Ein Artikel von Stathis Leivaditis; Übersetzung von Hauke Holtkamp. Veröffentlicht in Zusammenarbeit mit der Pirate Times unter CC-BY.
Nicht auf der Basis eine Mehrheitsentscheidung, sondern auf der Basis eines vollständigen Konsenses, wurde von den europäischen Piraten in Athen eine gemeinsame politische Agenda aufgestellt. „PPEU Athens 2013“ wird als das erste grenzübergreifende politische Programm in Erinnerung bleiben.
Die Arbeitsgruppe für ein gemeinsames Europawahlprogramm für die europäische Piratenpartei (PPEU) hat vor Kurzem in Athen ihr Ziel erreicht. Am Ende des Workshops stellte der Co-Vorsitzende der PPI, Gregory Engels, der das Treffen leitete, fest, dass das beachtenswerteste Merkmal des Treffens der Fakt sei, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Piratenbewegung ein gemeinsames Programm aufgestellt wurde. Es gebe allerdings immer noch viel zu tun.
Am Samstag, 2. November 2013, nachdem die Mitglieder der PPGR, “Pirates in Athens” und “Pirates in Education“ begrüßt wurden waren, haben alle Beteiligten sich auf die Zusammenführung der Entwürfe von einzelnen Piratenparteien konzentriert. Bis zum Sonntagnachmittag war der gemeinsame Entwurf fertig. Das Wichtigste daran war, dass alle Piratenparteien den Entwurf einstimmig annahmen. Eine Liste von Themen, die es nicht in den Entwurf geschafft haben, wurde parallel geführt.
Gregory Engels sagte, dass er für das gemeinsame Programm noch auf die Teilnahme weiterer Piratenparteien warte und bemerkte, dass der Text zu lang und auch länger als erwartet sei. Die Piraten müssten sich kürzer fassen, damit Flyer entstehen und Themen auf der Straße vermittelt werden könnten.
Martina Pöser, Delegierte der Piratenpartei Deutschland (PP-DE) und Koordinatorin dieser Bemühung, hat auf der PPEU-Mailingliste ihren Enthusiasmus verbreitet: „Ich kann nur sagen, wie glücklich ich mit dem Ausgang der Konferenz bin und hoffe, dass ihr das auch seid, selbst wenn eure Lieblingsthemen nicht übernommen wurden. Die Umsetzung basierte auf Konsens und nicht Mehrheitsentscheidung. Daher genügte eine einzige Gegenstimme, um ein Thema zu verhindern. Bedenkt daher, wie fantastisch es ist, dass trotzdem noch so viel übernommen wurde.“
Bis zum 17. November 2013 können alle Piratenparteien ihre Ergänzungen zum Programm einreichen. In den folgenden zwei Wochen, bis zum 1. Dezember 2013, können die Parteien das Programm ratifizieren.
Die Piratenvision für die EU
„Alle Piraten haben dieses Wahlprogramm angenommen und streben danach, unsere Vision für Europa in die Realität umzusetzen“, kann man in der Präambel des gemeinsamen Wahlprogramms nachlesen. Die Piraten haben sich auf die Position geeinigt, dass es ein Defizit in der Demokratie innerhalb der EU gibt (und immer gegeben hat), welches durch stärkere Bürgerbeteiligung ergänzt werden muss, und betonen, dass „die EU ihrem Subsidiaritätsprinzip gerecht werden soll und Entscheidungen nicht auf EU-Ebene gefällt werden sollten, wenn sie besser auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene geklärt werden können“.
Die Kernthemen der Piratenbewegung, so wie sie gemeinsam beschlossen wurden, sind Transparenz in der Politik und im öffentlichen Sektor, Open Access, offene Verfügbarkeit von Daten für die Allgemeinheit, der Schutz der Privatsphäre und der Bürgerrechte, die Reform des Urheber- und Patentrechts, Netzpolitik und -neutralität, sowie die Berücksichtigung von Interessen mittelständischer Firmen im internationalen Handel, die Verminderung privater Monopole sowie die Öffnung von Märkten.
