Gastbeitrag von Alexander Bock.

Das Rückgrat jeder politischen Gruppe ist in der Lokalpolitik zu suchen. Dort verwurzelt ist eine politische Bewegung — nicht in den Landtagen oder anderen hohen Häusern. In den Stadt- und Gemeinderäten, wo noch Pragmatismus und nicht Ideologie Vorrang hat. Das heißt nicht, dass nur Kommunalpolitk wichtig wäre: im Gegenteil, vor allem für uns Piraten sind Landtage, Bundestag, Europaparlament, ja sogar die Vereinten Nationen und ihre Gremien von größter Bedeutung. Denn unsere ureigensten Themen werden in erster Linie dort behandelt, nicht im Rathaus. Wollen wir dort, in der großen Politik, erfolgreich sein, so dürfen wir aber nicht das Fundament vernachlässigen. Auf tönernen Füßen wird die Piratenbewegung auf Dauer nicht erfolgreich sein.
Kommendes Jahr werden in weiten Teilen Deutschlands Kommunalwahlen sein. Auch das Europaparlament und mehrere Landtagswahlen kommen auf uns zu. Dabei ist in weiten Teilen der Bundesrepublik die Personaldecke der Piraten schon sehr knapp. Um also 2014 erfolgreich zu sein, müssen wir viele Piraten und noch viel mehr Wähler mobilisieren. Das setzt fast schon voraus, dass wir 2013 einen richtigen Erfolg vorweisen können, der uns Rückenwind für die Herausforderungen des nächsten Jahres gibt.
Dieser Erfolg muss die Bundestagswahl sein! Ein Einzug in Deutschlands höchstes Parlament bietet nicht nur Gelegenheit viele unserer Forderungen endlich in den parlamentarischen Betrieb einzubringen. Nein, er hat auch Signalwirkung: Die Piraten sind eine ernstzunehmende politische Kraft, bei der es sich nach wie vor lohnt, sich einzubringen.
Der 22. September 2013 ist also der entscheidende Tag.
Falsch.
Der entscheidende Tag ist eigentlich der 15. September. Eine Woche vor der Bundestagswahl findet nämlich eine andere wichtige Wahl statt. Eine Wahl, deren eigene Signalwirkung für die Bundestagswahl selbst von großer Bedeutung sein wird: Die bayerische Landtagswahl. Wie auch die Hessen, deren Landtagswahl auf das Datum der Bundestagswahl fällt, tragen die Piraten in Bayern eine Mehrbelastung. Sogar eine Dreifachbelastung, wenn man es genau nimmt: Bundes-, Land- und Bezirkstagswahlen finden kurz hintereinander statt. Es gibt nur einen erheblichen Unterschied: Weil die Wahl in Bayern kurz vor und nicht zeitgleich mit der Bundestagswahl ist, wirkt sie ähnlich wie ein Sprungbrett für die Piraten im Rest der Republik. Springen die Piraten in Bayern gut ab, landen die Piraten in Deutschland im Bundestag. Tun sie es nicht, scheitert vielleicht das ganze Projekt Bundestagswahl.

Haben die Piraten am Abend des 15. September einen eigenen Balken mit über 5%, so wäre das ein deutliches Zeichen: seht her, sogar im konservativen Flächenland Bayern reißen die Piraten was. Denen könnt ihr auch im Rest der Republik eure Stimme geben, sie wird ganz bestimmt nicht verschwendet sein. Ist der Balken knapp vor 5%, wäre das zwar für die Piraten in Bayern ein herber Rückschlag — für Deutschlands Wähler wäre es trotzdem ein Zeichen: seht her, in Bayern haben sie es beinahe geschafft; mit meiner Stimme werden sie den Bundestagseinzug aber sicher schaffen.
