Die öffentliche Wahrnehmung der Piratenpartei interessiert gerade viele. Die Ergebnisse der Umfragen könnten kaum schlechter sein, in den Medien kommen wir Piraten derzeit auch schlecht weg. In dieser Situation trafen Peter Mühlbauer, Journalist beim Netzmagazin Telepolis, und ich uns, um die Piraten von außen zu begutachten.
Flaschenpost: Die Piraten sind auf 4% gesunken, worin sehen Sie die Ursache?
Peter Mühlbauer: Monokausal lässt sich das nicht erklären. Es hat wahrscheinlich mehre Ursachen. Ich fange mit der meiner Ansicht nach interessantesten Möglichkeit an, weil sie der Erklärung, die man sonst in den Medien liest, diametral widerspricht.
In den Medien war häufig zu lesen “die Piraten haben kein Programm”. Das hat so eh noch nie gestimmt, es stimmt jetzt nach zahlreichen Programmbeschlüssen noch weniger. Trotzdem standen die Piraten vor einem halben Jahr, als es noch weniger Parteitagsbeschlüsse gab bei 13%, und jetzt, wo es viel mehr gibt, bei 4%.
Flaschenpost: Da muss ja nicht unbedingt ein Zusammenhang bestehen.
Peter Mühlbauer: Nein nicht unbedingt, aber ich stelle die These auf, dass die Piraten auf 4% sanken, weil sie kein Programm hätten, in Frage. Wenn es also tatsächlich an einem fehlenden Programm liegen sollte, hätte es sich vor einem halben Jahr stärker auswirken müssen als jetzt. Aber heute ist das Programm der Piraten bekannter.
Der Reiz, den die Piraten vor einem halben Jahr auf größere Teile der Bevölkerung ausgeübt haben, lag unter anderem im Versprechen von mehr Mitbestimmung in allen Bereichen. Je mehr konkrete Beschlüsse es zu verschiedenen Politikfeldern gibt, umso weniger offen sind diese Politikfelder für Bürgerbeteiligung. Das bedeutet: Eigentlich ist sowas wie das Versprechen von “Mehr Demokratie”, von “Liquid Democracy” eh schon ein Vollprogramm. Denn es verspricht: “Wir haben keine starren ideologischen Vorstellungen zu allen Politikfeldern. Deswegen sind wir viel glaubhafter, wenn wir versprechen: Wir lassen den Bürger mitbestimmen”.
Flaschenpost: Bedeutet das im Umkehrschluss, dass wir für die Wähler unattraktiver werden, je umfangreicher unser Wahlprogramm wird?
Peter Mühlbauer: Ich denke, so einfach ist es wiederum nicht. Da sind wir wieder beim Monokausalen. Ich denke, dass es nicht verkehrt ist, gewisse Positionen zu formulieren, es aber gerade zu ausführlich wird. Der Beschluss zum Bedingungslosen Grundeinkommen war eigentlich geschickt formuliert: “Wir lassen ein Modell entwerfen und machen dann eine Volksabstimmung darüber.” Das ist zwar in den meisten Medien anders dargestellt worden, aber an sich hätte der Beschluss eigentlich ein Vorbild für andere sein können.
Die Piratenpartei entstand ja in den 0er Jahren aus verschiedenen politischen Interessen, die vorher keine richtige Vertretung hatten. So erging es den Grünen Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre auch. Bei den Piraten gab es den netzpolitischen Teil, der der wichtigste war. Und es kamen im Lauf der Zeit andere Interessen hinzu. Manche davon sind nicht 100% kompatibel mit dem Bürgerrechtsversprechen, die im Kernbereich gemacht wurden.
Flaschenpost: Sprechen Sie von der “Generation 09”, also denen, die im Rahmen der Zensursuladebatte zu den Piraten kamen und der “Generation ReSeT”, die nach dem Parteitag in Chemnitz zu den Piraten kamen?
Peter Mühlbauer: Netzthemen und soziale Themen müssen nicht grundsätzlich inkompatibel sein. Manchmal sind sie aber tatsächlich inkompatibel. Wer was vertritt, hat nicht unbedingt mit dem Eintrittsdatum zu tun. Stephan Urbach beispielsweise ist ja schon länger dabei. Aber seinen Äußerungen zu Udo Vetter wurden möglicherweise nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch bei der Wählerschaft als problematisch angesehen. Und damit stellt sich bei den Piraten ein Problem, das sich in der Vergangenheit auch bei anderen Parteien gestellt hat: Die Unterschiede zwischen den Parteien sind heute kleiner als innerhalb der Parteien selbst. Mittlerweile bietet jede Partei eine progressive Netzpolitik an. Das Problem ist nur, dass es auch die anderen Positionen innerhalb der Parteien gibt, sodass der Wähler letzten Endes nicht weiß, was schließlich raus kommt.
