20. Mai 2024

Was uns Nizza aufzeigt

In Nizza starben mindestens 84 Menschen bei der Amokfahrt eines LKW auf einer Flaniermeile. Aktuell (15.7.16, 21:31) sieht alles danach aus, dass es gezielter Mord war, begangen von einem Franzosen. Welche Lehren können wir aus den grausamen Anschlägen ziehen, die Frankreich erschütterten?

9 thoughts on “Was uns Nizza aufzeigt

  1. Zitat Sperling: »Sie [die Täter] wollen uns zeigen, dass keine digitale Vollüberwachung, kein Ausnahmezustand, keine flächendeckende Telefonüberwachung, keine Militäreinsatz im Inneren, keine erhöhten Sicherheitsmaßnahmen und keine markigen Worte in einer offenen Gesellschaft Sicherheit herstellen können.« Das ist so ausgedrückt schlicht falsch. Denn das hieße ja, dass diese „Täter“ unseren Bürgerrechtlern, Überwachungskritikern, Datenschützern Recht geben wollten. Die letzteren sind aber mit absoluter Sicherheit alles andere als islamistische Gotteskrieger oder Anhänger – im Gegenteil. Es gibt keine allgemeingültige Definition von Terrorismus. Zitieren wir aber einmal aus der UN-Resolution 1566 vom 8. Oktober 2004 (http://www.un.org/depts/german/sr/sr_04-05/sr1566.pdf): Terrorismus sind »Straftaten, namentlich auch gegen Zivilpersonen, die mit der Absicht begangen werden, den Tod oder schwere Körperverletzungen zu verursachen, oder Geiselnahmen, die mit dem Ziel begangen werden, die ganze Bevölkerung, eine Gruppe von Personen oder einzelne Personen in Angst und Schrecken zu versetzen, eine Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen …« Das passt auf die Tat in Nizza (und der nahe Würzburg) – man will, dass der Westen, und hier ist Russland einmal eingeschlossen, aufhört, den IS zu bekämpfen. Das wird aber nicht passieren, und eines funktioniert in Europa gewiss nicht: dass die Leute aus Angst vor dem Kalifat hier ein Kalifat errichten (oder sich dem IS-Kalifat anschließen). Mit diesem Ziel könnte der gegenwärtige Terror möglicherweise in einem islamischen Staat funktionieren, und das erklärt zum Teil auch, warum die allermeisten Terrorakte heute in islamischen Staaten begangen werden.
    Dass der Westen nicht aufhören wird, den IS zu bekämpfen, liegt nicht in erster Linie am »geostrategischen Machtanspruch der politischen und wirtschaftlichen “Eliten” in unseren westlichen Demokratien« und dem »Bedürfnis, auf dieser Welt, wo immer es geht, Rohstoffe für den geringst möglichen Preis zu erhalte« (Sperling). Was den ersten Teil angeht, kann man den Westen nicht so einfach über einen Kamm scheren – was z.B. ist der geostrategische Machtanspruch Deutschlands? Das Bedürfnis an Rohstoffen und wie er umgesetzt wird, ist mit ein Grund für die gegenwärtigen Konflikte, aber Chinas Hunger ist auch groß, und da ist der islamistische Terror bis lang nicht angekommen. Das ganze geht aber auch historisch tiefer, z.B. bis zum Sykes-Picot-Abkommen von 1916 (https://de.wikipedia.org/wiki/Sykes-Picot-Abkommen) und hat da noch nichts mit Rohstoffen zu tun.
    Es gibt keinen einfachen Lösungen, das ist richtig. Aber sie suchen zu wollen in der Veränderung des Verhaltens von uns, den »kleinen, amoralischen Konsumenten«, das geht klar an der Sache vorbei. Und was das Ganze ursächlich mit dem »massivsten, parallelen Umbruch von Gesellschaft, Wirtschaft und Demokratie durch die Informationstechnologie« zu tun haben soll, würde ich gerne einmal erklärt bekommen. Man kann zwar auch der Meinung zustimmen, dass »der enthemmte Ton im “Netz” oder unser Umgang mit den Schwachen / Alten / Asylsuchenden … ein Symptom für eine Gesellschaft [ist], die in ihrem Kern krank ist.« Aber auch das hat mit dem islamistischen Terrorismus rein gar nichts zu tun, denn der Westen und die islamische Welt bilden keine gemeinsamen Gesellschaft. Und das müssen sie auch nicht als Voraussetzung dafür, friedlich miteinander umzugehen.

