Gerade einmal 43% der Wahlbeteiligten gingen in der zweiten Runde der Parlamentswahl in die Wahllokale. In der ersten Runde Mitte des Juni gaben immerhin noch 49% ihre Stimme ab. Der Wahlkampf war nicht darauf angelegt, Massen zu begeistern. Einzig die Partei des Präsidenten Macron La République en Marche war auf Straßen und Plätzen zu sehen. Andere Parteien machten sich rar oder hatten sich schon vor Öffnung der Wahllokale mit der absehbaren Niederlage abgefunden.
Über dem ganzen Land liegt eine gespannte Lethargie. Die ist in Paris besonders gut zu beobachten. Wo früher die Armeepolizei CRS in Vierergruppen patroullierten wurden inzwischen Achtergruppen daraus. In Parks werden Personen, die Sonnenbrillen tragen und mit Segeways oder motorisierten Skateboards unterwegs sind, gebeten diese kurz abzusetzen damit die Augen zu sehen sind. Dieser Aufforderung kommt jeder mit viel Verständnis sofort nach. Wohlgemerkt: Nicht bei einer Personenkontrolle sondern quasi „im Vorbeigehen“. Die CRS zeigt auch in Einkaufspassagen Präsenz, in den Stationen der Metro und der RER, der S-Bahn Paris und sogar in Museen. Vor Betreten des Louvre steht sogar eine Kontrolle wie sie jeder Flugreisende kennt: Tore mit Metalldetektoren und ein Durchleuchtungsgerät für die mitgebrachte Gerätschaft wie Portemonnaie, Kamera und Mobiltelefon. Taschenkontrollen gibt es inzwischen auch beim Betreten normaler Geschäfte und Einkaufspassagen. Nicht nur in den Boutiquen auf dem Champs-Elysées, sondern auch in den weniger edlen Geschäften im Osten und Norden der Stadt.
In Frankreich scheint die Bevölkerung mit bewaffneten Soldaten im Straßenbild durchaus einverstanden zu sein. Die Erfolgsbilanz, berechnet man sie aus „Anschlagsversuchen“ und „Opferzahlen“, ist durchaus positiv, was in der Zustimmung zur Regierung niederschlägt. Dazu kommt, dass Macron es schaffte glaubhaft zu vermitteln, wie er das derzeitige Bruttoinlandsprodukt steigern will um so an Deutschland anzuschließen. Das Erfolgsrezept besteht aus Reformen wie sie sicher Kanzlerin Merkels Zustimmung finden werden und die Botschaft an die Bevölkerung, dass es ihr Land, ihre Wirtschaft und ihre Zukunft ist, für die die Regierung im Amt tätig sein wird. Mit dieser einfachen Formel wurden die Republikaner (bisher: UMP) weitab auf Platz zwei verwiesen, die Sozialisten, bis zur Präsidentenwahl immerhin Regierungspartei, in die Bedeutungslosigkeit verbannt. Die größte Diskrepanz zwischen Erwartung im Vorfeld und tatsächlichem Ergebnis müssen die Rechtsextremisten des Front National verarbeiten. Rechneten sie Anfang des Jahres noch damit, die Präsidentin stellen zu können, blieben im endgültigen Ergebnis der Parlamentswahl gerade acht Sitze übrig.
Macrons Parteigründung ist noch jung, unter den jetzt gewählten Mandatsträgern findet sich der eine oder andere Glücksritter – ungeeignet die Regierung zu vertreten. Die Rücktritte der letzten Tage lassen vermuten, dass dieser Reinigungsprozess schnell voran schreitet. Doch bleibt es abzuwarten, ob Frankreich anschließend eine stabile Regierung haben wird. Selbst die absolute Mehrheit von en Marche ist keine Garant dafür. Wer Europa liebt findet im Parteiprogramm von en Marche das Bekenntnis zur Union und Ideen wie diese vertieft werden kann. Aus Piratensicht ein Lichtblick, der aus der „etablierten Politik“ sichtbar wird.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.