Flaschenpost: Bei den etablierten Parteien werden das auf jeden Fall nicht die Positionen der Jugendorganisation sein. Gerade die ziehen aktuell ja parteiübergreifend am selben Strang, um das Leistungsschutzrecht zu verhindern.
Peter Mühlbauer: Das ist ein gutes Beispiel. Die FDP-Jugend in Bayern hat einen Beschluss gegen das Leistungsschutzrecht eingebracht, und trotzdem hat FDP-Staatssekretär Max Stadler, auch aus Bayern, den Entwurf verteidigt. Das heißt dann wirklich, dass man bei den Parteien im Bereich der Netzpolitik, aber auch in vielen anderen Bereichen, nicht weiß, was man bekommt. Bei den Piraten war der Bereich Netzpolitik ja relativ klar. Nach einigen Äußerungen von Urbach und Ponader ist es inzwischen nicht mehr so klar. Ein Punkt für Irritationen beim Wähler könnte sein, dass es jetzt Positionen gibt, die möglicherweise inkompatibel zueinander sind.
Andererseits haben ja die Umfrageergebnisse von vor einem halben Jahr gezeigt, dass es mit 13% ja eigentlich Potential für gleich mehrere neue Parteien gibt, die in den Bundestag kommen könnten.
Flaschenpost: Sie halten also eine Spaltung der Piraten für möglich?
Peter Mühlbauer: Eine Spaltung in zwei gleich große Teile kommt in der Parteiengeschichte eigentlich selten vor. Ein Konsolidierungsprozess ist aber bei allen neu gegründeten Parteien eingetreten. Bei den Grünen gab es Mitte der 80er Jahre Austritte, es gründete sich die ÖDP, die allerdings ein Nischendasein führt. Das waren Ergebnisse eines solchen Konsolidierungsprozesses.
Flaschenpost: Sprechen wir nochmal über uns Piraten: Wofür werden wir 2013 gewählt werden? Für ein unscharfes Programm, das vieles offen lässt?
Peter Mühlbauer: Das Programm lässt ja nicht vieles offen, sondern verspricht dem Wähler, dass er selbst entscheiden darf. Dort, wo es um Bürgerrechte geht, kann man ein Angebot unterbreiten und sagen “wir halten das für so zentral und wichtig, dass wir hier nicht nur Bürgerbeteiligung und Volksabstimmung anbieten, sondern klar sagt, wie wir das haben möchten, und wer uns wählt, bekommt das. Bei Kernthemen wie dem Leistungsschutzrecht sollte man durchaus Positionen jenseits einer Volksabstimmung beziehen. Alle Parteien agieren so, indem sie klare Aussagen für ihren Kernbereich anbieten und den Rest relativ im Unklaren lassen. Weil es sonst unübersichtlich wird und Wähler ausgeschlossen werden. Ein schönes Beispiel dafür ist der Antrag zu einer anderen Rentenpolitik, der vor 4 Wochen in Bochum beschlossen wurde. Das Wahlprogramm wird versprechen, dass es ein Rentenmodell ohne Beitragsbemessungsgrenze geben soll, aber mit einer minimalen und maximalen Rente. Das hat eine Menge Leute in unserem Telepolis-Forum vor den Kopf gestoßen. Das ist deswegen interessant, weil wir aus Umfragen wissen, dass der Großteil der Telepolisleser Piraten wählen. Da konnte man gut beobachten, dass mancher Wähler verloren ging.
Flaschenpost: In dem Fall wäre also “keine konkrete Aussage” besser als eine konkrete Aussage gewesen?
Peter Mühlbauer: Ja, vor allem weil gerade diese konkrete Aussage ja verfassungsrechtlich problematisch ist und wahrscheinlich gar nicht so umsetzbar sein wird. Die Piraten hielten den etablierten Parteien in der Vergangenheit ja öfter Verfassungsbrüche und Schlamperei bei Gesetzen vor. Etwas zur Vorratsdatenspeicherung. Um diesen Vorsprung vor anderen Parteien nicht aufzugeben, sollten sie sehr genau prüfen, ob eine Position wirklich mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Da ist es natürlich nicht hilfreich, wenn manche Piraten Juristen grundsätzlich vom politischen Prozess ausschließen wollen.
Bei der Gesundheitspolitik gibt es Positionen, die der derzeitigen Regierungspolitik entgegen stehen. 89% der Bevölkerung sprechen sich im Umfragen für die Stärkung der gesetzlichen Krankenkassen aus. Die Bundesregierung, also FDP und Union, hat aber die Stärkung der privaten Krankenkassen auf der Agenda. Selbst wenn man für einen Schwerpunkt bei den gesetzlichen Krankenkassen ist, kann man das besser formulieren: “Wir machen eine Volksbefragung und richten uns dann danach.” Damit spräche man meiner Meinung nach mehr Wähler an. Man fühlt sich als Wähler einfach besser – oder weniger betrogen. Anders, als wenn eine kleine Clique Entscheidungen trifft, entsteht bei einer Volksabstimmung nicht ein Gefühl der Verschwörung. Als Beispiel sei an die Abstimmung über die Begrenzung der Bauhöhe in Münchens Innenstadt erinnert.
Flaschenpost: Wir haben im Mai unseren ersten Parteitag 2013. Was sollen wir ihrer Meinung nach dort tun, wenn nicht das Programm verfeinern? Es wurde ja beschlossen, dass dieser erste Parteitag des Jahres ein programmatischer Parteitag sein soll. War es klug sich gegen Vorstandswahlen zu entscheiden?
Peter Mühlbauer: Die Personalfragen scheinen ja noch nicht wirklich gelöst zu sein. Deswegen ist es heute zu früh, um sagen zu können, ob die Entscheidung zugunsten eines programmatischen Parteitags klug war. Aber es ist ja ein Problem, das viele Parteien kennen. Die Linkspartei musste feststellen, dass sie mit Klaus Ernst nichts gewinnen kann. Sie haben sich für diese Erkenntnis viel Zeit gelassen und haben hinterher wahrscheinlich bereut, dass sie sich so viel Zeit liesen. Sonst wären ja vielleicht einige Landtagswahlen anders ausgegangen. Nachdem Klaus Ernst ausgewechselt wurde, ging es wieder aufwärts mit den Linken. Die CSU musste feststellen, dass Erwin Huber und Günther Beckstein als Spitzenpolitiker einfach nicht gut ankommen und musste eine herbe Wahlschlappe hinnehmen, bis sie das wirklich gelernt hatte. Die FDP ist möglicherweise gerade dabei zu lernen, dass Philipp Rösler bei der Bevölkerung vielleicht nicht so gut ankommt wie ein Christian Lindner oder ein Wolfgang Kubiki oder meinetwegen Rainer Brüderle. Die SPD musste lernen, dass das, was innerhalb der Partei gut ankam, nämlich Rudolf Scharping, auf den Wähler wie ein Oberlehrer wirkte und entsprechende Gefühle auslöste.
Flaschenpost: Aber alle Parteien hatten mehr als 4 Monate Zeit für den Bundestagswahlkampf.
Peter Mühlbauer: Das ist wahr, aber es gibt auch Beispiele, in denen sich die Umfrageergebnisse in 4 Monaten völlig verändert hatten. Es gab auch Fernsehdebatten, bei denen ein Kandidat gut ankam, viel besser als andere, das hat die Umfrageergebnisse maßgeblich in kurzer Zeit verändert.
Flaschenpost: Da müsste schon Marina Weisband zurückkommen, um das zu schaffen, oder?
Peter Mühlbauer: Die Frage ist ja “macht sie das?” Aus ihrem Umfeld ist zu hören, dass eine politische Karriere nicht ganz oben auf ihrer Agenda steht. Dass Hochzeit, Beruf und andere Sachen Priorität haben. Aber gut. Wenn Marina Weisband sich im Mai zur Verfügung stellen würde und dann würde sie nicht spontan gewählt … dann müsste ich schon sagen “das war ein schwerer Fehler”. Wenn sie nicht zur Verfügung steht, müsste man überlegen: Gibt es andere Charaktere, die gut ankommen? Ich sehe da Udo Vetter. Er ist bei den Jüngeren, wenn sie auch nur ein klein wenig netzaffin sind, schon sehr bekannt.
Flaschenpost: In der Piratenpartei ist die Trennung von Amt und Mandat ein hohes Gut. Und Vetter kandidiert für den Bundestag.
