
News | CC BY 4.0 Jonathan Dehn
Ein Artikel mit vielen Informationen von @FBMri.

Am 10. Mai ereignete sich im sonst eher konservativen Vorpommern eine kleine Sensation: Die Bürger der Universitäts- und Hansestadt Greifswald wählten mit Stefan Fassbinder einen Grünen zu ihrem neuen Oberbürgermeister. Dieser Erfolg beruht jedoch auf einer weiteren Greifswalder Eigenart, denn Fassbinder trat nicht nur als grüner Kandidat an, sondern ganz offiziell auch als Kandidat der SPD, LINKEN und PIRATEN. Dementsprechend standen auch alle vier Parteien unter seinem Namen auf dem Wahlzettel und auch alle Werbematerialien wurden mit den vier Parteilogos verziert. Für uns Piraten bedeutet das zweierlei: Auch wenn Fassbinder kein Pirat ist, so ist er trotzdem unser Bürgermeister. Im Wahlkampf führte die Bündnisstrategie aber auch dazu, dass wir, insbesondere in den Medien, so gut sichtbar waren, wie schon lange nicht mehr.
Piraten machen den Unterschied
Unsere Beteiligung am Bündnis war aber auch dringend notwendig. Stefan Fassbinder konnte sich in der Stichwahl gegen seinen CDU-Konkurrenten Jörg Hochheim nur mit 15 Stimmen (50,05 : 49,95%) durchsetzen. In der ersten Wahlrunde gab es mit einem Kandidaten der PARTEI noch einen dritten Konkurrenten, der vermutlich erst für die Notwendigkeit einer Stichwahl gesorgt hat – die CDU hat die absolute Mehrheit in der ersten Runde nur um 50 Stimmen (49,7%) verpasst. Es ist also davon auszugehen, dass der Einfluss der Greifswalder Piraten, die 2014 mit 3,8% auch zwei Bürgerschaftsmandate errangen, für den Wahlsieg unverzichtbar war.
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Das Greifswalder Bürgermeisterbündnis hat jedoch auch weitere gute Gründe, sich über seinen Erfolg zu freuen: Es ist nicht selbstverständlich, die CDU in Vorpommern zu schlagen. Greifswald liegt in Angela Merkels Wahlkreis. Selbstverständlich kam die Kanzlerin bereits im Vorfeld der Wahl aber auch direkt im Wahlkampf mehrfach zu Besuch und hat versucht der Greifswalder CDU mit dem Kanzlerinnenbonus zu helfen. Auch finanziell war die CDU offenbar auf Rosen gebettet und konnte, wie zu hören war, rund 70.000 Euro in den Wahlkampf investieren. Das zeigt auch, wie wichtig der OB-Posten den Christdemokraten ist. Das Parteienbündnis konnte sich trotz eines mit 25.000 Euro deutlich geringeren Budgets durchsetzen.
Kreativer Wahlkampf – Unterwegs mit dem Lastenrad
In und um Greifswald gibt es nicht viele Piraten, weshalb der persönliche Einsatz im Wahlkampf im Vergleich zu den größeren Parteien nicht sehr intensiv sein konnte. Bewährt hat sich das Lastenrad, das nach einigen Umbauten von als mobiler Wahlkampfstand genutzt wurde.
Zocken auf der Straße

Kreativ und bestimmt für die letzten 15 Stimmen verantwortlich war der Piraten-Infostand in der Nacht vor dem Wahltag während einer stadtweiten Club-Veranstaltung. Dort wurde eine Leinwand, Beamer, Boxen und eine PS4 unter einem Pavillon aufgebaut, womit junge Menschen dort FIFA spielen konnten – und für uns ansprechbar waren. Das Motto war dementsprechend “Fordere unseren OB-Kandidaten heraus” – der Kandidat hat sich dafür also hergegeben aber trotz vorheriger Trainingseinheiten nicht so gut ausgesehen. Der Infostand (Idee: @MilosRod) hat sehr viel Aufmerksamkeit erregt und positives Feedback eingefahren (“das ist ja mal was ganz anderes”, “ihr seid ja doch noch cool”).
Störer
Gut kamen auch die selbst gestaltete Störer an. Einfach mit einem fetten Edding auf die Rückseite alter Plakate geschrieben. Sie wurden häufiger fotografiert und dann auf Facebook geteilt als alles andere. Vorteilhaft war auch, dass die Wahlkämpfer so noch spät auf den Gegenkandidaten reagieren konnten und die Lacher auf ihrer Seite hatten. Da dieses Mittel sparsam eingesetzt wurde sah es außerdem nach einer Graswurzelaktion aus und löste die lokale Politik etwas von der Parteienverdrossenheit.
Letzteres ist auch bitter nötig: Bei einer Wahlbeteiligung von nur 35% ist allen Beteiligten klar, dass ein knapper Sieg kein wirklicher Triumpf ist und viel Arbeit vor uns liegt, um auch Nichtwähler wieder einzubeziehen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.