

Gastartikel von Martina Pöser
Wir sind nicht allein: Piratenparteien Europas vereinigt Euch!
Die Piratenpartei ist keine deutsche Erscheinung. Die erste Piratenpartei gründete sich am 01.01.2006 in Schweden. Gefolgt aber bereits im September des gleichen Jahres durch die Gründung einer deutschen Piratenpartei. Inzwischen gibt es in einem Großteil der europäischen Länder und in vielen anderen Ländern der Welt Piratenparteien.
Bereits zur Europawahl 2009 wurde eine Kooperation aller EU-Piratenparteien im Europawahlkampf angestrebt. Damals wurde die sog. Uppsala-Declaration verfasst, die sowohl gemeinsame politische Ziele als auch Kooperationsvereinbarungen enthielt. Um in Zukunft noch besser aufgestellt zu sein, kam später der Gedanke auf, eine Europäische Partei zu gründen. Hierdurch sollte die Zusammenarbeit institutionalisiert und damit auch medienwirksamer gemacht werden. Zudem besteht auch die Möglichkeit einer finanziellen Förderung durch die EU. Auf der Mitgliederversammlung der Pirate Parties International (PPI) im April 2012 in Prag wurde dann die sog. Prager Erklärung verfasst, die eine Absichtserklärung dahingehend enthielt, dass die Gründung einer solchen Europäischen Piratenpartei (PPEU) forciert werden soll und die europäischen Piratenparteien auch mit einem gemeinsamen Kernwahlprogramm, das Bestandteil der nationalen Wahlprogramme werden soll, in den Europawahlkampf 2014 ziehen wollen. Diese Erklärung wurde von der deutschen Piratenpartei auf ihrem Bundesparteitag in Neumünster eine Woche nach dem Prager Treffen angenommen.
Direkt im Anschluss bildeten sich zwei europäische Arbeitsgruppen, die zunächst online, dann aber auch bei Treffen in vielen Städten Europas die Themen „Gründung einer Europäischen Piratenpartei“ und „Gemeinsamer Europawahlkampf / Gemeinsames Europawahlprogramm“ vorantrieben. Bei den deutschen Piraten wurden vom Bundesvorstand zwei Teams hierfür beauftragt, Jens Seipenbusch und Steffen Ortmann für die Europäische Koordination und Martina Pöser und Balaji Mohan für die Gründung einer Europäischen Piratenpartei, die sich später wegen des Ausscheidens von Steffen und Balaji zu einem Team vereinigten. Inzwischen ist auch Jens Stomber Mitglied im Team für Europäische Koordination. Dieser Prozess erwies sich zunächst als sehr zäh, da sich schnell zeigte, dass die verschiedenen Piratenparteien sehr unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, wie diese Ziele im Detail realisiert werden sollten. Hierdurch erstreckten sich die Verhandlungen über anderthalb Jahre bis Satzung und Grundsatzprogramm der PPEU am 04.09.2013 von 15 europäischen Piratenparteien und den Young Pirates of Europe (YPE) in Luxemburg unterzeichnet werden konnten.
Durch eine gewaltige gemeinsame Anstrengung wurde dann im Oktober/November 2013 auch noch ein gemeinsames Wahlprogramm formuliert. Hierbei wurde vor allem der deutsche Vorschlag, der besonders umfangreich war und sich aus bereits von deutschen Piraten beschlossenen oder zumindest abgeleiteten Positionen zusammensetzte, zugrunde gelegt, und durch Vorschläge der anderen Piratenparteien ergänzt bzw. durch deren Einspruch reduziert. Sprachlich überarbeitet wurde die englische Fassung dann von den britischen Piraten. Hierbei wurde nach dem Konsensprinzip das gemeinsame Programm zwischen den für die Europäische Koordination zuständigen Personen der Parteien abgestimmt und den Parteien danach zur Abstimmung vorgelegt. Hierbei hatten die Parteiorgane bis zum 06.01.2014 die Möglichkeit, das gemeinsame Programm im Ganzen oder in Teilen anzunehmen oder abzulehnen. Seitdem gilt das „Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip“. Die deutschen Piraten haben das gemeinsame Programm auf ihrem Bundesparteitag in Bremen Anfang Dezember 2013 als Positionspapier mit etwa 99%iger Zustimmung angenommen. Auf dem Bundesparteitag in Bochum Anfang 2014 wurde es dann auch als Teil des deutschen Europawahlprogramms verabschiedet. Das Programm enthält insbesondere gemeinsame Forderungen zu den Themen Bürgerbeteiligung und Open Government, Transparenz und Whistleblower-Schutz, Datenschutz und Überwachung, Flüchtlingspolitik, Urheberrechts- und Patentrechtsreform, internationale Handelspolitik, Freie Software, Freie Kultur und Freies Wissen, Open Access and Open Data und Netzpolitik im Allgemeinen. Zu diesen gemeinsamen Forderungen wollen alle EU-Piratenparteien im Europawahlkampf gemeinsame Kampagnen entwickeln, die unseren Anspruch, eine internationale Bewegung zu sein, untermauern sollen. Eine darüber hinausgehende Kooperation einzelner Piratenparteien zu anderen Themen, wenn Forderungen, wie z.B. die nach einem europaweiten BGE, nicht von allen Piratenparteien, aber von einzelnen oder vielen geteilt werden, soll ebenfalls erfolgen.
Am 21. und 22.03.2014 findet in Brüssel eine große politische Konferenz statt, die von den schwedischen Europaabgeordneten der Piraten Amelia Andersdottir und Christian Engström organisiert wird. Dort wird auch die offizielle Gründung der Europäischen Piratenpartei einschließlich der Wahl ihres Vorstands stattfinden, so dass die PPEU dann rechtzeitig zur Neuwahl des Europäischen Parlaments arbeitsfähig sein wird. Sie soll insbesondere dafür sorgen, dass eine Anbindung der EU-Parlamentarier an die europäischen Piratenparteien sichergestellt wird; auch an jene, die selbst keine eigenen Abgeordneten im jetzigen und zukünftigen Europäischen Parlament stellen. Zudem soll sie europaweite Kampagnen, politische Konferenzen und andere Veranstaltungen organisieren und unterstützen. Auch soll sie der Presse als Ansprechpartner für eine europäische Piratenpolitik, die nicht allein durch einen nationalen Blickwinkel geprägt ist, dienen. Da die deutschen Piraten bereits auf dem Bundesparteitag in Bremen Anfang Dezember 2013 einer Mitgliedschaft in der PPEU zugestimmt haben, werden wir als Gründungsmitglied von Anfang an dabei sein, wenn die Europäischen Piraten aus der Taufe gehoben werden.
Eine solche Kooperation von nationalen Parteien auf europäischer Ebene, bei der diese zu einer Europawahl mit einem gemeinsamen Wahlprogramm antreten, ist bisher einmalig. Wir werden aber darauf hinarbeiten, dass die europäischen Parteien zukünftig diesen Namen auch verdienen und bei Europawahlen anstelle der nationalen Parteien und europaweit statt national antreten. Nur so können endlich auch auf europäischer Ebene gleiche Wahlen durchgeführt werden und Europa jenseits nationaler Partikularinteressen zusammenwachsen. Im Rahmen der aktuellen rechtlichen Möglichkeiten möchten wir Piraten Speerspitze auf dem Weg zu diesem Ziel sein. Wir bleiben damit nicht links oder rechts, sondern vorn!