Wer dieser Tage die Messehallen in Friedrichshafen betritt, hört neben den typischen Geräuschen einer Messehalle unterschiedlichste Morsezeichen. Das überrascht nicht weiter, ist die HamRadio doch Europas größte Amateurfunkmesse. Der Blick in die Halle zeigt jedoch, dass die Digitalisierung schon lange in diesem Hobby angekommen ist, denn Amateurfunkgerät enthalten mehr Computertechnik, als es das Pieps-Pieps aus den Lautsprechern erwarten lässt.
Das zeigt auch ein Blick in das Vortragsprogramm. Von den 80 Terminen beschäftigen sich rund die Hälfte mit Digitaltechniken. Paradebeispiel für die schon vor langer Zeit vollzogene Digitaltransformation ist der Amateurfunksatellit Es’hail-2. Funkamateure schossen schon in den 70-er Jahren ihre eigenen Satelliten ins All, aber dieses neuste Modell wird nur zu einem geringen Teil „analoge“ Sprache übertragen. Der weitaus größere Teil der Kapazitäten wird digitale Signale vom selbst produzierten DVB-Signal bis zur codierten Sprache übermitteln. Dass Digitaltechnik einen so hohen Stellenwert bei den Funkamateuren einnimmt, hat mit der technischen Weiterentwicklung auf einem verwandten Gebiet zu tun: Die letzten 100 Jahre machte die Technik der Empfänger zwar Fortschritte, aber keine revolutionären Schritte nach vorne. Das änderte sich um das Jahr 2000 herum, als dank schneller werdender Technik an die Antenne einfach ein Wandler angeschlossen wurde, der aus allem was die Antenne empfing einen Datenstrom machte, der in einen Computer geleitet wurde. Was der dann machte war eine Frage der Software. Um UKW Stereo empfangen zu können war plötzlich nur noch ein Programm notwendig. Sollte auch der Sendername angezeigt werden oder gar ein Fernsehbild …… alles wurde zu einer Frage der Software, doch Umbauten „am Gerät“, Investitionen und ähnliches, entfielen. Mit anderen Worten: Mit einem vorhandenen und gar nicht teuren Analog-Digital-Wandler konnte die Software für UKW-Radio, Polizeifunk, DCF77-Uhr, Fernseher und Babyphone angesteuert werden. Für neue Anwendungen und Experimente waren keine Bauteile und auch kein Lötkolben mehr notwendig – sondern nur noch das Wissen wie diese Software zu erstellen ist. So begann der Siegeszug des Software Defined Radios (SDR), das schon heute mehr die Regel, nicht die Ausnahme ist.
Dieses Vorgehen, die Möglichkeit leicht und vor allem ohne große Kosten zu experimentieren, zeigt aber auch negative Auswirkungen. Ein Paradebeispiel dafür ist die digitale Übertragung von Sprache. Hier begehen die Funkamateure den Fehler, der in den analogen Zeit der 80-er und 90-er Jahre bei Videorekordern gemacht wurde: Mit D-Star, DMR und C4FM gibt es drei konkurrierende Systeme zur digitalen Sprachübertragung, wie es früher mit VHS, Video2000 und BetaMax drei konkurierende und zueinander nicht kompatible Videosysteme gab. Die Folge davon: Viele Funkamateure warten ab, ob sich einer dieser Standards durchsetzt oder gar, analog zur DVD, eine ganz neue und bessere Technik die alten Systeme verdrängt. So werden die alten analogen Geräte eben noch weiter genutzt, auch wenn dabei die Möglichkeiten der Anwendung sehr eingeschränkt sind.
Trotz der Digitaltechnik kämpft der Amateurfunk in Zeiten des Internets um Nachwuchs. In früheren Jahren landeten viele, die sich für Technik und Kommunikation interessierten, beim Amateurfunk und im DARC, dem Verein in dem die meisten Funkamateure in Deutschland organisiert sind. Doch heute stellen Programmiersprachen und Netzwerke eine starke Konkurrenz dar – die auch die spätere Berufswahl beeinflusst. Heute stehen Entwicklern die Türen im Arbeitsmarkt offen, Hochfrequenztechniker suchen deutlich länger. Das trübt das Interesse an der Funktechnik deutlich. Einige der Vorträge in Friedrichshafen beschäftigen sich folgerichtig mit der Frage, wie die Jugend für ein Hobby begeistert werden kann, das von außen betrachtet etwas angestaubt aussieht und nach Morsezeichen klingt. Der interessante Tenor dieser Veranstaltungen: Die „Faszination Funk“ ist durchaus noch vorhanden, die Jugend muss nur dort abgeholt werden wo sie ist: An den Computern.
Einer der faszinierendsten Aspekte der Funkamateure ist die Weltoffenheit, die auch in Friedrichshafen zu sehen war. Nicht nur die Besucher kamen aus allen Ländern, auch Amateurfunkverbände, ähnlich dem deutschen DARC, aus den unterschiedlichsten Ländern waren vertreten. So war es vom Stand aus Israel nicht weit zu denen aus Österreich, Bulgarien, Italien, Katar, Frankreich und der Schweiz. Irgendwann nach 1945 wurde in die Gesetze geschrieben, dass der Amateurfunk unpolitisch sei. Dieser kleine unschuldige Satz hatte zur Folge, dass plötzlich jeder mit jedem sprechen oder morsen konnte. Damals durch den Eisernen Vorhang hindurch, heute ungeachtet von Sanktionen und Embargos ist für Funkamateure jedes Gespräch, jedes Morsezeichen, jedes übertragene Bild oder Schriftzeichen unpolitisch – und stellt eine Brücke zwischen Ländern her, die ansonsten vielleicht schon lange nicht mehr miteinander sprechen. Diese Art des Unpolitischen mag als Vorbild für die Politik dienen, der schon seit einiger Zeit hier und da im Miteinander die Worte fehlen. Und während die einen nach Repressionen rufen freuen sich die Funkamateure dank Katars neuem Satelliten Es’hail-2 noch enger in Kontakt stehen zu können.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.