Die Diskussionsrunde auf der Münchner Sicherheitskonferenz war hochkarätig besetzt. Im Scheinwerferlicht saßen Politiker und Nachrichtendienstler, die wissen, was Terror anzurichten vermag. Dies trifft auf Haider Al-Abadi, den Ministerpräsidenten des vom IS bedrängten Irak ebenso zu wie auf Ajit Kumar Doval, den ehemaligen Direktor des indischen Geheimdienstes, auf Sameh Hassan Shoukry, den Außenminister Ägyptens, Isaac Herzog, den Parteivorsitzenden der Labor Party in Israel und Masoud Barzani, den Präsidenten Kurdistans. Mit dabei waren auch Sheldon Whitehouse, einen US-Senator der Demokraten und Elisabeth Guigou aus Frankreich, wo vor wenigen Wochen eine ganze Zeitungsredaktion von islamistischen Terroristen nahezu ausgelöscht wurde.
Doch wer in München auf nachdenkliche Wort angesichts der ständigen Rückschläge hoffte, wurde enttäuscht. Die Diskussion fokusierte schnell auf ein “Weiter so, nur mehr davon”, statt auf die Frage, ob der Krieg gegen den Terror zu gewinnen ist, wenn die freiheitlichen Demokratien, die geschützt werden sollen, in vollumfänglich kontrollierte Staatsgebilde umgebaut werden.
Für einige Teilnehmer der Diskussion ist jede Art der Verschlüsslung im Internet schon Teufelszeug, das den Terror fördert. Im neuen iPhone, den sozialen Medien, wahrscheinlich schon der Fähigkeit sich in Worten und Sätzen ausdrücken zu können, wird eine Gefahr von Terror gesehen. Der Schluss liegt bei so viel Furcht nah: Keine Kommunikation darf mehr unbeobachtet stattfinden. Verschlüsselung ist demnach zu verbieten oder zumindest mit einem staatlichen Nachschlüssel zu versehen. Wegen der möglichen Rekrutierung von Nachwuchsterroristen sollten soziale Medien wie Facebook, WhatsApp und Twitter am besten einer staatlichen Totalkontrolle unterworfen werden. Den Durchbruch bringen soll auch eine bessere Vernetzung der Geheimdienste verschiedener Länder. Der verheerende Terroranschlag in Mumbai 2008 diente dafür als Argumentationsgrundlage. Die Geheimdienste unterschiedlicher Länder hätten nach dem verheerenden Anschlag, der mindestens 239 Verletzte und 174 Tote forderte, ihre schon vorher vorhandenen Erkentnisse zusammengelegt und festgestellt, dass sich daraus ein vollständiges Bild ergibt. Der Rückschluss, dass ein solches Gesamtbild den Anschlag 2008 verhindert hätte, erscheint nach der Ermordung der Redaktionsmitglieder von “Charlie Hebdo” aber mehr als nur gebetsmühlenartig.
Elisabeth Guigou, die Vertreterin des Festlandeuropas in dieser Runde, sah auch andere Ursachen für die Radikalisierung junger Muslime: Die sozialen Milieus mit ihrer Hoffnungslosigkeit, die Radikalisierung, die im Gefängnis und nicht im Internet stattfindet. Ihre Frage, ob auf diesem Gebiet genug getan wird, kann aus Piratensicht mit einem klaren “Nein” beantwortet werden. Politiker wie Guigou hätten mehr Gehör verdient. Denn wenn die Ratlosigkeit gegenüber wachsender Gewaltbereitschaft auch in unseren Städten wächst, wird es Zeit, neue Stategien zu versuchen. Der Ansatz, einer Radikalisierung die Grundlage zu entziehen, ist so eine Strategie. Eine tatsächliche Integration in die Gesellschaft, faire Chancen am Arbeitsmarkt und ein Miteinander auf Augenhöhe würde sicher mehr Anschläge verhindern, als abgehörte Twitter-Nachrichten dies vermögen. Da es auf der Sicherheitskonferenz an markigen Sprüchen nie fehlt, sollte auf der 52. Sicherheitskonferenz eine Podiumsdiskussion unter dem Titel “Voller Magen bombt nicht gern – neue Strategien gegen den Terror” stattfinden.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.