Erlangen – Das Jahr 2015 soll die Piratenpartei inhaltlich und programmatisch voran bringen. Darauf stimmte zu Jahresbeginn das life gestreamte Dreikönigstreffen in Erlangen ein. Rund 70 PIRATEN – darunter viele in politischer Verantwortung auf Landes- und Bundesebene sowie kommunale Mandatsträger – kamen zum Neujahrsempfang und feierten den achten Gründungstag des bayerischen Landesverbandes. Im Mittelpunkt der Ansprachen standen die Digitale Revolution, die Digitalpolitik, Datenschutz und Datensicherheit.
„Das Thema Datenschutz wird für die Gesellschaft so wichtig werden wie es das Thema Umweltschutz vor 25 Jahren wurde“, zeigte sich Bundesvorsitzender Stefan Körner überzeugt. „Denn wenn wir weitermachen wie bisher, werden wir bald in einer Gesellschaft leben, in der man nie weiss, welche Behörde oder welcher Konzern was über einen weiss – und man wird deswegen permanent auf der Hut sein mit dem, was man tut, mit dem, was man sagt.“
Angesichts der scheinbaren Machtlosigkeit gegenüber der allumfassenden Überwachung der weltweiten Kommunikation durch die NSA und anderer westlicher Geheimdienste mutet politischer Widerstand vergeblich an. Dennoch hielt Körner dagegen: „Es ist sehr wohl möglich, den Leuten ein abstraktes Thema nach und nach nahezubringen – das Einzige, was man dazu braucht, sind Bilder.“
Die Überwachungsproblematik zu visualisieren und in 2015 durch vier Aktionen fassbar werden zu lassen, dazu solle eine rund zehnköpfige „Task Force“ Ideen entwickeln. Körner appellierte in seiner Rede mit dem Titel „Freiheit ist keine Randnotiz“ zugleich an die PIRATEN, immer wieder das Wort für die Freiheit zu ergreifen. „Dann haben wir eine Chance.“
Nicole Britz, Vorsitzende des Landesverbandes Bayern, hatte zuvor gewarnt, „Überwachung schleicht nicht mehr: Sie fällt inzwischen mit der Tür ins Haus“. Dabei löse Überwachung nicht die hinter Kriminalität und Terrorismus stehenden Probleme. Britz spannte in ihrer Rede den Bogen vom Datenschutz über die geplanten Freihandelsabkommen bis hin zur konkreten politischen Arbeit. Pointiert schrieb sie den PIRATEN dann ins Stammbuch: „Politik ist nichts für Däumchendreher, für Schnarchnasen und Fußnägelknabberer.“
PIRATEN sollen liberales Vakuum füllen
Genauso wie Britz bedankte sich auch Björn Semrau, aktuell „Basis-PIRAT“, davor Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland, bei jedem, der sich für die PIRATEN engagiere. Semrau sprach umsichtig über Stärken und Schwächen der PIRATEN und erklärte, die Partei sei mit dem „schlimmen Machtkampf“ 2014 „gereift“. Sein Fazit: Als Kleinpartei hätten die PIRATEN „immer noch die beste Ausgangssituation von allen anderen“, etwa durch die Verankerung in vier Landesparlamenten sowie die internationale Vernetzung. Außerdem sei „die Nische ‚liberal‘ frei“: „Es gibt einfach keine soziale, liberale Partei in diesem Land!“ Die PIRATEN sollten diese Nische besetzen, Lösungen für politische Probleme entwickeln und kommunizieren: „Die Zeit, in der wir darüber reden, was wir tun wollen, die muss jetzt wieder kommen.“
Semrau bezeichnete sich als den Kern-Themen nahestehender „Außenpolitiker“. Gemeinsam mit der von Alexander Kohler koordinierten AG wolle er der Piratenpartei „ein glaubwürdiges, eigenständiges, wirkmächtiges außenpolitisches Profil“ geben. Dazu trage auch die PIRATEN-Sicherheitskonferenz am 24. und 25. Januar in München bei, verbinde sie doch die „ureigensten Themen“ der Piratenpartei mit der Außenpolitik. Semrau warb um Unterstützung für die Sicherheitskonferenz und akzentuierte: „Dieses Jahr wird zum Aufbruchjahr der PIRATEN!“
PIRATEN brauchen „werteorientierte Digitalpolitik“
Der Politische Geschäftsführer des Landesverbandes Bayern, Dr. Olaf Konstantin Krueger, plädierte für eine „werteorientierte Digitalpolitik“. Die Digitale Revolution verlange nach „couragierten Antworten, nach einer breit angelegten Digitalpolitik“. Diese sei „eine umfassende Querschnittsaufgabe“, die über Netzpolitik hinaus reiche. „In der Digitalpolitik den Kurs zu kennen und ihn zu halten, dazu bedarf es nicht nur eines Kompass‘, es bedarf grundlegender Navigationskenntnisse und eines einzigen Ruders.“ Laut Krueger sind sich die PIRATEN der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Chancen und Risiken der Digitalen Revolution bewusst. Für ihre werteorientierte und strategische Digitalpolitik brauchten die PIRATEN „eine positive Zukunftsvision, eine auf breiten Konsens gerichtete neuerliche innerparteiliche Diskussion über die Zielrichtung der Digitalpolitik, den kritischen Diskurs, den gesellschaftlichen Dialog und die Auseinandersetzung mit den politischen Entscheidungsträgern“.
