Wolfgang Dudda sitzt mit fünf anderen Piraten im Landtag Schleswig-Holsteins. Bei der Gründung der Progressiven Plattform war er dabei, nahm dann aber schnell Abstand, da ihn manches an der Plattform nicht überzeugte. In der von ihm gegründeten Eberhard-Zastrau-Crew will er das machen, was er in der Progressiven Plattform vorhatte: inhaltlich arbeiten. Der Namensgeber Eberhard Zastrau eignet sich wie kein Zweiter dafür, dies deutlich zu machen. Der 2012 verstorbene Berliner Pirat war bis zu seinem Tod auf Landes- und Bundesebene programmatisch sehr aktiv. Er hat, so der Landesverband Berlin damals in seinem Nachruf, am „programmatischen Grundgerüst des Landesverbandes und auch des Bundesverbandes mitgearbeitet“. In der Eberhard-Zastrau-Crew sollen, hier lehnt sie sich an das Frankfurter Kollegium an, nur Piraten Mitglied werden können. Eine Gesinnungskontrolle, wie sie der Progressiven Plattform nachgesagt wird, [hier Link] soll es aber nicht geben. Nur Trolle müssen draußen bleiben. Wie es beim Kollegium, als auch bei der Plattform der Fall war, soll als erstes ein Umgangskodex erstellt werden, der helfen soll, das Miteinander in der Crew gesittet zu gestalten.
Wir haben mit Wolfgang Dudda über die von ihm initiierte Eberhard-Zastrau-Crew gesprochen:
Flaschenpost: Ist eine Crew schon ein Flügel?
Wolfgang Dudda: Mich stört das Denken in „Flügeln“ und das Einsortieren in Links und/oder Rechts seit langem in der Piratenpartei. Diese Etikettierungen gehören zu Politik 1.0 und ins 20. Jahrhundert. Die Piraten hat es immer ausgemacht, dass sie libertäre Gedanken zusammen mit neuen, frischen und verantwortungsvollen Ideen für eine bessere Zukunft gestaltet haben. Dieser Prozess ist nach meinem Eindruck im letzten Jahr seit dem Parteitag in Neumarkt völlig zum Erliegen gekommen. Die Partei – und da haben „die Berliner“ schon recht – beschäftigt sich nur noch mit sich selbst und ist damit apolitisch geworden. Das von einigen als „das Rezept“ für eine erfolgreiche Rückkehr der Piraten in die Öffentlichkeit verkündete „back to the roots“ ist vielen, so auch mir, politisch zu dünn und zu wenig. TTIP, TISA und andere soziale Herausforderungen für die Zukunft sind mindestens so wichtig wie Bürgerrechte und Netzpolitik.
Flaschenpost: Ist die Eberhard-Zastrau-Crew eine Alternative für Piraten, die keine Aufnahme in der Progressive Plattform fanden?
Wolfgang Dudda: Diese Crew soll gewiss kein Sammelbecken für die werden, die verbittert über die Nichtaufnahme bei der Plattform einen anderen Weg gehen wollen. Diese Crew kann das tun, was viele im Foyer auf dem aBPT in Halle tun wollten. Die Plattform verfolgt ihre Ziele. Sie hat sich eine Zulassungsstruktur gegeben, die nicht nur ich so kritisiere. Inhaltlich kann ich trotzdem mehr mit der Plattform anfangen als mit den Sozialliberalen. Ich erinnere daran, dass Berufsverbote und Gesinnungsschnüffelei ihre beste Zeit unter der sozialliberalen Regierung hatten. Allerdings habe ich wahrgenommen, dass es in der Plattform viele Stimmen gibt, die für eine Abspaltung oder eine Neugründung sind. Diese Stimmen haben dann Recht, wenn weiterhin keine Inhalte produziert werden. Die Leute, mit denen wir die Crew jetzt aufbauen, sind davon überzeugt, dass die Piratenpartei sehr wohl noch genug eigenes Leben in sich hat, um politisch zu wirken.
Flaschenpost: Woran werden wir sehen, dass die Eberhard-Zastrau-Crew die Arbeit aufgenommen hat?
Wolfgang Dudda: Wie immer bei den Piraten gibt es zuerst einen Internetauftritt. Dort werden wir uns vorstellen und ein wirklich transparentes Aufnahmeverfahren anbieten. Danach werden die genannten Tools eingerichtet. Ein RL-Treffen wird es am Anfang gewiss auch geben. Wenn dann alles organisiert ist, wird diese Crew „liefern“.
Flaschenpost: An wen wenden sich Interessierte?
Wolfgang Dudda: Sobald alles am Start ist, werden wir das über die bekannten Medien verbreiten. Nach dem Motto „Einer muss es ja machen“ werde ich zunächst als Ansprechpartner fungieren. So schnell wie möglich sollen dann allerdings weitere Crewmitglieder als Ansprechpartner dienen. Ich hätte es gerne hierarchiefrei und so, wie Piraten es immer gemacht haben, wenn es gut wurde: kreativ, im Diskurs und sachorientiert zu Lösungen finden. Aus vielen Telefonaten und Mails weiß ich, dass viele Piraten es auch so wollen.
Flaschenpost: Danke für die Beantwortung unserer Fragen. Wir wünschen der Crew viel Erfolg beim Aufbau und ihrer inhaltlichen Arbeit!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.