Doch ist das Ergebnis in Bayern noch mauer, könnte sich das Ganze ins Gegenteil verkehren. Zweifeln die Wähler daran, dass wir die 5%-Hürde nehmen, werden viele uns aus Angst, unter 5% hängen zu bleiben, nicht mehr ihre Stimme geben. Ein Effekt, der uns letzten Endes das Genick brechen könnte. Sprich: Wenn wir in Bayern nicht zumindest ein respektables Ergebnis einfahren, gefährden wir den Erfolg bei den Bundestagswahlen in ganz Deutschland — unabhängig davon, wie gut der Wahlkampf in den anderen 15 Ländern vielleicht gelaufen sein mag. Und wenn wir keinen Erfolg bei den Bundestagswahlen haben, haben wir womöglich keinen Erfolg bei den Wahlen 2014. Nicht bei den Kommunalwahlen, nicht bei den Landtagswahlen, nicht bei der Europawahl. Letzteres gilt nicht nur für uns: die Erfolge der deutschen Piraten motivieren auch unsere Freunde im Ausland und geben ihnen Auftrieb. Haben wir keine Erfolge, passiert auch das nicht.
Anders gesagt: In Bayern kann man all diese Wahlen nicht gewinnen. Aber man kann sie alle hier verlieren.
Das darf nicht passieren, denn wir bekommen vielleicht keine 2. Chance. Natürlich ist das oben beschrieben nur eine Spekulation. Auch ich habe keine Glaskugel mit der ich die Zukunft vorhersagen kann. Doch obwohl ich im echten Leben immer für ein Experiment zu haben bin, so steht hier für meinen Geschmack zu viel für uns auf dem Spiel, um damit herum zu experimentieren.
Die bayerischen Piraten haben das erkannt. Die mit der Wahlkampfkoordination betrauten Piraten in anderen Bundesländern und im Bund haben schon treffend bemerkt, dass wir bei der Organisation des Ganzen schon ein paar Schritte voraus sind. Die ersten Plakate werden bereits gekleistert und aufgehängt, Veranstaltungen beworben und durchgeführt. Im Hintergrund schreiben fleißige Piraten Arguliner und entwerfen Werbemittel. Jeder Pirat, der nicht bereits aktiv ist, wird persönlich angesprochen und zur Mitarbeit eingeladen. Aber obwohl Bayern der mitgliederstärkste Landesverband der Piraten ist, ist unsere Personalsituation durch die drei gleichzeitigen Wahlen in so einem großen Flächenland aufs äußerste angespannt. Jede helfende Hand wird geschätzt.
Dieser Artikel ist also genau so zu verstehen: als ein Hilferuf. Von den Piraten in Bayern zu den Piraten überall sonst. Denn obwohl wir Piraten untereinander häufiger darüber streiten, wie an einem Strang gezogen werden soll, so ziehen wir doch letztendlich immer am selben Strang.
Es gibt viel zu tun. Für jedes (Zeit-)Budget ist etwas dabei. Seien es ganz banale Dingen, die man Zuhause erledigen kann, wie z.B. Geld zu spenden, evtl. über PirateStarter. Oder ans (SIP-)Telefon gehen, wenn es klingelt. Flugblätter und Plakate müssen ersonnen, Arguliner ausformuliert werden. Und wen es mehr in den Fingern juckt, der kann beim Straßenwahlkampf mithelfen. Günstige oder teils sogar kostenfreie Unterkunft kann arrangiert werden. So oder so: auch wenn schon viel geleistet wird und wurde, es wartet immer noch ein Berg Arbeit vor uns.
Ein Pirat, dessen Zweit-Twitteraccount geschützt ist, und auf den ich daher nicht linken kann, fasste das treffend mit den Worten Ernst Reuters, dem Bürgermeister Berlins während der Blockade 1948, zusammen. An unsere Situation angepasst würden sie wohl lauten:
„Ihr Piraten der Welt, ihr Piraten in Baden-Württemberg, in Thüringen, in Österreich, in der Schweiz! Schaut auf dieses Land und erkennt, dass ihr diese Landtagswahlen nicht verlieren dürft und nicht verlieren könnt!“