Ein Gastartikel von Nicole Britz
Obwohl Deutschland ein säkularer – also weltlicher – Staat ist, genießen die beiden großen christlichen Kirchen immer noch eine Sonderrolle. Eine Auswirkung davon ist, dass die Kirchensteuer eine Steuer ist und kein freiwilliger Beitrag der Kirchenmitglieder oder der Gläubigen und dass dieser Beitrag von den staatlichen Finanzämtern eingezogen wird. Und die Kirchensteuer kann als Sonderausgabe steuerlich abgesetzt werden. Damit verzichtet der Staat auf eigene Steuern.
Aber es geht sogar noch weiter: Aufgrund von Verträgen, die vor 200 Jahren geschlossen wurden, zahlt der Staat bis heute die wesentlichen Kosten kirchlicher Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, Kindergärten und sogar die Gehälter der Bischöfe und anderer Mitarbeiter.
Im Jahr 2009 flossen über 19 Milliarden Euro aus der Staatskasse in die Kirchenfinanzierung. Die beiden großen Kirchen brachten zusammen nur 10,5 Milliarden Euro auf. Das ergibt einen Anteil von 64% für den Staat bei der Finanzierung der Kirchen und kirchlicher Einrichtungen. Dieser Anteil mag für einzelne Institutionen unter kirchlicher Leitung sogar noch höher liegen.
Es ist schon befremdlich in der heutigen Zeit, dass die Finanzämter für die Kirchen die Kirchensteuer einziehen, und zusätzlich fließen noch erhebliche staatliche Mittel in Richtung der beiden größten Glaubensgemeinschaften, die auch von Leuten aufgebracht werden, die mit keiner der beiden Konfessionen verbunden sind.
Dieses Finanzierungsmodell wirkt umso befremdlicher in unserer Zeit, wenn man bedenkt, dass die Kirchen nicht nur hinsichtlich ihrer Finanzierung Sonderrechte genießen. Auch im Arbeitsrecht gelten Sonderregelungen für religiöse Tendenzbetriebe. Das bedeutet, dass die Regelungen des Arbeitsrechts, denen Arbeitnehmer und Arbeitgeber normalerweise unterworfen sind, hier nur eingeschränkt gelten.
Da zum Beispiel die katholische Kirche Homosexualität nicht mit ihren Moralauffassungen vereinbaren kann, darf sie aufgrund des speziellen Arbeitsrechts offen homosexuell lebende Mitarbeiter entlassen oder bereits bei der Einstellung diskriminieren. Auch eine Scheidung ist ein zulässiger Kündigungsgrund, da die katholische Kirche Scheidungen ablehnt und das Sakrament der Ehe als unauflöslich gilt.
Wir haben also mitten in Deutschland Betriebe, die sich zum größten Teil aus Steuermitteln finanzieren (also auch den Steuern von Geschiedenen und Homosexuellen, um bei diesem Beispiel zu bleiben), die aber legal diskriminieren dürfen. Und dies im Jahr 2013, sieben Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes, welches weltliche Arbeitgeber zu diskriminierungsfreiem Verhalten verpflichtet und Diskriminierten Rechtsmittel an die Hand gibt, sich dagegen zu wehren.
Mann mag nun anführen dass die Kirchen ja “viel Gutes tun” in den von ihnen geführten Einrichtungen. Dem sei entgegen zu halten, dass sie das auch tun können, wenn sie sich allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen unterwerfen. Die Zeit ist reif, diese Sonderlocken endlich abzuschneiden. Wenn die Allgemeinheit die Kosten trägt, darf die Weltanschauung des Betreibers keine Rolle spielen. Wenn die Kirchen diese arbeitsrechtliche Sonderstellung weiter genießen wollen, sollten sie die Finanzierung dieser Betriebe selbst gewährleisten. Wir setzen uns daher dafür ein, dass staatlich geförderte kirchliche Einrichtungen (Altenheime, Krankenhäuser, Kitas, etc.), die mit der Wahrnehmung von gemeinnützigen Aufgaben betraut sind und sich auch vorwiegend über staatliche Mittel finanzieren, nur noch dann Geldmittel erhalten, wenn jeweils das allgemeine Arbeitsrecht Anwendung findet.
Aber die Kritik geht noch weiter. Was außer “das haben wir immer so gemacht” rechtfertigt heute noch die Einziehung der Kirchensteuer durch die Finanzämter? Zwar wird hierfür eine Aufwandentschädigung erhoben, es ist jedoch unklar, ob diese kostendeckend ist. In den meisten anderen Ländern gibt es keine Kirchensteuer. Sie finanzieren sich aus Spenden und Dienstleistungen.
Solche Privilegien finanzieller und arbeitsrechtlicher Natur sind nicht mehr zeitgemäß. Die Abschaffung dieser Privilegien und eine grundlegende Reform der Kirchenfinanzierung muß von der Politik endlich angegangen werden. Dafür setzt sich die Piratenpartei ein.