Am 8.3.16 entschied sich die EU-Kommission nicht dafür, den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat für weitere fünfzehn Jahre zuzulassen, sondern die Entscheidung darüber zu vertagen. Bei diesem Beschluss der EU-Kommission hat sich gezeigt, dass zumindest vier Mitgliedsstaaten – Schweden, Italien, Frankreich und die Niederlanden – gegen eine Zulassung des Unkrautvernichters stimmten. Deshalb wurde die erforderliche Mehrheit, die für die Zulassung von Glyphosat nötig gewesen wäre, nicht erreicht. Die Tatsache, dass Kritiker darauf verweisen, dass der Unkrautvernichter mutmaßlich krebserregend sei, könnte die fraglichen Mitgliedsstaaten der Kommission genauso beeinflusst haben, wie die öffentlichen Proteste im Vorfeld. Kritiker feierten dies als Sieg, aber die Entscheidung über die Zulassung von Glyphosat wurde nur vertagt und soll nun in der nächsten Sitzung der Europäischen Kommission spätestens am 18. oder 19. Mai getroffen werden. So bliebe mehr Zeit, hieß es offiziell gegenüber der Presse.
Was steckt hinter einer solchen kontrovers diskutierten Entscheidung?
Glyphosat wurde im Jahr 1950 in der Schweiz erfunden. Seit den siebziger Jahren setzen Landwirte vor der Aussaat das Mittel als Unkrautvernichter ein. 40% aller landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland werden mit Glyphosat behandelt. Dies zeigt, wie beliebt der Unkrautvernichter ist. Als der US-Konzern genmanipuliertes, gegen den Unkrautvernichter resistentes Getreide produzierte, konnte Glyphosat auch nach und während der Saat eingesetzt werden. Damit haben sich die Verwendungsmöglichkeiten vervielfacht.
Vor kurzem geriet Glyphosat in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass im Bier die festgelegten Höchstgrenzen weit überschritten wurden. Dies hatte ein Münchner Umweltinstitut herausgefunden. 0,46 bis 29,74 Mikrogramm pro Liter wiesen die Stichproben der untersuchten 14 Biersorten auf. Zum Vergleich: Der gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser liegt bei 0,1 Mikrogramm. Warum die 300-fache Menge im Bier unbedenklich sein soll konnte auch die Bundesregierung nicht schlüssig erklären. Dies ist aber nur ein Beispiel, das besonders Menschen in Deutschland bewegt, denn Rückstände des Unkrautvernichters sind überall in der Umwelt zu finden.
Vor wenigen Wochen wendeten sich deshalb 96 Wissenschaftler in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit. Sie wollten auf die Risiken aufmerksam zu machen, aber auch Fragen stellen. Hinter den Kulissen der Politik sehen sie einen Kampf um wissenschaftliche Studien, Gutachten und Gegengutachten mit dem Ziel der Verharmlosung des Mittels.
Ein Gremium der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa stufte Glyphosat im vergangenen Jahr als „wahrscheinlich krebserregend“ ein.
Laut Berechnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gilt die schädigende Wirkung von Glyphosat im Widerspruch dazu als nicht erwiesen. Im Bericht der Prüfstelle (BfR) werden drei Studien genannt, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind – vielleicht, weil sie von der Industrie in Auftrag gegeben wurden. Konkret besteht der Verdacht, dass der Konzern Monsanto, der jährlich 2 Milliarden US- Dollar mit dem Unkrautvernichter verdient, Einfluss auf die Studien genommen hat. Daher werfe die Entscheidung des BfR zahlreiche Fragen auf, heißt es in dem Offenen Brief. Die Tatsache, dass im BfR-Komitee zu Pestiziden mehrere Mitarbeiter von BASF und Bayer sitzen, erhärtet den Argwohn, dass dort Konzerne über die eigenen Profite wachen.
Der Bundestag folgte der umstrittenen Empfehlung des BfR und lehnte dementsprechenden Antrag der Grünen ab, den Zulassungsprozess in der Europäischen Kommission mit dem Hinweis auf die Gesundheitsgefährdung durch Glyphosat zu unterbrechen.
Die Entscheidung der EU-Kommission ist also – die Fakten bedenkend – eine positive Überraschung.
Aber die erneute Zulassung des Unkrautvernichters würde eine Bankrotterklärung in Sachen Umwelt- und Naturschutz darstellen. Sie ließe auch bereits bekannte Risiken für die Gesundheit der Menschen in Europa außer Acht. Es bleibt der Verdacht, dass die Konzerne sich mit ihren wirtschaftlichen Interessen durchsetzen wollen, doch die öffentliche Kritik an dieser Vorgehensweise wird so schnell nicht verstummen! Dies ist bitter notwendig, denn nach wie vor besteht die Gefahr, dass Glyphosat im Mai 2016 bis zum Jahr 2031 zugelassen wird.