Gilles Bordelais ist einer von fünf Antragstellern der den EU-Sixpack einreichte. Wir unterhielten uns in einer Auszählpause über die piratige Sicht auf die Europäische Union.
Flaschenpost: Dein Antragstext WP133 ging glatt durch. Was steht denn drin?
Gilles: Die Intention war es, uns fit für den Wahlkampf zu machen. Nicht zuletzt wegen der Krise wird Europa in der Debatte stehen. In Talkshows und auf der Straße. Durch diesen Antrag sind wir positioniert. Relevant dabei ist, dass wir diesen Antrag nach Themen entworfen haben, die die EU-Ratspräsidentschaft sich selbst auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wir haben damit vorgesorgt, dass wir, wenn diese Themen aufkommen, und das werden sie, bereit sind. Dann wird es nicht mehr heißen „dazu haben wir keine Position“.
Flaschenpost: Verglichen mit anderen Parteien: Wo unterscheiden wir uns?
Gilles: An erster Stelle durch die Bürgernähe, die wir in allen Bereichen fordern. Wir wollen den Bürgern die Möglichkeit geben, Gesetze einzureichen oder zu stoppen. Wir wollen Energiepolitik dezentral organisieren, in der Wirtschaft wollen wir Kleinanleger schützen, im digitalen Leben wollen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das Urheberrecht Kommunikation nicht verhindert. Bei der Sicherheitspolitik lehnen wir alle Pläne und Gesetze, die darauf abzielen, die ganze Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen, ab.
Flaschenpost: Es wurde ein Antrag angenommen, der mehr Mitbestimmung der nationalen Parlamente beim ESM fordert. Überschneidet sich dieser Antrag mit eurem Modul 3?
Gilles: Praktischerweise nicht, unser Antrag lehnt den ESM nicht ab, sondern das, was damit gemacht wird. Die Idee des ESM-Antrags von Cornelia ist es, den ESM unter demokratische Kontrolle zu stellen. Das unterstützen wir sehr. Bei uns geht es um die massenweise Finanzierung von Staatsschulden zweifelhaften Wertes. Das lehnen wir ab. Für die Behebung der Krise setzen wir auf einen Marshallplan für Europa. Ein Aufbau- und Investitionsprogramm.
Flaschenpost: Beim Marshallplan 1948 für West-Europa kam die Hilfe von außen. Woher soll die Hilfe für Europa kommen?
Gilles: Europa kann sich selbst helfen. Die Geldquelle steht nicht im Antrag, aber vorstellbar sind Euro-Bonds, also Europäische Anleihen, oder eigene Einnahmen für die EU, beispielsweise durch eine Finanztransaktionssteuer. Derzeit hat die EU keine Einkommensquelle. Letztlich geht es uns um die Forderung, die Solidarität, auf die die die Union gebaut wurde, auch zu leben.
Flaschenpost: Das klingt ein wenig nach „Länderfinanzausgleich“.
Gilles: Ja, in gewisser Hinsicht schon. Allerdings ist eine perfekte Angleichung der Verhältnisse weder machbar noch gewünscht. Es geht eher darum, die jeweiligen Stärken der Mitgliedsstaaten zu fördern.
Eine Überlegung ist z.B. Innovation und wissensintensive Bereiche wie die Forschung für ein bessere Nutzung für regenerative Energien im Norden Europs zu fördern, und dafür die Produktion dieser Energien inkl. der Arbeitsplätze, die dabei entstehen im Süden des Kontinents zu fördern.
Flaschenpost: Warum ist das für andere Parteien kein Thema?
Gilles: Das müsste man sie wirklich fragen. Es entsteht der Eindruck, dass die etablierten Parteien immer zu Flicklösungen greifen, weil sie sich nicht trauen für einen großen Wurf zu stehen. Denn wenn sie das täten, müssten sie es ihren Wähler erklären. Und davor haben sie Angst.
Flaschenpost: Dein Antrag geht ins Bundestagswahlprogramm ein. Was ist mit der Wahl zum EU-Parlament, die 2014 ansteht?
Gilles: Unser Antrag ist auch regenerativ, wir können ihn problemlos für den Europawahlkampf recyceln. Deswegen sind wir schon jetzt für 2104 aufgestellt.
Flaschenpost: Danke für die Einblicke.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.