    1. Deine Schlussfolgerungen sind mal wieder falsch, aber das ist schon ok so – du hast deine eigene Sicht der Welt, ich eine andere. IS etc. sind Folge “unserer” Geopolitik, teilweise von “uns” aufgebaut, finanziert, ausgebildet und ausgerüstet für früherere Konflikte oder mit dem Ziel, instabile Regierungen von Krediten (Waffen, Kriegsfolgekosten etc.) abhängig zu machen. Nur sind sie nun nicht mehr dazu bereit, unsere Stellvertreterkriege zu führen und wenden sich den Verursachern des vielen Leides zu – und das ist vor allem unsere Gier und Verantwortlungslosigkeit.

      Deiner rechten These, das die islamische Welt und der Westen keine Gemeinschaft bilden, weise ich zurück. Alle Menschen bilden eine Gemeinschaft, mit unterschiedlichen Werten, unterschiedlicher Moral, in verschiedenen gesellschafltichen Entwicklungsstadien und mit dem Glauben an unterschiedliche Religionen oder Ideologien – aber trozdem sind wir alle Menschen.

      In Ihrem Herzen wollen 99% aller Menschen vor allem Frieden, ihr täglich Brot, ein Dach über dem Kopf und Sicherheit für sich, Ihre Familie und die Gemeinschaft in der sie leben.

      Und ja, du darfst gerne die Dinge isoliert voneinander sehen und keine Zusammenhang erkennen 🙂

      1. Normalerweise kommentiere ich Kommentare zu meinen Beiträgen nicht. Heute mache ich eine Ausnahme. Und zwar, um dazu beizutragen, dass die Diskussion differenziert geführt wird, im Sinne von „Es gibt keine einfachen Lösungen“.

        Ich habe gesagt, dass der Westen und die islamische Welt »keine gemeinsame Gesellschaft bilden«. »Gemeinschaft«, von der Sperling redet, ist etwas anderes als »Gesellschaft«. Wenn man nicht differenziert, kommt man schnell zu dem »Alles ist mit allem verbunden«, oder wie sagt Sperling, sinngemäß zitiert: „Wir sind alle Menschen“. Das reicht nicht aus, um zu Lösungen zu kommen, und wenn man das »Alles ist mit allem verbunden« zu Ende denkt, könnte man zu so einem absurden Ergebnis kommen, wie dass es einen quantenmechanischen Terrorismus-Operator gibt, der die Taten von Nizza und woanders ausgelöst hat. Dass das Quatsch ist, muss wohl nicht erläutert werden. Der Ansatz des »Alles ist mit allem verbunden« führt logisch zwingend zu monokausalen Erklärungen. So sagt Sperling, die Konflikte »sind Folge “unserer” Geopolitik« (wobei ich mich frage, was die Anführungsstriche um das Wort »unserer« bedeuten). Das ist monokausal. Eine einfache Antwort: Ändern wir unsere Geopolitik, ist der Krieg des IS zu Ende. Ist er das dann?

        »Nur sind sie nun nicht mehr dazu bereit, unsere Stellvertreterkriege zu führen …« (Zitat Sperling) Sehen wir einmal davon ab, dass offen bleibt, wer „sie“ sind, die Kommentatoren und Analytiker des Krieges des IS gegen oder in Syrien und im Irak sind sich einig darin, dass es sich hier um einen Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran um die Vorherrschaft im Nahen und Mittleren Osten handelt (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Stellvertreterkrieg#Syrischer_B.C3.BCrgerkrieg_.28seit_2011.29). Also geht es nicht in erster Linie um Rohstoffe. Iran und Saudi-Arabien sind beide reich an Öl. Um Geopolitik geht es vielleicht schon, aber nicht um unsere. Es ist ein Stellvertreterkrieg, aber nicht unserer. (Unsere waren in der jüngeren Geschichte im Wesentlichen die während des Kalten Krieges, also Ost gegen West oder Nato gegen Warschauer Pakt, stellvertretend ausgetragen in Asien und Afrika.) Man sollte also in der Tat differenzierter betrachten, analysieren, argumentieren.

        Darum geht es, so habe ich das auch in meiner Zeit als Redakteur der Flaschenpost verstanden, und nicht um ein »du hast deine eigene Sicht der Welt, ich eine andere« (Zitat Sperling). Das letztere heißt doch, wir diskutieren nicht mehr um Lösungen. Sperling wird – das ist in gewisser Weise konsequent – stattdessen persönlich. Dazu mag sich jeder seine eigene Meinung bilden. Allerdings, mich in die rechte Ecke zu stellen, das amüsiert mich dann doch.

  2. Kein guter Artikel und keine gute Antwort auf den zutreffenden Kommentar.
    Insgesamt leider nicht viel über Schülerzeitungsniveau.
    Bitte besser werden oder das Thema sein lassen, lieber Sperling.
    Kleiner Hinweis: Selbst mit noch so viel Geld und Politik aus dem Ausland sind die Menschen noch immer selbst verantwortlich dafür, wenn sie im Rahmen ihrer verblendeten Religiösität andere Leute in die Luft sprengen.
    JS

    1. Lieber Jens S.,

      schön mal wieder was von dir zu hören. Ich muss zugeben: Das ist kein guter Artikel von mir, da hatte ich eine ganz schlechten Tag. Weit unter meinem Standard, viel zu wenig Zeit in viel zu wenig Worte für viel zu viel Zusammenhänge. Manchmal beschäftigt einen eben das Thema emotional so sehr, das man nicht klar denkt – shit happens.

  3. Leben und Leben lassen! Das ist der Grundsatz, an dem sich das Leben orientieren sollte. leider wird die einfachste Norm nicht beachtet. Für mich ist der ganze Scheiß nur den Besserwisser und deren Habgier zuzuschreiben, Leider! Wer die Geschichte kennt, weiß dass Größenwahnsinn auf Dauer, niemals Erfolg haben kann.

  4. Jacques Cheminade, Kandidat für die Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2017, veröffentlichte am 16. Juli , nach dem Anschlag von Nizza am Ende der Feiern zum Bastille-Tag, bei dem mindestens 84 Personen getötet und mehr als 300 weitere verletzt wurden, die folgende Erklärung. In den letzten 20 Jahren gab es in Frankreich zahlreiche schreckliche Terroranschläge, wie den Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo, bei dem 11 Journalisten und ein Polizist getötet wurden, und die Pariser Anschläge vom 13. November 2015, bei denen 130 Menschen getötet wurden, darunter 90 meist junge Menschen im Bataclan-Theater. Cheminade schreibt:

    Wieder einmal wurde Frankreich von einem kriminellen Terroranschlag getroffen.

    Und wieder einmal bekennen der Präsident der Republik, der Innenminister und der Premierminister feierlich ihre Trauer und ihren Willen, den Terrorismus zu bekämpfen, ohne jedoch die wahren Ursachen dieser Barbarei anzusprechen.

    Die Hauptursache ist ihre Komplizenschaft in einer Politik, die den Dschihadismus unterstützt, um das Regime von Baschar Al-Assad zu stürzen, einer Politik, die von den Vereinigten Staaten, Saudi-Arabien, Katar und der Türkei ersonnen wurde – eine Politik, die sich nun gegen uns selbst richtet.

