Jedes Jahr, wenn der Sperling beim trappsen durch das Volksfest auf eine Losbude stieß, befiel ihn das fast schon surreale Gefühl, auf einer Wahlkampfveranstaltung zu sein. Irgendwie erinnerten ihn die Versprechen auf den großen Gewinn und die hübsch aussehenden, aber qualitativ eher mittelmäßigen Gewinne an das übliche Trara des Wahlkampfs. Manchmal bekam man schön aus der Entfernung glitzernden, bei näherer Ansicht aber miesesten Schrott angedreht – meist zog man aber eine Niete.
Auch dieses Jahr war der Sperling, diesmal mit seinem süßen Spatz, auf dem Volksfest. Vor einer Losbude ist er dann fast aus seinen Latschen gekippt, denn da hing ein Schild: „Keine Nieten.“
„Oh mein Gott“ entfuhr es ihm so laut, das er von vielen ganz komisch angeguckt wurde „das ist mein Jugendtraum! Einmal nur Gewinne, keine Nieten!“ Dann merkte er, das das surreale Gefühl so stark war wie noch nie zuvor. Er musste sich erst mal hinsetzten – mitten auf den Weg – und nachdenken.
Keine Nieten: Das klang wie im Wahlkampf. Jede Wahlbude behauptete, dass es bei Ihnen keine Nieten gäbe, es gäbe nur Hauptgewinne und alles sei nur von der allerbesten Qualität. Und genau so, wie der Nieten-Ersatz einer Plastikrose (Einkaufspreis: 4 Cent, Lospreis: 1 Euro) sind alle Versprechungen im Wahlkampf – wie schon immer – nur dummes Gerede die einen einen Haufen Geld kosten und kaum etwas einbringen.
Rekapitulieren wir, was so versprochen wurde: Bei der CDU verspricht man uns weiterhin die blühenden Landschaften, bezahlt wird aber alles von den Armen. Die SPD sprich von Sozialer Gerechtigkeit – hat aber Hartz IV eingeführt und will das behalten. Die Grünen versprechen nichts, sie drohen mit Veggie-Day, Steuern und lassen – wie schon immer – den Oberlehrer heraushängen. Die LINKE verspricht gerechte Mieten und Energiekosten, verschweigt aber, dass das nur mit Zwang für die Eigentümer oder Verstaatlichung zu machen ist. Die FDP – nun ja, die FDP behauptet sie wäre für Bürgerrechte und Freiheit, hat beide aber jedes mal, wenn sie an der Regierung war, billig verkauft (abgesehen von Schnarre).
Und die PIRATEN? Sie versprechen nicht was sie machen werden, sie sagen nur was sie durchsetzen wollen. Keine Lügen, kein „Wir kämpfen für“, „Wir setzen uns ein“, kein „Mit uns gibt es keine …“ – nein, einfach klare Ansage. Das Problem ist, das die PIRATEN keine Losbude betreiben, es gibt keinen glitzernden Tand, keine billigen Stofftiere. Stattdessen haben sie eine „Hau denLukas“, dort sieht man Kratzer, Schrammen, eingekratzte Namen und die Stellen an denen Verbesserungen sichtbar wurden sind nicht mit Lack übermalt.
Das ist zwar ehrlich, aber nicht attraktiv – und wie auf dem Volksfest gehen die Leute lieber da hin, wo es schön bunt ist, glitzert und „Keine Nieten“ steht – obwohl sie wissen, dass sie nur eine Plastikblume bekommen. Nur manche, die für Ihren Spaß auch etwas tun wollen, machen Verbesserungsvorschläge und nehmen auch mal das Werkzeug zur Hand – und die stören sich dann nicht an den Kratzern.
Der Sperling ist der Meinung, dass etwas mehr Achtsamkeit der Mitarbeiter beim Aufbau des Fahrgeschäftes, Respekt vor den Frontleuten und vor allem eine hübsche, gefällige Lackierung über dem stabilen Kern gut tun würde. Wenn der kleine Flattermann etwas zu sagen hätte, würde er jeden Piraten in ein Seminar für gewaltfreie Kommunikation schicken, die Bedienungsanleitung in einfacher und kurzer Sprache verfassen, den Lack so gestalten das er den Besuchern und nicht den Betreibern gefällt und dann gucken ob es besser wird.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