch Geld kosten.
Ist es für die Piraten sinnvoll, sich dem anzuschließen?
Die Antwort hierauf lautet für mich eindeutig: nein.
Die Piraten wären zusammen mit Volt die wohl größte und auch erfolgreichste Partei in dieser Gruppe/Verband. Um wirklich etwas zu bewirken, müsste sehr sehr viel Arbeit geleistet werden. Der hier zu leistende Anteil würde in keinem Verhältnis zu dem stehen, was die Piratenpartei zurückbekommen würde. Ich glaube, dass es sich für deutlich kleinere Parteien lohnen wird. In unserem Falle sehe ich das eher so, dass die kleineren von unseren Erfahrungen profitieren, wir aber nicht.
Fazit
Es ist ein hehres Ziel, den kleinen Parteien eine Stimme geben zu wollen. Ich persönlich finde das gut. Ich sehe aber auch den Aufwand, der dafür betrieben werden muss. Dazu den dauernden Spagat zwischen den unzweifelhaft vorhandenen, sehr wahrscheinlich deutlich differierenden Vorstellungen, im Namen aller gerecht zu werden. Das ist eine Mammutaufgabe, die wahrscheinlich sehr viel Zeit und Nerven brauchen wird. Und es gibt noch ein weiteres Problem, das nicht unerwähnt bleiben soll. Diese Arbeit kostet Geld. Nach meiner Einschätzung braucht es dafür mehrere Vollzeitarbeitskräfte.
Wie die konkret bezahlt werden sollen, konnte ich nicht erkennen. Die Veranstalter sind z.B. für den Kongress in Vorleistung gegangen. Das finde ich ganz ehrlich toll. Aber nur Spenden werden für einen Dachverband nicht reichen! Und ein Konzept, wie das ganze finanziert werden soll, habe ich nicht gesehen.
Ich persönlich wünsche den VeranstalterInnen/OrganisatorInnen viel Erfolg. Das ist eine Mammutaufgabe.
Dass die Piratenpartei daran teilnimmt, glaube ich indes nicht. Ihr Bestreben sollte sein, mit einer Schärfung des Profils in Sachen Klimapolitik, BGE, Demokratiestärkung aber auch Frauen-/Queerrechte die Mitglieder der Kleinparteien, die dies und anderes als überwiegende Ein-Themen-Partei vertreten, thematisch abzuholen und so von uns zu überzeugen.
Aber auch das ist mit viel Arbeit verbunden, bei der ich nicht sehe, wie und von wem sie geleistet werden kann und soll. Obwohl es die einzige Möglichkeit ist, deren Wählerinnen und Wähler an uns zu binden.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Von der Au0enwirkung her gesehen sind die Piraten – abgesehen von wenigen kommunalen Ausnahmen und Patrick im EP, auch nur noch eine von vielen Kleinparteien, immerhin mit gewisser „historischer“ Bekanntheit („Wie, die gibt es noch?“), aber ohne Stammwählerschaft. So gesehen, ist eine Beteiligung an der Allianz durchaus ohne weiteres möglich.
Das mit „ohne Stammwählerschaft“ würde ich so nicht sagen, sie ist halt zu klein. Was eine Beteiligung allerdings bringen soll ist mir auch unklar – ich meine, außer Kosten und Arbeit. Wähler schon mal nicht, und Mitglieder leider auch nicht – wer in einer ganz kleine Partei ist, ist dort meist weil ihm die anderen (kleine oder großen) Parteien nicht behagen.