Düsseldorf – Vernetzung, Schulung und Erfahrungsaustausch: Diesen Zielen diente das zweitägige Einführungsseminar für Kommunalmandatsträger der Piratenpartei letztes Wochenende in Düsseldorf. Rund 70 PIRATEN diskutierten genauso konzentriert über Ratsarbeit, Kommunalrecht und kommunale Finanzen wie über Pressearbeit, IT und Rhetorik. Dreizehn Vorträge und drei Plenen hatte der Landesvorstand Nordrhein-Westfalen mit dem gemeinnützigen Verein “PiKo NRW – Piraten in der Kommunalpolitik in NRW” in der Jugendherberge Düsseldorf organisiert. Ein inhaltlich abwechslungsreicher Zeitplan vermied eintönige Frontalbeschallung. Das Seminar war zwar auf NRW fokussiert, ermöglichte jedoch durch kompetente Referenten und PIRATEN aus Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern viele Brücken zur individuellen Situation in anderen Bundesländern.
Das Programm für das Treffen der Kommunal-PIRATEN ließ einiges erwarten. Kommunalrecht, kommunale Finanzen, Fraktionsgeschäftsführung und kommunale Ausschussarbeit hatten ob ihrer Wichtigkeit je einen eigenen Slot erhalten. Die Ratsarbeit für Fraktionen und die Ratsarbeit für Einzelvertreter wurden wegen ihrer Unterschiede separat besprochen. Der Link hin zur Landespolitik war eng: Der Kommunalausschuss im Landtag von Nordrhein-Westfalen wurde von den nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Torsten Sommer und Frank Herrmann ebenso vorgestellt wie die eng mit der Kommunalpolitik verbunden Arbeitskreise Wirtschaft und Finanzen sowie Bauen und Verkehr von Axel Braun und Stefan Handzig. Besonderes Augenmerk wurde PIRATEN-spezifischen Themen wie Back Office und IT in der Ratsarbeit sowie Redmine und Open Antrag gewidmet. Ansprechpartner waren hier Wilhelm Frömgen, Mitarbeiter DIE LINKE/PIRATEN-Fraktion Rhein-Kreis Neuss, Ansgar Flack, Mitarbeiter des NRW-Landtagsabgeordneten Kai Schmalenbach, und Jens Fricke, PIRAT im Kreistag Marburg-Biedenkopf. Pressearbeit und Rhetorik rundeten den Schulungsteil ab, wobei die künftigen innerparteilichen Serviceleistungen für die kommunale Ratsarbeit auch während des Seminars erweitert und präzisiert wurden.
Für PIRATEN-Referent Hans Immanuel Herbers stand bei allem eines fest: Zielgruppe der Kommunal-PIRATEN ist weder die Verwaltung noch der Rat – es sind die Wähler. Zu Beginn der Ratsarbeit stehe zwar die Kommunikation mit der Verwaltung im Vordergrund, danach diejenige mit den anderen im Rat vertretenen Parteien. Doch für Herbers, der selbst Vorsitzender der UWG-PIRATEN-Fraktion in Iserlohn ist, bringt es im Weiteren wenig, sich bei der Verwaltung und dem politischen Mitbewerber ein Renomee zu erarbeiten, wenn die Wähler von der Expertise nichts mitbekommen. Daher sei wichtig, die Wähler im Zentrum der Kommunikation zu behalten. Jens Ballerstädt, Mitarbeiter der nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Simone Brand, empfahl, die mit vermehrter Kenntnis der Kommunalarbeit auch zunehmende “Funktionssprache” der Mandatsträger, also den Fachjargon, in der Kommunikation mit den Wählern zu vermeiden: Die Wähler verstünden nämlich nur selten die in der Verwaltung übliche “Organisations- und Institutionssprache” mit ihren vielen Abkürzungen. Folglich müsse jeder Kommunal-PIRAT sowohl auf eine angemessene Gewichtung des Engagements und das Zeitkontingent achten als auch auf seine Kommunikation mit den Wählern.
Gegebenenfalls vorhandene Vorbehalte gegenüber der Verwaltung wollten alle Referentinnen und Referenten abbauen. Hauptargument: Die Verwaltung selbst habe ein gesteigertes Interesse daran, Sachverhalte zu klären, bevor sie durch den Rat und eventuell schief liefen. Sven Seele, Ratsmitglied der Kieler PIRATEN-Fraktion, wies darauf hin, dass gegenseitiges Vertrauen zudem die beste Grundlage für Whistleblowing aus der Verwaltung sei. In der Ratsarbeit zähle, am konkreten Problem zu verdeutlichen, dass der Lösungsvorschlag der Piratenpartei der bessere sei. Darum sei problemorientiert und proaktiv zu agieren eher zielführend anstatt sich an anderen abzuarbeiten. Parallel dazu bedürfe es in der Pressearbeit des ständigen Kontaktes mit den Journalisten. Hier wies die freie Journalistin Simone Nissen darauf hin, dass ihre Kollegen berufsbedingt wenig Zeit haben. Deshalb müsse beispielsweise punktgenau und auf Presseanfragen innerhalb von einer Stunde geantwortet werden.
Der Dialog mit den anderen Ratsparteien wiederum diene letztlich der Mehrheitsbildung, erklärte Herbers. Mit den Ratsparteien müsse man über Jahre hinweg auskommen. Daher gelte: “Wer nicht kommunizieren kann, ist in der Ratsarbeit falsch.” Praxis-Tipps gaben dazu Corinna Hörster von der PIRATEN-Fraktion Braunschweig, und Hans-Leopold Müller, Vorsitzender der Regenbogen-PIRATEN-Fraktion in Troisdorf. Müller machte darauf aufmerksam, dass das Anliegen der Piratenpartei zwar größtmögliche Transparenz in der Ratsarbeit sei, dies jedoch nicht zum Verstoß gegen die Verschwiegenheitsklausel verleiten sollte. Er ging auf Eckpunkte des Kommunalrechts ein, gab Tipps, warnte bei allen Fragen zur Finanzierung der Ratsarbeit aber auch vor diversen Fallstricken, insbesondere beim Verwenden von Fraktionsgeldern. Hier müsse versteckte Parteienfinanzierung vermieden werden. Spätestens beim Vortrag zu den kommunalen Finanzen von Andreas Graaf war dann klar, dass die Materie komplex, aber mit etwas Mühe verständlich sei. Graaf entschlüsselte unter anderem die Gemeindehaushaltsverordnung, die Doppik und “Produktbereiche” wie die Innere Verwaltung. Er stellte zudem einen Teilplan des gemeindlichen Haushaltsplans vor und erklärte die Kennzahlensystematik. Dabei entlarvte Graaf positiv klingende Sprechblasen wie: “In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir einen ausgeglichenen Haushalt.”
Beim Seminarabschluss war Konsens unter den teilnehmenden Kommunal-PIRATEN, dass die Sacharbeit genauso wichtig ist wie die sogenannte “Politik 1.0”, nämlich die Präsenz vor Ort. Ihre Aufgabe sei nicht, die Verwaltung oder die Räte von der Richtigkeit der PIRATEN-Politik zu überzeugen, sondern von den Wählern als “Kümmerer” wahrgenommen zu werden. Die Präsentationen und Hand-Outs zum Seminar sind online abrufbar auf der Website der PiKo NRW.