
Konferenz Demokraitsche Wirtschaft | Screenshot

Am 19. und 20. September 2014 veranstaltet die Piratenfraktion Berlin im Abgeordnetenhaus eine Konferenz zum Thema Demokratische Wirtschaft. In Workshops und Vorträgen gehen die Berliner PIRATEN mit ihren Gästen der Frage nach, wie die demokratische Kontrolle im Wirtschaftssektor verbessert werden kann. Auch Alternativen zu bisherigen Wirtschaftsmodellen werden diskutiert. Im Fokus stehen dabei Privatisierungs- und Rekommunalisierungstendenzen, der Bereich Commons- und Gemeingüter sowie Genossenschaftsmodelle. Wir stellten aus diesem Anlass einige Fragen an Fabio Reinhardt, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin.
Flaschenpost: Wer veranstaltet diese Konferenz?
Fabio Reinhardt: Die Piratenfraktion Berlin. Ich bin für dieses Thema beauftragt, was sich so speziell in keinem Ausschuss (bzw. in vielen) widerspiegelt, und werde dabei unterstützt von anderen Abgeordneten, die dazu themenverwandt arbeiten, wie Simon Weiß (Demokratie) und Pavel Mayer (Wirtschaft).9
Flaschenpost: Bedeutet „demokratische Wirtschaft“ eine staatliche Einflussnahme in das freie Unternehmertum?
Fabio Reinhardt: Mir ist nicht ganz klar, was das „freie Unternehmertum“ ist. Es geht – kurz gesagt – um demokratische Kontrolle und alternative Modelle. Bei der demokratischen Kontrolle geht es primär um landeseigene oder kommunal verwaltete, also kurz: in öffentlicher Hand befindliche Unternehmen, die sich teilweise der Einflussnahme durch die Bürger entziehen. Beispielsweise dadurch, dass die Profitmaximierung als Primärziel dem entgegensteht. Aber natürlich auch um unkontrollierbare internationale Geldflüsse, deren Steuerung wohl undiskutiert sinnvoll ist.
Bei den alternativen Modellen geht es für uns als Fraktion natürlich primär darum, wie man diese steuern oder unterstützen kann (das ist schließlich die Aufgabe von Parlamenten und Regierungen). Aber auch das Kennenlernen und Durchdenken von funktionierenden Modellen ohne Einflussnahme wird eine Rolle spielen. Welcher Appell am Ende stehen wird, steht natürlich auch noch nicht fest. Wir bauen da auf die Neugier und Experimentierfreudigkeit der Teilnehmer_innen.
Flaschenpost: Was bedeutet „demokratisch“ letzlich in diesem Zusammenhang? Wählen die Kunden nicht ohnehin was sie kaufen wollen?
Fabio Reinhardt: Es lässt sich natürlich die berechtigte Frage stellen, ob und warum sich nicht einfach die demokratischeren und faireren Modelle über das Prinzip von Angebot und Nachfrage durchsetzen. Das kann zum Beispiel damit zu tun haben, dass der Staat selbst falsche Anreize setzt, sowohl bei der Führung der Unternehmen in öffentlicher Hand, aber auch bei der Wirtschaftsförderung. Die Berliner Regierung hat beispielsweise ganz massiv einen Volksentscheid torpediert, der die Gründung eines Elektrizitätswerks mit Bürgerrat forderte. Dieser wurde letztlich verhindert. Jetzt kann auch nicht herausgefunden werden, ob dieses Modell sich am Markt durchgesetzt hätte. Das kann aber auch damit zu tun haben, dass Gesetze und Regelungen die Entstehung alternativer Modelle durch überbordende Bürokratie erschweren oder verhindern. Aber auch erfolgreiche neue Businessmodelle müssen sich ja erst durch Kommunikation verbreiten, wozu die Konferenz dienen soll. Außerdem ist es mittlerweile in vielen Bereichen so, dass Kunden und Kundinnen neben Qualität und Preis bei ihrem Konsum noch auf andere Faktoren achten, wie gesundheitliche Auswirkungen des Produkts, (Bio-)Anbau- oder Produktionsbedingungen – Stichwort Fairtrade. Für diese Bereiche gibt es auch Gütesiegel aller Art. Für die Beteiligungsstrukturen und Mitbestimmung in den herstellenden Unternehmen und hinter den Produktionsprozessen gilt dies kaum bis gar nicht. Dafür, dass dies beim Kauf berücksichtigt wird, muss sich das natürlich auch deutlich nach außen widerspiegeln, was die Frage aufwirft, warum dieser Faktor nicht stärker und einheitlicher kommuniziert wird?
