Einer der Organisatoren hatte mir am Anfang gesagt, das eigentliche Ziel der Veranstaltungen sei es, die Piraten richtig in Wahlkampf-Stimmung zu versetzen. So gesehen, war das vielleicht ganz erfolgreich. Aber von vorn: 75 Piraten trafen sich am Wochenende in Schloss Knauthain bei Leipzig zum StratCamp, um „Strategie“ für den Bundestagswahlkampf zu machen. Die Organisationsform der Veranstaltung war ein sogenanntes „Camp“, bei dem die Inhalte nicht vorgegeben sind, sondern von den Teilnehmern selbst erarbeitet werden. Es lag also an jedem selbst, ob man Vorträge halten, nur zuhören oder zu dritt in der Ecke klüngeln wollte.
Die zwei Tage waren gefüllt mit der Auswertung bisheriger Wahlkämpfe – was war gut, was war schlecht – und der Planung dessen, wie wir es nun diesmal machen wollten. Zwar war man sich recht einig darüber, was man machen will, jedoch weniger, wie man das will. Beispielsweise wollten wohl alle gern den Wahlkampf und das Image der Partei unter ein alles verbindendes Wort stellen. Problem nur, sofort beginnen große Diskussionen, welches dieses Wort denn sein kann. Von Freiheit, über Demokratie, Teilhabe, Mitbestimmung, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, bis hin zu Solidarität, Aufklärung und Korruptionsbekämpfung reichten die Vorschläge.
Bei der Auswertung der bisherigen Wahlkämpfe waren die Niedersachsen und die Berliner PIRATEN spürbare Gegenpole. Die Niedersachsen waren sehr strukturiert und mit recht grundlegenden Erkenntnissen, die jedoch alle wirklich wichtig sind:
- Die Wahlkampf-Organisation muss für alle Interessenten offen stehen, kein Team kann stabil genug sein, um die viele Arbeit zu schaffen.
- Für jedes Thema, für jede Struktur, muss es offiziell beauftragte Verantwortliche auf möglichst kleiner Gliederung geben, sonst muss vieles doppelt getan werden.
- Offizielle Beauftragungen schützen vor Shitstorms.
Die Berliner waren im Gegensatz dazu sehr locker und selbstbewusst: Einfach tun! Wenn sich für etwas niemand findet, bleibt es eben ungetan. Passend dazu hatten sie auch schon eine eigene Kampagne ausgearbeitet (was für das Camp ausdrücklich nicht geplant war): Das von der SG Wahlsieg Berlin“ (Katja Dathe, fRED, Alf Frommer, Christopher Lauer) vorgestellte Konzept von „NEUSTART“ sorgte vor Ort für viel Interesse, jedoch kurze Zeit später auf Twitter und Mumble schon für reichlich Gegenwind. Vielleicht doch keine so gute Idee, wenn schon das Wort bei vielen für negative Assoziationen sorgt…
Insgesamt konnte man aus den Workshops einige Erkenntnisse mitnehmen:
- Wir sollten „frech“ und kontrovers sein, um aufzufallen.
- Wahlprüfsteine, Abgeordnetenwatch und Wahl-O-Mat sind gut für unsere eigene Vorbereitung und haben Multiplikations-Potential.
- Fragende Unternehmen einbeziehen, z.B. ins Beantwortungs-Pad einladen, das verdeutlicht unseren Mitmach-Ansatz.
- Kandidaten sollten in jedem Dorf oder Stadtteil min. 1 Stunde vor Ort sein, um sich vorzustellen
- Konkrete für die Bürger nützliche Aktionen sorgen für Sympathie. z.B. OptOutDay, Hilfe bei Jobcenter-Widersprüchen.
Die grösste Einigkeit herrschte wohl bei der Feststellung, dass die Leipziger PIRATEN eine super Organisation geleistet haben, von den Räumen bis zum Shuttle-Service. Viele Teilnehmer hatten am Ende der Veranstaltung leider das Gefühl, dass die ganze Veranstaltung keine Ergebnisse gebracht hat. Doch wenn das Ziel war, uns in Wahlkampf-Stimmung zu bringen, war das ganze vielleicht ganz erfolgreich. In diesem Sinne: Nach dem StratCamp ist vor dem StratCamp.
Alle Workshops stehen als Aufzeichnung zur Verfügung.