Die Idee eines europäischen Staatenbundes wurde in den Trümmern des 1. Weltkriegs geboren. Doch erst nach dem 2. Weltkrieg bekam diese Idee ihre Chance. Durch die Annäherung der Mitglieder sollte eine Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich stattfinden. Die „Erbfeindschaft“ sollte durch die Verflechtung wirtschaftlicher Interessen und die Annäherung der Bevölkerung überwunden werden. 1957 unterzeichneten sechs Staaten den EWG-Vertrag. Dabei waren neben Frankreich und Deutschland auch Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Italien. 1973 kam Dänemark sowie England und Irland dazu. 1981 folgte Griechenland, 1986 Spanien und Portugal. Die drei letztgenannten Länder waren junge Demokratien, die gerade die Zeit der Militärdiktatur hinter sich gelassen hatten. Der Beitritt in die Europäische Gemeinschaft (EU), so hieß die Gemeinschaft inzwischen, sollte die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Einige Jahre später öffnete sich vielen Ländern des ehemaligen Ostblocks die Tür in die Europäische Union. Auch sie konnten ihre jungen Demokratien durch günstige Rahmenbedingungen in der Union stabilisieren.
So gesehen ist die Geschichte der EU eine Erfolgsgeschichte wie aus dem Lehrbuch. Primäre Ziele wie Frieden und Annäherung wurden erreicht. Die jungen Demokratien haben sich entwickelt, ihre Wirtschaftsdaten glichen sich den Daten der anderen Länder an. Aber Vordenker wie Adenauer, de Gaulle, Kohl und Mitterrand sind selten geworden. Für viele Regierungen ist die EU etwas, das sich bilanzieren lassen muss. Unter dem Strich müssen schwarze Zahlen stehen, die sich der eigenen Wählerschaft verkaufen lassen.
Angsteinflößender als das Schielen auf Wirtschaftsdaten sind die Parteien, die eine kritische bis ablehnende Haltung zur EU pflegen, dem europäischen Gedanken und allem, das nach „Gemeinsamkeit“ riecht, feindlich gegenüberstehen. In Frankreich die Front National von Marie Le Pen, in den Niederlande die Partei für die Freiheit von Geert Wilders, in Österreich die FPÖ, die offen fremdenfeindlich auftritt, in Deutschland die Alternative für Deutschland, deren Mitglieder sich in die Nationalstaaten ihrer Kindheit (gelegentlich auch den Reichskanzler von Bismarck) zurückwünschen. Dazu die offen nationalsozialisitsche Jobbik-Partei in Ungarn, die wahren Finnen mit ihrem Slogan „Finnen zuerst“ oder die British National Party. Rechtspopulistische Parteien gibt es in nahezu allen Ländern Europas. Fast überall gewinnen sie Anhänger und Wähler dazu. Ihnen geht der Gemeinschaftsgedanke viel zu weit, selbst eine schwarze Null in der europäischen Bilanz ist ihnen „zu viel Europa“. Sie wollen die Schlagbäume runter lassen, um sich von den Nachbarn abzugrenzen. Den Gedanken an ein friedliches Miteinander statt eines distanzierten Nebeneinanders fürchten sie. Vielen dieser Parteien ist es zuzutrauen die Streitkräfte in Alarmbereitschaft zu versetzen, um den Nachbarn gegenüber zu zeigen wie ernst das eigene Anliegen ist – Säbelrasseln ist so viel bequemer als zu verhandeln.
Die ursprüngliche Idee, dass die Europäische Gemeinschaft ein Garant für Frieden sein soll, dass Menschen und auch Waren ungehindert zwischen den Ländern unterwegs sein sollen, gewinnt beim Anblick des Verfalls europäischer Ideale an Aktualität. Gemeinsam fühlen, gemeinsam denken, aber auch gemeinsam handeln. Die Idee des Teilens als Selbstverständlichkeit, gerade auch, wenn etwas nicht unbegrenzt vorhanden ist.
Die Piratenpartei unterscheidet sich in vielen Bereichen von anderen Parteien. Dazu gehört auch das Eintreten für ein geeintes Europa, das wir Piraten als Chance, nicht als Risiko betrachten. Die Gründung der Piratenpartei Europa (PPEU) – es ist die erste Partei, die europäische Grenzen hinter sich lässt und aus Mitgliedern des ganzen Kontinentes besteht – zeigt, wie tief verwurzelt die Idee eines Europas als Ganzes bei uns Piraten verwurzelt ist. Wir Piraten sehen uns als Europäer unter Europäern. Wir wollen kein Europa nach Kassenlage, kein Europa der Schlagbäume, kein Europa, das auf Handelsströme begrenzt ist. Wir denken Europa mit dem Herzen. Gerade deswegen gibt es innerhalb der EU vieles, das wir verändern wollen. Das Europa, das uns Piraten vorschwebt, ist demokratischer als heute. Das wollen wir erreichen, indem die einzelnen Bürger mehr Stimmgewicht bekommen. Das Europäische Parlament einer EU wie wir sie anstreben hat mehr Macht und in etwa die Möglichkeiten, die die Parlamente der einzelnen Mitgliedsländer auch haben – beispielsweise die Möglichkeit selbst Gesetze einzubringen oder internationale Verträge abzuschließen oder auch zu kündigen. Doch Europa mit dem Herzen zu denken bedeutet nicht, dabei den Verstand abzuschalten. Nicht alles ist tatsächlich machbar, vor allem muss die eigene Bevölkerung auf dem Weg in ein zukünftiges Europa mitgenommen werden!
Die ersten Abgeordneten einer Piratenpartei sitzen bereits in Straßburgs Parlament. Man muss kein Prophet sein, um nach der nächsten Europawahl weitere Abgeordnete einziehen zu sehen. Als erste paneuropäische Partei werden es die Piraten leicht haben ihrer Fraktion einen klingenden Namen zu geben. Auch das unterscheidet sie von den unbekannten Fraktionsnamen von EVP, über SPE ALDE und KVEL bis zur UEN. Mit dem bekannten Namen „Pirat“ bekommt Politik auch ein europäisches Gesicht. Das ist seit langem überfällig!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.