    Was ist mit Nizza? Seit 2014 ist bekannt, daß die Stadt ein Rekrutierungszentrum für Dschihadisten, die nach Syrien gehen geworden ist. Ein Bericht der DGSI (Generaldirektion für innere Sicherheit) wies darauf hin, daß Nizza zu einem „Testfall“ geworden sei, die „Radikalisierung“ zu identifizieren und mit ihr umzugehen.

    Nizza ist das Zentrum, von wo aus Omar Osman, ein franko-senegalesischer Gangster, der zum Islam konvertierte, eine Brigade von 50-80 Franzosen rekrutierte, die in Syrien an der Seite von Al-Nusra (Al-Kaida in Syrien) kämpft. Unser damaliger Außenminister Laurent Fabius erklärte 2012 mit unangemessenem Enthusiasmus, Al-Nusra leiste im Kampf gegen Assad „gute Arbeit“.

    Aus Nizza kamen auch Berichte über mögliche Dschihadis, die im „diplomatischen Gepäck“ der Saudis ein- und ausreisen. Christian Estrosi, Bürgermeister der Stadt, sagte am 7. April gegenüber Olivier Mazerolle vom Radiosender RTL, die beiden Personen, deren Beobachtung nach Aussage des Sicherheitsberichts über radikalisierte Personen höchste Priorität habe, seien „in einem saudischen Konvoi“ nach Frankreich eingereist und wären im internationalen Flughafen von Nizza „von allen Kontrollen ausgenommen worden“. Auf Mazerolles Frage, ob die Polizei gezwungen gewesen sei, ihn einreisen zu lassen, antwortete Estrosi: „Ja, und ich weiß, daß einige von ihnen sich darüber sehr geärgert haben und dies auch wissen ließen, und dann die Konsequenzen tragen mußten.“

    Die Regierung darf in dieser Frage nicht länger zögern, sonst riskiert sie, früher oder später wie Tony Blair zu enden und ihr Handeln vor einer Chilcot-Kommission – oder noch schlimmer, vor einem Gericht – zu rechtfertigen.

    Die Zeit ist gekommen, unsere Beziehungen zu Baschar Al-Assad schnell wiederherzustellen, den Wiederaufbau Syriens zu beginnen, mit den Russen im Kampf gegen die Bedrohung des Terrorismus zusammenzuarbeiten und die Vereinigten Staaten nachdrücklich aufzufordern, das gleiche zu tun.

    Unsere Polizei, unser Militär, unsere Reservisten und unser medizinisches Personal haben uns in Nizza eine Lektion in Solidarität und Bürgergeist erteilt.

    Zeigen wir uns ihrer Hingabe für die Werte der Republik und dem Respekt, den die Opfer verdienen, würdig, um diese bösartige Serie von Anschlägen zu stoppen und das Gespenst der Spaltung unseres Landes zu vertreiben, d.h., die Radikalisierung zu verhindern, die unseren Willen, zusammenzuleben, aus dem Gleichgewicht bringt.

    1. Zur Einornung des Beitages: Was Jacques Cheminade angeht, lese man nach bei Wikipedia (https://fr.wikipedia.org/wiki/Jacques_Cheminade). Ich zitiere einmal aus dem Anfang: “Fondateur du parti politique Solidarité et progrès, affilié au mouvement de Lyndon LaRouche, …”(den Artikel gibt es leider nicht im deutschen Wikipedia), und zu Lyndon LaRouche verweise ich auf https://de.wikipedia.org/wiki/Lyndon_LaRouche#LaRouche-Bewegung. Ich zitiere daraus: “1996 bezeichnete die damalige Bundesregierung die der LaRouche-Bewegung nahestehende, 1974 ebenfalls von Helga Zepp-LaRouche gegründete Europäische Arbeiter-Partei (EAP) in einer Antwort auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten von CDU/CSU und FDP als Politsekte.”

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