Peter Mühlbauer: Die Grünen haben sich auch von der scharfen Trennung von Amt und Mandat verabschiedet. Sie haben irgendwann festgestellt: Es bringt machtpolitisch deutlich mehr, wenn man die Talente, die man hat, nach vorne rückt. Die Trennung klingt natürlich gut, nach “Balance of Power”. Sie hat sich aber zumindest bei den Grünen in der Praxis nicht durchgesetzt. Ich denke auch, dass es effektivere Mittel zur Begrenzung von Macht als die Trennung von Amt und Mandat gibt. Indem man beispielsweise eine stärkere Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung schafft, sodass Politik, die eigentlich konträr zu Wahlversprechen gemacht wird, korrigiert werden kann.
Flaschenpost: Kommen wir noch einmal auf den vergangenen Bundesparteitag zurück. Wie wurde der aus Ihrer Sicht von der Bevölkerung aufgenommen? Es wurde ja viel berichtet. Auf zehn Piraten kam ein Journalist.
Peter Mühlbauer: Das ist der Punkt. Der Parteitag wurde als “überberichtet” wahrgenommen. Es wurde viel zu viel über den Parteitag berichtet. Wir haben das an der Forumsbeteiligung in Telepolis gesehen. Wir hatten am Samstag zwei Artikel gebracht, am Sonntag zwei weitere. Aber die wurden ziemlich schlecht geklickt. Auch die Debatten, die darunter stattfanden, waren eher mau. Bochum wurde von vielen Lesern als eher langweilige Veranstaltung wahrgenommen. Wirtschaftspolitik mit Blabla, keine sensationellen Aussagen. Es interessierte nicht mehr als ein CDU- oder SPD-Parteitag, bei dem dann über Themen wie “Ehegattensplitting für eingetragene Lebensgemeinschaften” gesprochen wird, was große Teile der Bevölkerung vielleicht gar nicht so interessiert.
Flaschenpost: Was hätte denn mehr Interesse erweckt?
Peter Mühlbauer: Wenn man über das Personal geredet hätte. Aber das ist natürlich problematisch – weil es Soap ist. Politik funktioniert aber zum großen Teil als Seifenoper.
Flaschenpost: Köpfe mit Themen?
Peter Mühlbauer: Das funktioniert sogar mit Köpfen ohne Themen. Wie man bei der FDP sieht. Natürlich haben die auch Themen, aber oft hat man den Eindruck, dass bei der medialen Berichterstattung über Parteien Themen durchaus weggelassen werden. Dann weiß man nicht, wofür steht der eine, wofür der andere Kopf. Aber, und hier kommen wir wieder auf die Klicks, man merkt, dass die Köpfe wesentlich mehr Interesse erregen als bestimmte Themen. Und wenn Themen und Köpfe verbunden werden, wie zum Beispiel jetzt in der Affäre Mollath, kann man Themen unterbringen, für die man sonst keine Aufmerksamkeit erzeugen könnte. Man würde den Fall ja eher in Sowjetrussland verorten und stellt plötzlich fest: Das ist ja nicht unmöglich, dass jemand hier ohne ausreichenden Grund in die Psychiatrie eingewiesen wird. Sein Haus und seine Dokumente verliert und seit Jahren dort sitzt. Mit einem Zusammenhang mit einer großen Bank und Schwarzgeldern, der auch interessant ist. Wenn man die Problematik nur anhand von Gesetzen diskutiert hätte, also “Oh, hier im Revisionsverfahren ist das ja ganz problematisch, weil eine Revision nur unter bestimmten Bedingungen angenommen wird, und es vielleicht gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstößt, die mehrere Instanzen garantiert …”, dann wäre das sehr abstrakt und trocken gewesen. Im konkreten Fall Mollath wird das Interesse aber durch die Person erzeugt.
Flaschenpost: Das heißt für die Piraten, dass wir für jeden Beschluss, für jeden Wahlkampfpunkt den passenden Repräsentanten brauchen?
Peter Mühlbauer: Genau, es muss der Passende sein! Es gibt (das ist unabhängig von den Themen) Köpfe, die kommen bei der Bevölkerung einfach nicht so gut an wie andere Köpfe: Klaus Ernst, Erwin Huber, Günther Beckstein, Scharping, Rösler, um noch mal auf sie zurück zukommen.
Flaschenpost: Woran mag das liegen? Ist es das Auftreten? Das Aussehen? Die Wortwahl?
