Wie kann man in der Partei die Struktur aufbauen? Was uns als Piratenpartei fehlt, sind Struktur und Ansprechpartner. Unser Bundesvorstand macht gute Arbeit, doch er macht auch viele Sachen, die er gar nicht machen muss. So werden zum Beispiel Pressemitteilungen teilweise von mehreren Mitgliedern des BuVo abgesegnet. Dies könnte man auslagern. Wenn man einen Ansprechpartner hat und jemanden an den man es delegieren kann, wäre es gut. Auch die Inhalte der Website müssen im Moment von mehreren Bundesvorstandsmitgliedern abgesegnet werden. Wenn jemand für diese Aufgabe abgestellt wird, kann man den BuVo weiter entlasten.
Es muss auch generell in der Partei darauf geschaut werden, ob wirklich jeder alles machen muss. So entstehen Doppelarbeiten und man weiß manchmal nicht, wer jetzt wirklich der Ansprechpartner für eine Sache ist. Wenn die Arbeitsgruppen (AGs) wieder mehr in Schwung kommen und Ideen in die Partei hineinbringen, wird dort auch wieder mehr Arbeit für den BuVo und die Presseabteilung, dazu zählt interne und externe Presse, entstehen.
Wir müssen uns fragen, wieso wir in den letzten Jahren, als die Partei wuchs, nicht eine entsprechende Struktur geschaffen haben. Wir haben Arbeitsgruppen, die so vor sich hin arbeiten und gute inhaltliche Arbeit leisten, doch ihr Output kann nicht in die Partei hineingetragen werden. So bekommen viele in der Partei nicht mit, was die Experten der Partei zu einzelnen Themen ausarbeiten, und die Konzepte können nicht von der Partei diskutiert werden. Dies ist ein herber Verlust für uns, wollen doch viele in der Partei inhaltlich diskutieren. So können wir als Partei nicht wirklich wichtige inhaltliche Diskussionen führen. Es wäre gut, wenn es eine Stelle gäbe, welche die in den Inhalte, die in den AGs erarbeitet werden, bündelt und die Kommunikation zwischen der Partei als Ganzes und den Arbeitsgruppen koordiniert.
Wir brauchen generell mehr Struktur für inhaltliche Debatten. Wenn ein Freund, der in die Piratenpartei eintreten wollte, nach Monaten noch nicht die Bestätigung bekommen hat, ob sein Mitgliedsantrag bearbeitet worden ist und sich dann frustriert von der Partei abwendet, müssen wir uns fragen, ob wir etwas falsch machen. Es kann nicht sein, dass Neumitglieder so lange auf Möglichkeiten warten müssen, sich inhaltlich in der Partei zu engagieren. Von Piraten wird eine Menge an Selbstorganisation erwartet, doch viele wissen nicht, wo man als Neumitglied oder Interessent in der Partei überhaupt andocken soll. Als ich seinerzeit zur SPD kam, sorgte die Partei dafür, dass man uns sagte, wo der entsprechende Ortsverein war, und dieser wurde informiert, dass ein neues Mitglied da war. So wurde man direkt eingeladen, vorbei zu schauen. Ebenso gab es Neumitglieder-Treffen, wo sich viele neue Mitglieder erstmals an die Partei hinein trauen und ihre Ideen mit Leuten aus der Partei diskutieren konnten. Dies war alles von der Partei organisiert.
Wir können davon eine Menge lernen. Wir sollten gezielt Neumitglieder integrieren und ihnen sagen, wo sie Informationen aus den Debatten der Partei bekommen und wer vor Ort ihre Ansprechpartner sind . Das muss zentral und von oben herab geschehen, sonst sorgen die verschiedenen verwendeten Modelle dafür, dass jegliche Übersicht verloren geht. Wir müssen neuen Piraten sagen, wo sie sich im „Real Life“ am besten in der Partei einbringen können und gezielt die verschiedenen Crews und Kreisverbände vernetzen, damit sie im Austausch und Kontakt miteinander bleiben. Dies muss Aufgabe der Landesverbände sein, und dabei darf man sich nicht nur auf das Internet verlassen.
In der Partei wird das Internet noch zu sehr als Lösung aller möglichen Probleme gesehen, doch dabei fehlt Struktur. Auch kommen so persönliche Gespräche und Debatten zu kurz, dabei haben diese im Vergleich zu Online-Diskussionen eine eigene Dynamik und man geht in der Regel viel ruhiger und freundlicher miteinander um. So kann man mehr Mehrwert aus den Debatten in der Partei und neue Ideen für die Partei gewinnen. Das Internet sollte eine Säule der Partei sein, doch es sollte nie Struktur und das persönliche Gespräch ersetzen. Daher wäre es auch gut, wenn es überregionale Treffen gibt, wo man inhaltlich diskutieren kann und sich kennenlernt. Wir müssen uns mehr vernetzen und so auch lernen, wie man Netzwerke aufbaut, was wir brauchen, wenn wir politische Arbeit vor Ort machen müssen.
Gleichzeitig müssen wir die Arbeit, die anfällt, auf mehr Schultern verteilen. Wir brauchen so etwas wie eine Identifizierung mit der Partei und einen gewissen Ethos. Wir sind alle bei der Piratenpartei, weil wir eine neue Form des Zusammenlebens und eine gewisse Gerechtigkeit und Egalität, wie wir es aus dem Netz kennen, in die Gesellschaft tragen wollen. Dies müssen wir uns immer wieder vor Augen halten. Dabei sollten wir diskutieren, wie wir neue Formen der Demokratie ausprobieren könnten. Wir alle brauchen auch generell mehr Schulung. Unsere politische Bildung ist teilweise sehr rudimentär. Wir sind alle sehr heterogen. Die Partei sollte überlegen, wie es den Mitgliedern Möglichkeiten schafft, zu Schulungen zu gehen und neue Ideen und ein gutes Rüstzeug für die politische Debatte zu bekommen. Dies könnte durch eine Parteistiftung passieren, die wissenschaftlich politische Inhalte im Rahmen der Partei aufarbeitet und dann den Mitgliedern zugänglich macht.
Teilweise brauchen diese Verwirklichungen Geld. Doch die Partei hat nicht so viel. Alleine einen Verwaltungsapparat und Strukturen für die Partei aufzubauen, und mögen sie noch so effizient sein, braucht Kontinuität, und dies geht nur, wenn man Leute professionell in die Partei einbindet. Dies kann nur gehen, wenn man sie bezahlt, da sie sonst gezwungen sind nach einiger Zeit, sich wieder anderen Projekten zuzuwenden oder ausgebrannt aufzugeben. Wir sollten darüber nachdenken, ob Mandatsträger generell mehr an die Partei spenden sollten. Gerade Mandatsträger sollten sich mehr mit der Partei identifizieren und ein „Eigeninteresse“ haben, dass die Partei schlagkräftiger und attraktiver wird. Schließlich wollen sie auch bei der nächsten Wahl ihre Ideen und unsere Werte in den entsprechenden Parlamenten umsetzen können. Es muss teilweise eine größere Identifizierung mit der Partei her. Wir dürfen das Parlament nicht als Plattform unserer Partikularinteressen sehen. All dies mag einem Piraten ketzerisch vorkommen und für das Lebensgefühl der Piraten befremdlich sein. Doch die Partei ist in einer Krise und wir sollten Methoden und Konzepte der Vergangenheit kritisch hinterfragen und keine Dogmen aufstellen, da dies nicht gerade der Weg ist, den wir als Piratenpartei einschlagen wollen.