Der Textentwurf ist das Resultat einer zweitägigen Sitzung und beinhaltet die folgenden Themen:
- Bürgerbeteiligung und Open Government
- Transparenz
- Open Access und Open Data
- Schutz der Privatsphäre//Bürgerrecht
- Sicherheitsforschung und Überwachungssoftware
- Europäische Datenschutzregulierung
- Verurteilung von Bewegungen gegen Menschenrechte
- Öffentliche, kostenlose, säkulare und allgemeine Bildung
- Verbot wahlloser Personenerkennung im öffentlichen Raum
- Zusammenführung von Regelungen zur Polizei, z.B. Identifikation und Amtsmissbrauch
- Berücksichtigung von Selbstbestimmung und Privatsphäre in internationalen Handelsabkommen
- Free Software, Libre Culture und Free Knowledge
- Free Software: Bindende Verwendung von Free Software in der öffentlichen Verwaltung
- Förderung der Commons
- Urheberrecht
- Patente
- Netzpolitik
- Internationale Handelsabkommen
- Dezentrale Energiepolitik
- Abschaffung der Sommerzeit
Delegierte kommentieren „PPEU Athens 2013“
Wir haben Delegierte darum gebeten, ihre Einschätzung vom Treffen abzugeben. Hier sind ihre Antworten:
Muriel Rovira PP-CAT
„Ich bin sehr glücklich, weil die Einigung bei so vielen verschiedenen Themen sehr schwierig ist. Obwohl wir alle nur Freiwillige sind und die europäischen Piraten viele kulturelle und organisatorische Unterschiede haben, lernen wir schnell zusammen zu arbeiten und werden sehr effizient darin, Einigungen zu erzielen. Es gibt noch viel zu tun, aber ich glaube wir sind alle überrascht, wie viel wir schon geschafft haben.“
Antonios Motakis PP-GR
„In der Europawahl mit einem gemeinsamen Basisprogramm anzutreten, ist eine starke Aussage unserer gemeinsamen Piratenwerte. Außerdem ermöglicht es diese Grundlage, gemeinsam auf unsere Ziele zu zu arbeiten.“
Yohan Aglae PP-FR
„Diese drei Tage und Nächste der Arbeit in Athen waren eine wundervolle Erfahrung für mich. Obwohl ich die Gelegenheit hatte, kulturelle Unterschiede in der Geschäftswelt kennenzulernen, war dies das erste Mal im politischen Kontext. Wie immer ist es spannend, alle von uns europäischen Piraten vereint an einem friedlicheren, freieren, offeneren und bürgernäheren Europa arbeiten zu sehen. Als Delegierter aus Frankreich war es mein Ziel, das gemeinsame Programm voranzutreiben, damit der EU-Bürger das Gesicht von Europa wird, anstelle dass Europa an den Konflikten nationaler Interessen stirbt. Die französischen Piraten verteidigen eine Demokratievision, die von lockeren Vereinbarungen und gemeinsamen Interessen getragen wird. Wir freuen uns, dass unser Ansatz von vielen anderen geteilt wird. Daher ist das Athen-Treffen für uns ein Erfolg (Applaus an die griechischen Gastgeber!!!). Wichtige Fortschritte konnten erzielt werden und ich schätze, dass das meiste der non-consent-Anteile in Frankreich in unserer nationalen EU-Agenda aufgenommen wird.“
Anton Nordenfur PP-SE
„Es ist aufregend zu sehen, wie sich so eine große Bewegung wie ein Buschfeuer ausbreitet. Wir haben hier Delegierte von so vielen verschiedenen Ländern, Kulturen und Philosophien getroffen und konnten dennoch Verbindungen, gemeinsame Träume und Visionen finden, die wir alle verfolgen. Diese Treffen sind wesentlich für unsere Organisation. Nachdem ich das gesehen habe, bin ich mir sicher, dass die Piratenbewegung hier ist, um zu bleiben.“
Joan Rovira PP-CAT
„Ich wurde gebeten als PP-CAT-Delegierte nach Athen zu kommen, weil ich die Koordinatorin der Gruppe Wahlprogramm in unserer Partei bin. Dieses war für mich das erste PPEU-Treffen. Erst war ich skeptisch, was die zu erwartenden Ergebnisse angeht. Es war sehr wenig Zeit und es gab wenige vorbereitende Dokumente. Der Entwurf der deutschen Piratenpartei war sicherlich ein kritischer Startpunkt. Wir haben das Dokument dann ergänzt und neue Punkte hinzugefügt. Martina hat das alles großartig zusammen geführt und logisch arrangiert. Am Samstag um 10 Uhr sahen die Aufgaben unschaffbar aus. Die Diskussionen waren lebhaft, aber immer respektvoll, obwohl es abweichende Positionen gab. Wir haben an beiden Tagen bis zum Sonnenuntergang gearbeitet, gestärkt durch großzügiges Mittagessen, bei dem die Diskussionen oft weitergingen. Wir konnten sogar einmal zur Akropolis eilen.
Ich denke, dass am Ende des zweiten Tages alle überrascht waren, dass alle Punkte auf der Agenda besprochen waren und wie weit wir gekommen waren. Die Gastfreundlichkeit und Organisation der griechischen Piraten hatten einen wichtigen Anteil am Erfolg des Treffens. Es gibt noch viele Hausaufgaben zu machen. Aber wenn wir es schaffen, dieses Engagement beizubehalten, bin ich sicher, dass wir am Ende ein ungewöhnliches Ergebnis erhalten: ein gemeinsames Europawahlprogramm, demokratisch besprochen und übernommen von allen nationalen Parteien, das frischen Wind in aktuelle und zukünftige Herausforderungen der EU bringt.“
Teilnehmer
Delegierte waren: PP-GR – Antonios Motakis , PP-FR – Yohan Aglae, PP-CZ – Mikuláš Peksa and Markéta Gregorová, Libor Špaček, digital, PP-CAT – Muriel Rovira, Joan Rovira, PP-DE – Jens Stomber and Martina Poser, digital, PP-SE – Anton Nordenfur, PP-BE – Paul Bossu, digital, und anderweitige Teilnehmer von der PP-DE: Alexandre Spies, Gregory Engels, Mia Utz