In Würzburg kamen an diesem Wochenende rund 30 Piraten zusammen, um die Positionen der Landesverbände zur Medienpolitik zu vergleichen. Der Medienpolitische Kongress kämpfte mit Startschwierigkeiten und begann holprig. Johannes Thon, Initiator der Konferenz, sah sich mit einer Grippe konfrontiert und konnte nur via Skype “zugeschaltet” werden. Auch das WLAN im Würzburger Congress Centrum zeigte sich von der verschnupften Seite und hustete gelegentlich. Mit technischen Problemen der wirklich teuren Sorte hatte einer der eingeplanten Redner zu kämpfen: Jörg Blumtritt blieb mit einem Getriebeschaden liegen. So war für ihn die Konferenz und auch Skype in unerreichbarer Ferne.
Trotz dieser Probleme wurde in Würzburg einiges erreicht: Die Landesverbände Bayern, NRW und Sachsen haben Positionspapiere zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Fraktion der Piraten in Berlin startete zum selben Thema bereits Initiativen. Diese wurden ausführlich vorgestellt und von Bruno Kramm und Jens Seipenbusch um weitere Vorschläge ergänzt.
Auf Grundlage dieser Punkte erarbeiteten die Piraten aus Sachsen, NRW und Bayern eine stichpunktartige Auflistung von übereinstimmenden und vor allem mehrheitsfähigen Reformvorstellungen, die den anderen Landesverbänden als Blaupause für eigene Positionen dienen sollen:
- Datenschutz: Die Piraten sehen die Datensammelbehörde nach dem Beispiel von GEZ und dem Beitragsservice kritisch. Die Haushaltsabgabe macht es z. B. nötig, soziale Beziehungen der Beitragszahler zu erfassen. Diese Daten haben nichts in einer Datenbank verloren. Zusätzlich dazu ist die öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft keine staatliche Institution, benötigt aber dennoch umfassende Daten über alle Bundesbürger. Ohne Reglementierung oder Kontrolle ist dies sehr kritisch. Der Vorschlag der medienpolitischen Konferenz: Einzug unkompliziert über die Finanzämter, so wie es aktuell bei der Kirchensteuer geschieht, dann wäre keine zusätzliche Datenerfassung notwendig.
- Internet: Inhalte sollen nicht nur begrenzte Zeit abrufbar sein. Einmal produziert soll es möglich sein, die Informationen unbegrenzt lange abzurufen. Der Zuschauer soll Inhalte nicht nur frei nach Bedarf abrufen, sondern diese Inhalte auch bearbeiten können. Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk gemeinsam finanziert wird, müssen auch die produzierten Inhalte Commons/Nachverwertung/Gemeingut-Charakter haben. Jeder wird zum Sender – und kann unabhänigig von der tatsächlichen Sendezeit die Sendungen ansehen. Bei bisherigen Sendewegen war eine Reglementierung des Programms durch die Frenquenzen vorgegeben. Im Internet gibt es jedoch keine Frequenzknappheit. Es kann nahezu unendlich viel Material zur Verfügung gestellt werden. Es müssen neue Regeln gefunden werden, um Streams auch über die Landesgrenzen hinweg erreichbar zu machen. Dazu sind mutige Änderungen an Lizenzverträgen zu erarbeiten, die dies möglich machen.
- Finanzierung: Die Finanzierung soll transparent, preisgünstig und steuerähnlich (ggf. einkommensabhängig) geschehen; ein Betrag von 8 Euro (auf jeden Fall aber unter 10 Euro) pro steuerpflichtigem Arbeitnehmer könnte eine Richtlinie sein. Eine gewinnabhängige Beteiligung der in Deutschland ansässigen Unternehmen soll ergänzend die Finanzierung gewährleisten.
- Organisationsform der Kontrollorgane: Kontrollorgane nehmen eine wichtige Rolle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein. Sie können nur partei-, markt- und staatsfern gestaltet werden. Dabei sollen die Mitglieder gewählt werden und die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlicht und damit beurteilbar gemacht werden. Dieser transparente Geschäftsbericht wird zur Grundlage der Zuteilung von Beträge für verschiedene Ressorts in den Anstalten.
- Zusammensetzung der Fernseh- und Rundfunkräte: In diesem Bereich soll eine Entpolitisierung stattfinden. Mehr Zivilgesellschaft, mehr Bürgerinitiative, mehr Einwanderer könnten mittelfristig den Rundfunkbeirat unabhängiger agieren lassen. Die Mitglieder könnten wählbar werden, beispielsweise parallel zur Landtagswahl. So würde der Einfluss der Politik eingeschränkt.
- Programminhalt: Eine Grundversorgung beinhaltet nicht nur kulturell wertvolles Programm, sondern auch andere Inhalte. Um hier Transparenz auch zu Finanzflüssen zu erreichen, wäre eine Trennung zwischen Produktion und Sendung anzustreben. Intensivere Nutzung von freiem Content könnte das Programm bereichern. Der Unterschied zwischen Sender und Empfänger verschwindet zunehmend, da die technischen Möglichkeiten es jedem erlauben, Content zu generieren. Auch Blogger, Podcaster sind Teil der heutigen Medienlandschaft. Journalisten könnten in den Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit aufgenommen werden.
Landesverbände, die diese Punkte als Grundlage für eigene Positionen nutzen wollen, finden im Konferenzpad die detaillierten Diskussionen mit vielen interessanten “Für und Wider”-Abwägungen. Ansprechpartner für weitere Fragen ist Johannes Thon.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.