Während in München die Sonne scheint, herrscht auf der Sicherheitskonferenz im Bayrischen Hof eine düstere Stimmung. Der Nahe Osten ist, selbst im Vergleich zum letzten Jahr, unsicherer geworden. Der islamistische Terror rückte mit 130 Toten in Paris näher an Europa. Hier fühlen sich viele Staaten an der Grenze der Aufnahmefähigkeit für die vielen Vertriebenen und Flüchtlinge, die aus ihrer zerstörten Heimat heraus eine sichere Zukunft in Europa suchen. Wolfgang Ischinger sprach in seiner Eröffnungsrede von der grössten Fluchtbewegung seit Ende des 2. Weltkriegs. Er forderte mehr Solidatität und Zusammenarbeit innerhalb und ausserhalb der EU – ja er forderte sogar mehr EU als Reaktion auf die globale Krise. Die internationale Situation bezeichnete er als so schwierig wie seit dem Ende des kalten Krieges nicht mehr.
Auch Ursula von der Leyen sieht die Welt in einer gefährlichen Situation: Von der Ukraine über Fragen zur Zukunft der NATO, Terror, der Cybersicherheit bis hin zu den Flüchtlingen nannte sie die Herausforderungen, die eine Bündelung der Kräfte statt Rivalitäten zwischen den Staaten notwendig machen.
Der IS strebt die Errichtung eines Kalifats und die Zerstörung unserer freien Welt an und brachte den Horror und das Sterben zurück in die Welt. Von der Leyen sieht aber auch Fortschritte beim Kampf: Der IS hat 15% seines Territoriums verloren, den Nimbus der Unbesiegbarkeit ohnehin. Doch auch wenn es noch viel zu bekämpfen gibt, sieht sie im Irak die Strategie aufgehen. Dort sei zu sehen was erreichbar ist, wenn verschiedene Staaten sich auf ein gemeinsames Ziel einigen. Das Gegenbeispiel dafür sei Syrien. Dort ist zu sehen, was passiert, wenn keine Einigkeit gegen den IS herrscht. Doch auch Deutschlands Verteidigungsministerin weiss, dass der militärische Kampf endet, sobald die letzte schwarze Fahne des Kalifats eingerollt ist und der Wiederaufbau des zerstörten Landes ansteht. Ihr ist klar, dass dies nur gelingen kann, wenn die Herzen der Menschen gewonnen werden können, wenn sie eine wirtschafltiche Perspektive haben und die Versöhnung eine Alternative zum Hass wird.
Die Flüchtlingsbewegung nach Europa bereitet ihr Sorgen. Schleuser sind für sie Kriminelle, allerdings betonte sie auch, dass nicht alle Flüchtlinge den Schutz Europas brauchen. Neben den Herkunftsländern (zuerst die Balkan-Länder, dann Syrien und die Maghrebstaaten, nun Afghanistan) ändern sich die Fluchtrouten und -gründe. Das bringt auch Europa in eine Krisensituation, in der die Schengen-Grenzen und das Dublineinkommen unter Druck geraten. Das Zukunftsversprechen der vergangenen 70 Jahr auf Freiheit und gemeinsame Werte drohen dabei unter zu gehen. Ursula von der Leyen will den Menschen helfen, zu uns zu kommen, konzentriert sich dabei aber auf die Schutzbedürftigen. Die EU-Aussengrenzen sollen mit Mitteln ausstattet werden, um die Funktion als Aussengrenze erfüllen zu können.
Wenn eines Tages wieder Frieden herrscht, sollen die Flüchtlinge zurückkehren, um sich in ihrer Heimat am Wiederaufbau beteiligen zu können. Der Bundeswehr weist sie dabei eine besondere Rolle zu, denn diese könnte mit einem zivilen Aufbauprogramm für syrische Flüchtlinge die Menschen unterstützen. Die Bundeswehr bildet schon heute Maurer, Verwaltungsexperten, Mienenräumer, Feuerwehrmänner und weitere 100 Berufe aus. Doch für den Wideraufbau bräuchte es mehr als nur Material und handwerkliche Kenntnisse, sondern auch Leidenschaft und Zuversicht im Herzen.
Auch für den französischen Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian ist Deash der Feind der Freiheit, ein morbider Albtraum. Für ihn steht der Schutz der Bevölkerung und damit die innere Sicherheit an erster Stelle. Im Kampf gegen Deash ist die militärische Antwort nur ein Teil der Strategie. Perschmerga und Oppositionsgruppen in Syrien sollen weiter unterstützt, der Zugang zu Propagandaplattformen unterbunden werden. Wenn Rakka und Mossul befreit seien, sieht Le Drian darin auch ein Plus für unsere Sicherheit. Eine Herausforderung nicht nur für Frankreich, sondern für ganz Europa.
Neben dem, was von von der Leyen und Le Drian gesagt wurde, sind die Punkte bemerkenswert, die sie scheuten. Kein Wort fiel über Russlands unrühmliche Rolle in Syrien, kein Wort über neue Rechte Bewegungen in wirklich allen europäischen Staaten, die mit Angst vor Fremden auf Wählerfang gehen und auch kein Wort zur Klärung darüber, auf welcher Seite die Flüchtlinge wahrgenommen werden: Als Gefahr für Europa, vielleicht auf derselben Ebene wie der Terror, oder als willkommene Neubürger. Die kommunizierten Pläne für einen Neuaufbau Syriens lassen vermuten, dass Kriegsflüchtlingen der Status eines Übernachtungsgastes zugestanden wird, der sich nicht zu wohnlich einrichten soll.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.