
Julia Reda und Fotios Amanatides haben Grund zur Freude: Das Bundesverfassungsgericht hat die 3%-Hürde, die das Wahlgesetz vorsieht, für verfassungswidrig erklärt. Damit holt Julia Reda schon mit etwa 1.05% 0.6% der Stimmen einen Sitz, Fotios Amanatides ist mit ungefähr 2.1% 1.6% dabei. Für Anke Domscheit-Berg, Dritte im Bund der Spitzenkandidaten der Piratenpartei, ändert sich nichts. Ob mit oder ohne Hürde: 3.15% der Wählerstimmen bringen sie nach Brüssel. [Anmerkung: zu den geänderten Stimmenteilen bitte den zutreffenden Kommentar von Lola unter diesem Artikel beachten] Anke Domscheit-Berg muss rund 2.6% erreichen, auch sie profitiert vom Wegfall der Sperre.
Weniger zufrieden zeigte sich Innenminister Thomas de Maizière, der von guten Erfahrungen mit der bisherigen Sperrklausel sprach. Die Praxis, dass die wegen der Hürde nicht eingenommenen Sitze an die großen Parteien fallen, dürfte mit zu dieser Sichtweise beigetragen haben.
Damit zählt am 25. Mai jede Stimme. In ganz Europa sind rund 375 Millionen Bürger wahlberechtigt. Hierzulande können 61,6 Millionen Bundesbürger und 2 Mio. hier lebende EU-Bürger teilnehmen. Die Wahlbeteiligung lag bei den letzten Wahlen bei 43%. 2014 dürfte sie höher liegen, jedoch weit unter 50% bleiben. Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden die FDP, die Freien Wähler und wir Piraten von dem Urteil profitieren. Im Kielwasser des Urteils schwimmen auch poltische Wirrköpfe mit, die sich nun Hoffnung auf einen Mandat machen können, das auch Geld und Mitarbeiter mit sich bringt.
Allerdings kann schon die Tatsache, dass diese Wahl ohne eine Hürde stattfindet, das Stimmverhalten beeinflussen. Denn der „denen-zeige-ich-es-jetzt“-Protestwähler, der sich der Folgenlosigkeit seines Wahlkreuzes bewusst war, muss ebenso umdenken wie der „ich-wähle-keine-Partei-die-eh-keine-Chance hat“-Stratege.

Das Urteil war von vielen so erwartet worden. Ein Gutachten des Innenministeriums sagte schon 2011 voraus, dass selbst eine 2,5%-Hürde zur Europawahl nicht begründet sei. Die Reaktion von Innenminister De Maizière, der die Ohrfeige aus Karlsruhe lediglich „zur Kenntnis nimmt“, ist nur ein weiteres Steinchen in einem grossen Mosaik der Realitätsverleugnung und der Sicherung eigener Pfründe.
Das Urteil aus Karlsruhe fiel jedoch mit 5:3 Stimmen denkbar knapp aus. Dass in Zukunft erneut um eine Sperrklausel gerungen wird, kann also als gesichert gelten. Denn die Richter machten klar, dass eine Hürde gerechtfertigt sein kann, „um die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments zu erhalten“. Das setzt aber erweiterte Rechte und Kompetenzen des EU-Parlaments voraus – also genau das, was im Europawahlprogramm der Piratenpartei steht.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.