Während danach der Politische Geschäftsführer des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Manfred Schramm, die Bundes- und Europapolitik ansprach, erzählte Alexander Schnapper, Politischer Geschäftsführer des Landesverbandes Hessen, gewitzt und auflockernd eine Geschichte von „drei Weisen aus dem Neuland“.
PIRATEN sollen geschlossen auftreten
Stadtrat Michael Bengl aus Nürnberg berichtete wiederum teils kritisch, teils amüsant über „Schaufenster-Debatten“ und Regularien im Kommunalparlament: „Als Stadtrat wird einem nie langweilig – man bekommt wahnsinnig viele Unterlagen zu lesen oder man muss auf Empfänge.“ Als PIRAT könne Bengl durchaus Themen anstoßen. Nur müßten dafür im Vorfeld der Sitzungen Verbindungen zu den „Top-Playern“ in den anderen Parteien geknüpft werden.
Bengl empfahl den PIRATEN, „halbwegs geschlossen“ aufzutreten und gutes, talentiertes Personal zu rekrutieren. Er räumte zudem mit einigen „Mythen“ auf: So werde Politik nicht von Parteien, sondern von Personen gemacht. Die PIRATEN sollten sich nicht als NGO, sondern als Partei verstehen. Anstatt „Mitmachpartei“ seien die PIRATEN auf kommunaler Ebene noch „Selbstmachpartei“, weshalb sie ihre Organisation „feintunen“ müssten, auf dass sie leichter laufe. Ein Mitgliedsbeitragskonto müsse verpflichtend in die Satzung aufgenommen werden. Und Tranzparenz bedeute nicht, man könne überall „mitgackern“, sondern man könne überall hineinschauen.
„Wenn es ums Internet geht, wird uns Kompetenz zugeschrieben“, unterstrich Bengl, „diesen Markenkern müssen wir bewahren und darauf herumreiten“. Drei Schritte seien dazu nötig: erstens gemeinsame Ziele herausarbeiten, zweitens sich selbst motivieren und drittens die strukturierte Programmarbeit vorantreiben.
„Die PIRATEN sind die Internetpartei“
Kristos Thingilouthis, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland, griff Bengls Einlassungen auf und betonte, dass die PIRATEN „als Internetpartei wahrgenommen“ werden. Gerade mit Blick auf den NSA-Untersuchungsausschuss sei klar: „Deutschland braucht die Piratenpartei!“ Sie müsse jetzt Lösungen für die Probleme anbieten und könne dies mit 16 Landesverbänden und rund 70 aktiven Arbeitsgemeinschaften auch. Dr. Gabriela Berg, Bezirksrätin in Oberbayern, gab abschließend einen Einblick in die PIRATEN-Politik auf der dritten kommunalen Ebene in Bayern.
Das Dreikönigstreffen 2015 der PIRATEN wurde vom Kreisverband Erlangen und Erlangen-Höchstadt organisiert – namentlich Astrid Semm, Jürgen Purzner, Markus Herrmann, Detlef Rausch und Wolfgang Wiese –, und von PIRAT Ron gestreamt. Die beiden Videos sind abrufbar unter media.piratenpartei-bayern.de