Seit langem, meiner Erinnerung nach seit mindestens 2010, gibt es Diskussionen darum, ob wir links oder liberal sind. Was dabei gerne vergessen wird ist, das diese Begriffe schwammig sind und – je nach persönlichem Erleben, Wissens- und Erfahrungsstand – vollkommen anders verstanden werden.
Ich wage es, mit diesem Artikel, in Kürze das zusammenzusammeln, was ich an Definitionen kenne und gehört habe und aufzuzeigen, warum wir dadurch so viele Probleme haben – innerparteilich und in der Außenwahrnehmung.
„Links“
Für einige ist „links sein“ vor allem eine soziale Einstellung, es geht um Freiheitsrechte, um Solidarität mit den Schwachen, um ein menschliches Miteinander. Für andere ist „links sein“ Gewalt gegen Andersdenkende, Diktatur, Entrechtung des Individuums und Kampf gegen alle, die das nicht so wollen (Stichwort: Stalinismus).
„Liberal“
Für einige bedeutet „liberal sein“ vor allem Freiheit eines jeden vor Gewalt, Benachteiligung und Bevormundung, um ein gleichberechtigtes und den humanistischen Idealen folgendes Miteinander. Andere sehen „liberal“ als das Modell der Ellenbogengesellschaft, in der jeder nur für sich kämpft, möglichst wenigigen Regeln folgen muss und vor allem seine Vorteil bzw. den Vorteil seiner Peergroup sieht (Stichwort: Neoliberale Weltordnung) .
Wie wir wissen ist, es schwierig, eines dieser Labels zu verwenden, da nicht klar ist, wie es gemeint ist. Ich persönlich lehne Gewalt, Abwesenheit von Freiheit, Ungleichbehandlung, Verantwortungslosigkeit und Egoismus ab. Demzufolge kann ich sowohl beide als auch keinen der Begriffe verwenden, und ich könnte bei beiden Begriffen Weinkrämpfe oder Hochgefühle bekommen, wenn sie einer auf die Piraten anwendet.
Das nennt man ein klassisches Dilemma, und das werden wir nicht lösen. Denn selbst wenn wir für uns definieren, was wir unter „Links“oder „Liberal“ verstehen – unsere potenziellen Wähler haben ihr eigenen Definitionen, und dem müssen wir Rechnung tragen. Da es schlicht nicht möglich sein wird, allen klarzumachen, wo wir zu verorten sind (und ja, leider wird das erwartet), müssen wir uns wohl oder übel auf ein Label einigen – da kommen wir nicht drum herum.
Nur welches?
- Wenn wir sagen, wir seien „links“ gibt es eine Menge Menschen, unter anderem Opfer der DDR-Diktatur und konservativ-bürgerlich orientierte Wähler, die uns deshalb ablehnen werden und nicht mal bereit sind, unser Programm auch nur zu lesen.
- Nennen wir uns „Liberal“, kommen wir in Teufelsküche, wenn wir uns den Scherbenhaufen ansehen, den die neoliberale Weltordnung hinterlassen hat und dessen Ideologie zu teilen wir verdächtigt werden.
- Nennen wir uns linksliberal, lesen viele nur „links“ oder „liberal“ oder beides – aus die Maus.
Ich persönlich lehne Labels ab, da sie generalisierend und verfälschend wirken, Die Gefahr, dabei falsch verstanden zu werden, ist immens. Wir Piraten haben es lange ohne Label versucht, aber Kräfte in der Partei und außerhalb haben uns als „links“ oder „liberal“ zu vereinnahmen versucht. Jetzt haben einige Landesparteitage, vor kurzem NRW, aus der schieren Not heraus, ein Label gewählt, und ich wette, die Basis am aBPT wird auch ein Statement dazu abgeben.
Das muss man nicht mögen, das muss man nicht teilen, aber das muss man akzeptieren und damit leben – das ist nun mal so in der Demokratie.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