Bernd Schlömer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland, fordert “Eltern sollten die Passwörter ihrer Kinder kennen!” Absurde Forderung? Aus dem Kontext gerissener Satz? Oder wie geht so eine Forderung mit dem Programm der Piratenpartei konform? Ein Gastartikel von Mia Sophie Möller, Vorsitzende der Jungen Piraten Niedersachsen, über die Frage, welche Rechte Kinder und welche Verantwortung Erziehungsberechtigte haben.
In den letzten Tagen gab es einige Diskussion zu einem Interview, dass Bernd Schlömer als Bundesvorsitzender der Piratenpartei der Rhein-Zeitung gegeben hat. Hauptzündstoff war die Aussage “Eltern sollten die Passwörter [ihrer Kinder] kennen”. Dies wurde auch als Schlagzeile des Artikels selber genutzt und erreichte per dpa einige Zeitungsartikel. Gerade in Zeiten der NSA-Affäre ist so eine Forderung natürlich eine Garantie für Aufruhr.
In den darauf folgenden Kritikäußerungen, sei es per Twitter, in den Kommentaren von Newsseiten oder auf den Mailinglisten, fehlte es aber leider immer wieder an einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema und insbesondere dem Zusammenhang dieser Aussage. Diese möchten wir hier versuchen.
Zu einer verantwortungsbewussten Erziehung gehört nun einmal, dass Eltern gemeinsam mit ihrem Kind die Gehversuche im Internet erleben und es begleiten. Sie müssen das Medium erklären und ihm beibringen, wie damit umzugehen ist – eben Medienkompetenz vermitteln. Das Veröffentlichen von privaten Informationen auf sozialen Netzwerken, inklusive auf kindgerechten Seiten, ist etwas anderes als das Schreiben von Gedanken in Tagebücher. Dies muss einem Kind erst beigebracht werden.
Im entsprechenden Abschnitt des Interviews geht es um die Frage, ob ein Schulfach Medienkompetenz eingeführt werden sollte, was Bernd Schlömer befürwortet. Aber gleichzeitig weist er darauf, dass viele Kinder in der Schule bereits medienaffin sind. Viel mehr ginge es um die Frage der Medienkompetenz der Eltern und wie diese ihren Kindern verantwortungsbewusst beibringen, mit dem Internet und anderen Medien umzugehen. Ebenfalls äußert er im weiteren Verlauf, dass das Wissen der Passwörter ab einem gewissen Alter nicht mehr notwendig sei. Zwar nennt er kein konkretes Alter, dies dürfte aber auch insbesondere vom Entwicklungsstand des Kindes abhängen, wann dies so weit ist – wie bei allen anderen Themen in der Erziehung auch.
Häufige Kritik ist, dass auch Kinder und Jugendliche ein Anrecht auf Privatsphäre hätten und ja auch niemand fordern würde, dass Eltern die Tagebücher ihrer Kinder lesen müssen. Dass Bernd Schlömer von Kindern spricht, bestätigt sich aus meiner Sicht auch durch den Zusammenhang, dass es um Schule und Vorschulzeit geht. Kinder sind Personen, die jünger als 14 Jahre alt sind. Es betrifft also keinerlei Jugendliche und natürlich auch nicht die 40-jährige, die von ihrer Oma immer noch “Kind” genannt wird. Hier sind wohl vor allem Personen mit einstelligem Alter gemeint (Vorschulzeit und Anfang Schule).
Natürlich ist es ebenso richtig, dass auch Kinder, bereits ab der Geburt, Menschenrechte besitzen. Aber es kann wohl kaum abgestritten werden, dass ein 1-monatiges Baby keine nennenswerte Privatsphäre besitzt. Es darf (und kann) noch nichts alleine machen. So wie das Kind Schritt für Schritt laufen lernen muss, es immer wieder ein wenig mehr Freiheit bekommt, müssen Eltern eben dieses Erlernen und schrittweise Erlauben der Freiheit in allen Bereichen unterstützen. Auch im Umgang mit Medien und dem Internet.
Elteren sollten gemeinsam mit ihrem Nachwuchs die ersten Accounts anlegen, anfangs sicher auf altersgerechten Seiten. Und ebenso sollten Kinder dabei begleitet werden, wenn sie die ersten Texte, Bilder usw. im Internet veröffentlichen. Hierzu gehört nicht wenig Wissen und Erfahrung im Bereich der Medienkompetenz. Nicht ohne Grund gibt es Aktionen wie “Hol dir deine Daten zurück” der Jungen Piraten.
Es geht bei allem um Vertrauen zwischen dem Kind und den Erziehungsberechtigten. Dem Kind wird, nachdem die erste Zeit gemeinsam im Internet verbracht wurde, Schritt für Schritt erlaubt, auch alleine zu surfen. Und so wie hier dem Kind vertraut wird, vertraut es ebenfalls darin, dass die Eltern immer da sind, helfen und es schützen. Mit fortschreitendem Entwicklungsstand wird es zu dem Zeitpunkt kommen, wo in der “Elternfreien Internetzeit” das Passwort geändert wird. Vielleicht ist dies der Zeitpunkt, wo Eltern das Passwort nicht mehr wissen (sollten). So wie es einen Zeitpunkt gibt, ab dem sie nicht mehr einfach so ohne anklopfen in das Kinderzimmer gehen sollten. Dies dürfte der von Bernd Schlömer genannte Zeitpunkt sein, am dem die Kenntnis über das Passwort nicht mehr nötig ist.
Bis zu diesem Augenblick gehört es zu einer verantwortungsbewussten Erziehung, dass Eltern gemeinsam mit ihrem Kind auf Entdeckungsreise gehen, wissen, was ihr Kind macht, aber ihm auch immer mehr vertrauen. Inklusive der Kenntnis über die Accounts und der Passwörter. Auch damit das Recht auf Privatsphäre nicht nur gemeinsam mit den Eltern erlernt wird, sondern auch, damit eben jenes Recht nicht gegenüber Dritten verloren geht.
Auch wenn die Aussage so nicht im Programm der Piratenpartei zu finden ist, zeigt das Grundsatzprogramm doch, dass die Themen Privatsphäre , frühkindliche Bildung und Medienkompetenz zentrale Forderungen sind. Ebenso wie die Aufklärung der Eltern und deren Verantwortung zu einer dem Entwicklungsstand gerechten Erziehung.