Martin Delius ist Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, der das Debakel um „Pleiten, Pech und Pannen“ am BER ergründen soll. Genau 1000. Tage nach dem ursprünglich geplanten Eröffnungstermin sprachen wir mit ihm.
Flaschenpost: Martin, was genau ist die Aufgabe des Untersuchungsausschusses?
Martin Delius: Der Untersuchungsausschuss ist angetreten zum einen die politische Verantwortung einzelner Entscheidungsträger zu untersuchen, die privat- und strafrechtliche Haftung der angestellten Entscheidenden zu ergründen und zum anderen die strukturell notwendigen Verbesserungen beim Durchführen von Großprojekten auszuarbeiten und zu ermitteln.
Flaschenpost: Wie ist der Stand der Untersuchungen?
Martin Delius: Es gibt immer wieder Ermittlungsergebnisse und wir konnten in den letzten 2 Jahren einen großen Teil des Fragenkataloges abarbeiten. Wir wissen, dass die Standortentscheidung nicht sachlich begründet waren, das Planfeststellungsverfahren korrumpiert war und die Anwohnerinnen und Anwohner seit spätestens 1999 über die Flugrouten angelogen worden sind. Wir konnten außerdem die direkte Verantwortlichkeit von Reiner Schwarz, dem ehemaligen Sprecher der Geschäftsführung nachweisen. Wir haben den äußerst komplexen Zusammenhang zwischen politischen Fehlentscheidungen, Versagen im Management und unbrauchbaren Controlling und dem ‚Aus dem Ruder laufen‘ des gesamten Baus aufgeklärt. Es fehlen noch die abschließenden Ermittlungen zur zweiten Verschiebung 2012 und das Krisenmanagement ab 2013. Wir werden voraussichtlich im Frühjahr 2016 einen Abschlussbericht vorlegen.
Flaschenpost: Was bedeutet es für den Untersuchungsausschuss, dass ein Pirat ihn leitet?
Martin Delius: Das tut dem Ausschuss gut.
Flaschenpost: Das Satiremagazin Postilion erfand die Zeitform Futur III, um Gespräche über den Berliner Flughafen zu ermöglichen. Werden wir uns nach 2017 oder gar 2018 mit der Zeitform Futur IV beschäftigen?
Martin Delius: Das weiß ich nicht. Ich habe ehrlich gesagt den Witz hinter Futur III schon nicht verstanden. Der BER und das Desaster ist kein Grund zum Lachen und wird dem Land Berlin noch auf Jahre hinaus große Probleme bereiten.
Flaschenpost: Der Flughafen in Berlin ist nicht das einzige Großprojekt, das unter Verzögerungen und Kostenexplosionen leidet. In Hamburg geht es mit der Elbphilharmonie nicht voran, in Saarbrücken kommt der vierte Museumspavillon nicht voran. In Berlin muss der Hauptbahnhof nach vielen Verzögerungen und einer Verdreifachung der Kosten nach nur acht Jahren schon saniert werden! Haben die Planer ihren Job verfehlt?
Martin Delius: Nein. Laien – das gilt auch Regierende Laien – gucken immer zu erst mal auf Planer, weil die sollen ja einen Plan haben. So einfach ist es nicht. Dass die öffentliche Hand immer wieder Probleme mit großen Projekten hat, liegt an vielen Faktoren. Zum Beispiel scheut die Pioltik die Kostentransparenz und setzt die Projekt dadurch regelmäßig unter unnötigen Druck. Das Controlling dieser Projekte krankt an mangelnden parlamentarischen Strukturen und falscher Vertragsgestaltung und schlussendlich Fehlt der Mut und die Ambition rechtzeitig umzusteuern, was auch mit mangelnder Transparenz zu tun hat.
Flaschenpost: Berlin plant sich für die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 bewerben. Ist das Scheitern vorprogrammiert?
Martin Delius: Die aktuelle Olympiakampagne zeigt ganz deutlich, dass Berlin unfähig ist die Spiele auszurichten. Der Senat strauchelt von Notmaßnahme zu Notmaßnahme um ihre Bewerbungsentscheidung zu rechtfertigen und versagt völlig dabei ein Konzept vorzulegen oder Begeisterung zu fördern.
Flaschenpost: Schauen wir in die Zukunft: am 8. April 2019 könnten wir „2500 Tage Verzug beim BER“ feiern. Könnte das deiner Einschätzung tatsächlich passieren?
Martin Delius: Ja und nein. Ich glaube noch nicht, dass der BER 2017 fertig wird. Ich glaube aber auch nicht, dass irgendjemand 2500 Tage Desaster feiern wollen würde. Das wäre zynisch.
Flaschenpost: Vielen Dank für die Einblicke in deine Arbeit und die Informationen über den Flughafenbau.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.