Flaschenpost: Wer sind die Referenten?
Fabio Reinhardt: Referenten sind Menschen aus Theorie und Praxis. Einige haben sich mit demokratischer Kontrolle von Unternehmen in öffentlicher Hand beschäftigt, wie Dr. Carsten Herzberg, der das von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Projekt „Demokratische Kontrolle öffentlicher Unternehmen“ leitet. Andere haben selbst schon Jahrzehnte an Erfahrung darin, eigene, selbstbestimmte, alternative Strukturen auszuprobieren wie Uwe Lübbermann, der Geschäftsführer von Premium Cola oder Sebastian Sladek von den Elektrizitätswerken Schönau. Oder sie wollen Monopole aufbrechen, wie der Vorsitzende des Verwaltungsrats der C3S, Meinhard Starostik, oder Unternehmensdemokratie durch Softwareideen ermöglichen, wie Axel Kistner und Andreas Nitsche, die Erfinder von LiquidFeedback.
Flaschenpost: An wen richtet sich die Konferenz?
Fabio Reinhardt: Die Konferenz richtet sich an alle Menschen, die gerne neue Ideen durchdenken und alte Konzepte in Frage stellen. Der Wissens- und Erfahrungsstand ist dabei erst einmal egal, da anspruchsvolle Denkmodelle und wissenschaftliche Erkenntnisse von spannenden und lehrreichen Erfahrungen aus der Praxis ergänzt werden. Für diejenigen, die befürchten, nicht mithalten zu können, stellen wir vorsorglich im Vorfeld auch Literatur und Leselinks zur Verfügung.
Flaschenpost: Was hat das denn nun eigentlich mit den Piraten zu tun?
Quasi alles! Die Piratenpartei hat sich ja 2006 gegründet, weil der Umgang der Politik mit technischen Entwicklungen katastrophal war und die Einbindung von Menschen in gesellschaftliche Prozesse und Entscheidungen stagnierte. Obwohl der Fokus dabei in der Regel auf direktdemokratischen Entscheidungen wie Volksbegehren liegt, schließt dies natürlich auch Mitbestimmung im Bereich Wirtschaft und demokratische Kontrolle über Produktionsprozesse mit ein. Unsere Konferenz ist damit – wie man so schön sagt – von Kernthemen geprägt. Das betrifft vor allem den Bereich Commons oder Allmende, welcher die Frage nach neuen Formen der gemeinsamen Nutzung stellt und dessen Grundvoraussetzungen sich seit der digitalen Revolution massiv zum Positiven verändert haben. Nicht umsonst treibt Bruno Gert Kramm bei den Piraten die Themen Urheberrecht und Commons zusammen voran. Bruno wird auch auf der Konferenz auftreten und dazu sprechen. Für Piraten aller Themenpräferenzen ist das ein tolles Pflaster, um sich mal wieder mit Gründungsthemen zu beschäftigen und dabei gleichzeitig in ganz neue Ideen und Ansätze einzudringen.
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Du bist auch Ansprechpartner für Rückfragen zur Konferenz und zu den angebotenen Workshops. Der Zugang zu allen Konferenzräumen ist barrierefrei. Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenfrei.