Vor wenigen Tagen, am 24.6.16, stimmte die große Koalition für ein neues Gesetz, das die Nutzung der umstrittenen Fracking-Technologie zukünftig regeln soll. Für die Förderung von Erdgas werden beim Fracking Mischungen von Chemikalien und Wasser in den Boden gepresst, so dass Risse in den Gesteinsschichten entstehen und das Erdgas austritt. Mittels Bohrleitungen kann dann das Gas an die Oberfläche geleitet werden. Kritiker der Methode befürchten unter anderem die Vergiftung des Trinkwassers, unkontrollierbare Umweltschäden, z.B. klimaschädliche Methanemissionen und Erdbeben. Wie kaum ein anderes Thema brachte der Widerstand gegen Fracking zahlreiche Menschen auf die Straße. Nun spaltet das Gesetz Gegner und Befürworter: Handelt es sich um ein Fracking-Verbots- oder um ein Fracking-Ermöglichungsgesetz?
Eigentlich stimmt beides, denn wie so oft hat sich die große Koalition auf einen Kompromiss geeinigt, der möglichst viele möglichst zufrieden stimmen soll. Während Unternehmen die Rechtsunsicherheit beklagten und auf Frackinggenehmigungen drängten, forderten Umweltverbände und zahlreiche Bürgerinnen und Bürger ein weitreichendes Verbot der Technologie.
Das neue Gesetz lässt Fracking in Sandstein zu und erlaubt damit eine Form des Frackings, die bereits zum Einsatz kam. Am meisten betroffen ist Niedersachsen, da es über die größten Erdgaslagerstätten verfügt. Somit kann die umstrittene Methode zur Förderung von Erdgas weiterhin verwendet werden. Kein Wunder, dass die Öl- und Gasindustrie das neue Gesetz begrüßte.
Die Bürgerproteste fanden aber auch einen Niederschlag in dem neuen Gesetz. In sogenannten „sensiblen Gebieten“ wie z.B. Natur- und Wasserschutzgebieten und Einzugsgebieten für die Trinkwasserversorgung und Lebensmittelherstellung ist Fracking verboten. Immerhin wird nun ein inhaltlicher Zusammenhang mit dem Wasserrecht geschaffen und sich nicht nur auf ein archaisches Bergbaurecht bezogen, in dem Umweltschutz keine Rolle spielt.
Geplant ist, dass zudem eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, um die Technik einsetzen zu dürfen. Die Beweislast im Hinblick auf mögliche Bergschäden, die von Tiefbohrungen einschließlich der Fracking-Maßnahmen oder Kavernen stammen könnten, wird den Unternehmen auferlegt. Dies gilt auch für Schäden durch Erdbeben.
Unzulässig ist Fracking in Kohleflöz- und Schiefergestein. Zu wissenschaftlichen Zwecken können allerdings, falls die Bundesländer keinen Gebrauch von ihrem Vetorecht machen, vier Probebohrungen in solche Gesteinsschichten erlaubt werden. Im Jahr 2021 plant die Bundesregierung erneut zu überprüfen, ob dieses Verbot bestehen bleiben soll oder sich die Technik weiterentwickelt hat, so dass eine Förderung mittels Fracking unbedenklich erscheint.
Kritiker sehen in den beschriebenen Formulierungen die im Kern enthaltene Möglichkeit auch in diesen Gesteinsschichten Erdgas zu fördern – also eine Aufweichung des Gesetzes.
Die Einteilung in „konventionelles Fracking“, womit Fracking in Sandstein gemeint ist, und „unkonventionelles Fracking“, was Fracking in Kohleflöz- und Schiefergestein definiert, suggeriere außerdem, dass es Formen des Frackings gäbe, die nicht umweltschädlich wären. Dies stimme nicht.
Den schwarzen Peter erhalten die Bundesländer, die zukünftig entscheiden müssen, ob sie Probebohrungen zwecks unkonventionellen Frackings zulassen oder ein Fracking-Verbot in Steinkohlebergbaugebieten beschließen. Die Bergbehörden müssen bezüglich der Zulassungen zum Fracking das „Einvernehmen mit den Wasserbehörden“ herstellen. Verschärfte Auflagen gibt es auch für die Entsorgung der Frackfluide. So soll eine Vergiftung des Trinkwassers ausgeschlossen werden.
Fakt ist, dass sich die Bundesregierung nicht zu einem vollständigen Frackingverbot durchringen konnte, was Gegner des Frackings gefordert hatten. Trotz strengerer Auflagen kann zukünftig in Deutschland rechtssicher gefrackt werden. Eine Tatsache, die Unternehmen natürlich zufrieden stellt. Kritiker können die strengeren Auflagen bezüglich des Umweltschutzes als Erfolg verbuchen.
Aber nicht umsonst gibt es das Sprichwort vom „faulen Kompromiss“, der es – angesichts der Inhalte des Gesetzes – nur schwer nachvollziehbar macht, dass diese Gesetz von einer selbst verliebten GroKo als Meilenstein im Umweltschutz gepriesen wurde.
Die Oppositionsparteien beklagten jedenfalls, dass sie das abzustimmende Gesetzespaket erst am Montag zu Gesichte bekamen. Dies ließ ihnen wenig Zeit zur Prüfung.
Den Bundesrat soll das Gesetz ebenfalls im Eilverfahren passieren, wenn es nach den Wünschen der Regierungskoalition geht.
Vermutlich ist das übereilte Vorgehen der GroKo der Ankündigung des Vorsitzenden des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG), Martin Bachmann, geschuldet, der anlässlich der Jahrestagung des Verbandes in Hannover verkündete, eine Klage zu erwägen. Schlussendlich habe man fünf Jahre auf den Einsatz „etablierten Methode des Hydraulic Fracturing“ verzichtet, um der Bundesregierung Zeit für die gesetzliche Regelung zu geben.
Die Umstände lassen erahnen, dass der Zeitpunkt, Druck auf die Politiker auszuüben, taktisch clever kalkuliert war: Direkt vor der Sommerpause der Bundesregierung und im Windschatten der Fußballweltmeisterschaft hat sich schon früher manch umstrittenes Gesetz durchwinken lassen.
Tragisch ist die erneute Zerreißprobe, der sich die großen Parteien damit aussetzen, denn auch in SPD und CDU positionieren sich viele kommunale Vertreter gegen Fracking, besonders wenn es um die eigene Gemeinde geht.
Schlussendlich war der GroKo die Verärgerung der eigenen Basis und der laxe Umgang mit den eigenen Beschlüssen – sei es Klimaschutz, Energiewende oder das ratifizierte Klimaschutzabkommen, was unter anderem beinhaltet, zwei Drittel der Bodenschätze ungefördert zu lassen – das Geschenk an die Industrie wert. Wirklich zukunftsweisend ist das Fracking-Verfahren angesichts der endlichen Bodenschätze jedoch nicht. Die umweltschädigende Wirkung wurde demgegenüber in den USA bereits vor Jahren eindrucksvoll bewiesen.