Peter Mühlbauer: Das ist schwierig herauszufinden. Aber das muss man vielleicht auch gar nicht. Für eine Partei ist es eigentlich nur wichtig, festzustellen, dass es so ist. Für die FDP war es wirklich ganz leicht festzustellen. Man machte Rösler zum Parteichef und die Umfragewerte lagen bei 3-4%. Dann gab es bei zwei Landtagswahlen zwei Köpfe, die Rösler durchaus in den Hintergrund drängten. Wolfgang Kubiki und Christian Lindner. Die praktisch als Gegenposition zu Rösler präsentiert wurden. Wo der Wähler praktisch eine indirekte Möglichkeit hatte, über den Parteivorsitzenden abzustimmen oder das zumindest als Meinungsäußerung abzugeben. Und plötzlich bekommt man das doppelte Ergebnis: 8% oder sogar mehr. Wenn die FDP dann noch sagt “Wir halten an Rösler fest” ist sie bestimmt schlecht beraten, weil es eben doch sehr eindeutig ist. Herr Rösler ist noch Parteichef – und wir kennen die Umfragewerte.
Vielleicht sollte die Piratenpartei einfach eine Umfrage unter Wählern und Mitgliedern machen. Nicht nur unter einer Gruppe, denn unter Mitgliedern kann das ganz anders sein als unter Wählern. Durch die Ergebnisse wird man sehen “kommt der Ponader wirklich so schlecht an, ist er der Grund, dass die Leute die Piraten nicht wählen”. Man kann das auch bei einem Meinungsforschungsinstitut in Auftrag geben, das ist nicht unbezahlbar. Man muss solche Umfragen dann nicht einmal veröffentlichen. Das ist zwar nicht unbedingt transparent, wird aber von anderen durchaus auch so gemacht. Was man auf jeden Fall über Ponader sagen kann: Er wirkt … es ist eine seltsame Mischung aus unsouverän und oberlehrerhaft. Unsouverän, wie er zum Beispiel bei Günter Jauch auf den HarzIV-Vorwurf reagierte. Er fragte nicht “Was kassiert denn Günter Jauch an TV-Zwangsgebühren, die genau so abkassiert werden wie Steuern?” Sonder er hat ihm ganz oberlehrerhaft erklärt, dass der offizielle Ausdruck ja ALGII ist und nicht HarzIV. Er steht da für eine ganze Gruppe, die Unterstich-i und Binnen-i verwendet und damit von wirklichen Problemen ablenkt, stattdessen protoreligiöse Rituale pflegt. Das aber mit der Ernsthaftigkeit der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert.
Das heißt nicht, dass Johannes Ponader eine schlechte Politik vertritt. Er erzeugt aber eine gewisse Wirkung in Talkshows. Wenn jemand die Position vertritt: “Filesharing sollte entkriminalisiert werden”, sollte das nicht unbedingt derjenige sein, der vorher kino.to betrieb. Es gibt ja Piraten, die oft twittern, welche Musik sie gerade kauften oder was es leider nicht zu kaufen gibt. Die wären viel besser geeignet, eine “Filesharing sollte entkriminalisiert werden”-Position zu vertreten. Auf jeden Fall besser als jemand, dem man dunkle Privatinteressen unterstellen kann.
Flaschenpost: Eine letzte Frage noch: Viele Piraten propagieren die ständige Mitgliederversammlung. Halten Sie das für brauchbar?
Peter Mühlbauer: Es hat, wie andere Sachen, viele Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist sicher, dass in einer technisch angemessenen Weise in kurzer Zeit viele Beschlüsse gefasst werden können. Nachteile könnten unter Umständen sein, dass sich isolierte Kapseln bilden, Bubbles, die dann etwas beschließen, was andere gar nicht mitbekommen. Und das können auch ganz weitreichende Beschlüsse sein. Ganz ohne ausreichende Kontrolle durch andere Mitglieder. Man müsste Filter, Kontrollmechanismen, “Checks and Balances” einführen, um solchen Gefahren zu begegnen. Ich denke hier an Zusammenfassungen, die regelmäßig rauskommen. Das kann ja in 140 Zeichen getwittert werden. Aber wenn das in einer Sprache formuliert ist, die unverständlich ist, kann das durchaus unter dem Radar diskutiert und beschlossen werden. Deswegen ist die verständliche Form ganz wichtig. Derart ergänzt hätte die SMV ein Problem weniger.
Flaschenpost: Herr Mühlbauer, vielen Dank für die Vermittlung des Außenbildes.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.