Technische Hilfsmittel sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – und besonders die Piraten setzen bei ihrer Organisation auf online verfügbare Tools, um sich untereinander abzustimmen. Doch nicht alle diese Tools kommen ohne Nachteile aus. Auch wenn sie oftmals wie beschrieben funktionieren, so bleiben doch nicht selten Probleme bezüglich Datenschutz und Werbung.
So oder so ähnlich dachte wohl auch Kristof Zerbe. Der 45-jährige ist seit 2009 Mitglied im hessischen Landesverband der Piraten und ist nicht nur beruflich als IT-Consultant und Softwareentwickler tätig, sondern auch in seiner Freizeit. Auch er verwendete kleine Tools wie beispielsweise den Link-Shortener bit.ly, störte sich allerdings bald an der Werbung und daran, dass er sich bei der Seite anmelden musste, um seine gekürzten Links verwalten zu können. Auch Bedenken zum Datenschutz kamen auf, weil profitorientierte Unternehmen es damit oft nicht allzu genau nehmen, wie unzählige Beispiele von Facebook, Google und Co. gezeigt haben.
Also sagte er sich einfach: “Das kann ich besser!” und nutzte seine Kenntnisse in Webdesign und -entwicklung, um pirat.ly auf die Beine zu stellen. Das erste Tool, das er auf seiner Seite implementierte war dabei natürlich ein Link-Shortener mit dem griffigen Namen shortenerrr. Das Tool bietet bei gleichem Funktionsumfang wie die Konkurrenz einen entscheidenden Vorteil: Es respektiert den Datenschutz in vollem Umfang. Mit dem Anspruch der gesamten Seite verhält es sich ebenso: Es werden keine Nutzerdaten erhoben, es gibt keinen Fremdcode auf der Seite, nicht einmal Werbung wird geschaltet, um Einnahmen zu generieren. Kristof entwickelt pirat.ly laut eigener Aussage nur, weil es ihm Spaß macht, weil er die Herausforderung mag und weil dabei sogar etwas Nützliches entsteht.
Der shortenerrr war natürlich nur kurze Zeit allein – schon bald kamen neue Module hinzu. Das erste davon, genannt selectorrr, stellt eine Alternative zum bekannten Abstimmungs- und Terminfindungstool Doodle dar. Doch nicht nur das, es besitzt außerdem zusätzliche Features, unter anderem die Möglichkeit, eigene Bilder oder HTML-Texte bei einer Abstimmung zu verwenden.
Die nächste Idee kam diesmal von außen. Android-Entwickler Grischa Brockhaus schrieb eine App für den shortenerrr, wodurch wiederum der Berliner Pirat Daniel Senff auf das Projekt aufmerksam wurde. Der Einfall der beiden: Sie wollten Piraten bzw. Interessierten eine einfache Möglichkeit geben, Anträge für Parteitage und andere Veranstaltungen in das Piratenwiki einzustellen respektive, um diese sich anzeigen zu lassen. Daraus entstand: spickerrr – inklusive Android App. Dieses Modul ist also direkt an das Antragswiki der Piraten geknüpft und bietet eine übersichtliche Oberfläche, um Anträge einzustellen oder zu lesen.
Nein, noch sind wir nicht fertig. Zwei gibt es noch: supporterrr und grillerrr (wenn man die r’s zu oft mitliest, bekommt man davon übrigens Kopfschmerrrzen). Das erste dieser beiden Tools präsentiert sich als Jobbörse für Piraten von Piraten. Kreisverbände, Landesverbände, AGs usw. können dort “Jobangebote” einstellen, also Stellen, bei denen sie noch Hilfe benötigen. Interessierte Piraten können sich dann bei ihnen auf diese Angebote melden. Das zweite ist eine Art “mini-abgeordnetenwatch”, wie Kristof es selbst bezeichnet. Hier können sich Piraten, die beispielsweise für ein Amt kandidieren oder sich anderweitig zur Wahl stellen, von anderen Menschen ausfragen lassen.
Alles sehr nützlich und alles sehr piratig – bis auf eine Sache, die etwas ungewöhnlich für einen Piraten ist.
Die Website basiert nämlich auf Microsofts ASP.NET Framework, also alles andere als quelloffen.
Aufgrund dessen hat Kristof auch schon ein paar Breitseiten von verschiedenen Leuten bekommen, die seine Seite jetzt wahrscheinlich boykottieren. Dabei wurde die API bereits öffentlich zugänglich gemacht.
Kristof hat auch vor, demnächst den Quellcode der Seite für alle Interessierten online zu stellen, und das auch aus nicht ganz uneigennützigen Gründen. Gesucht werden nämlich Entwickler, die selbst am Projekt mitarbeiten wollen. Ob es um das Entwickeln einer App für Android, iOS , WP8 oder an der Website selbst geht: Interessierte Programmierer sind willkommen. Den Kontakt könnt ihr gerne über kristof@pirat.ly aufnehmen.
Er selbst hat allerdings auch noch nicht genug. Weitere Module sind in Planung oder bereits kurz vor der Veröffentlichung. Da gibt es zum Beispiel pusherrr zum Versenden von Push-Nachrichten via Website und Smartphone oder den observerrr, eine OpenStreetMap, auf der man die Standorte von Überwachungskameras eintragen und sich ansehen kann (einige kleinere Versionen davon gibt es für manche Gebiete, wie z.B. Wiesbaden bereits). Zudem wird er noch von seinem anderen, bereits sehr bekannten Projekt, openantrag.de, zeitlich eingeengt. Bereits 49 Parlamente nutzen die Plattform, Anzahl steigend.
Das klingt jetzt vielleicht zu sehr wie eine Lobeshymne, doch die angebotenen Tools sind tatsächlich sehr nützlich und transparent, wenn man über das kleine “Manko” Microsoft hinwegsehen kann. Am besten ist es, ihr überzeugt euch auf pirat.ly selbst davon.