Ein Gastartikel von Markus Pöstinger.
Der G20-Gipfel ist kein Musterbeispiel für globalen Austausch. So bestimmen die geladenen Gäste der führenden zwanzig Industrie- und Schwellenländer bei ihren Gesprächen indirekt über alle anderen Länder der Erde mit. Der Kontinent Afrika ist einzig mit Südafrika als Mitglied vertreten, während alle anderen Länder des Kontinents nur indirekt über Gastorganisationen wie die Afrikanische Union und NEPAD beim Gipfel vertreten sind. Das mutet gerade angesichts der zentralen Themen des Gipfels in Hamburg seltsam an, denn es stehen unter anderem die Situation in Afrika allgemein sowie die dortigen Hungersnöte auf der Agenda.
Globale Politik von Oben
Einige Nationen anderer Kontinente, als Beispiel sei hier Chile genannt, sind gar nicht vertreten. Die G20 präsentieren sich daher als exklusiver Kreis, für dessen Mitgliedschaften es allerdings keine klaren Regeln gibt. So werden als wichtigste Kriterien für eine Mitgliedschaft die Höhe des Bruttoinlandsprodukts sowie die Größe der Bevölkerung eines Landes genannt. Jedoch erfüllt beispielsweise Spanien als Nicht-Mitglied diese Kriterien. Daher wundert es nicht, dass beispielsweise der ehemalige norwegische Außenminister Jonas Gahr Støre die G20 einmal als “selbstermächtigte Gruppe” sowie als “einen der größten Rückschritte seit dem 2. Weltkrieg” bezeichnet hat.
Da ein Gründungszweck der G20 die Wahrung der Stabilität des internationalen Finanzsystems war, sind bei allen Themen natürlich auch wirtschaftliche Fragen im Hinterkopf. Aus diesem Grund reisen mit den Staats- und Regierungschefs auch die Finanzminister und die Leitenden der Zentralbanken der einzelnen Länder. Es dürfte klar sein, dass bei dieser Konstellation keine Ergebnisse in Frage kommen werden, die zu nennenswerten Einbußen der Wirtschaft der beteiligten Länder führen, geschweige denn zu einer dringend notwendigen Umverteilung des monetären Reichtums genau in die Richtung der Länder, die nicht am Gipfel teilnehmen dürfen oder können.
“Wir lehnen dieses demokratisch nicht legitimierte Zusammentreffen neoliberaler, westlicher Politiker mit Führern autoritär geführter Staaten ab”, stellt der Bundesvorsitzende der Piratenpartei Patrick Schiffer folgerichtig klar. “Der G20 Gipfel steht für weltweiten Sozialabbau, Umweltzerstörung und ungehemmtes Wirtschaftswachstum”.
Die Landesverband Hamburg der Piratenpartei ist daher Unterstützer des alternativen “Gipfels für globale Solidarität“und veranstaltet eine eigene Reihe von Informationsabenden im “Zentrum für politische Teilhabe”. Darüber hinaus ruft die Piratenpartei Hamburg zur Teilnahme an der Großdemonstration “Grenzenlose Solidarität statt G20” am 08.07.2017 auf. Die Piratenpartei Deutschland unterstützt auch Aktionen im Rahmen der “Protestwelle“.
Grundrechte außer Kraft gesetzt
Losgelöst von der übergeordneten Kritik an G20 werden während des Gipfels Grundrechte beschnitten oder gänzlich außer Kraft gesetzt sowie allen Menschen in Hamburg Einschränkungen im Alltag aufgebürdet. Mit der Wahl einer boomenden, durch Touristen überlaufenen und mit Verkehrsproblemen belasteten Metropole als Austragungsort des Gipfels haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bürgermeister Olaf Scholz allen Menschen inklusive der Polizei einen Bärendienst erwiesen.
Der offene Brief eines Polizisten vor einigen Wochen brachte das Dilemma auf den Punkt: Selbst Tausende aus allen Teilen der Republik herbei beorderte Sicherheitskräfte werden es schwer haben, die Sicherheit für alle Staats- und Regierungschefs inklusive ihrer Entourage und dem Tross an Pressevertretern zu gewährleisten. Den Gipfel innerhalb der Freien Hansestadt auch noch direkt neben links-alternativen Quartieren wie dem Karolinenviertel, St. Pauli oder der Sternschanze stattfinden zu lassen, grenzt an Provokation.
Seit Wochen implementieren Polizei und Politik daher neue Sicherheitsmaßnahmen, die an Verzweiflung erinnern und mit denen Grundrechte verbogen oder ganz außer Kraft gesetzt werden. So verbot die Polizei für die Zeit des Gipfels kurzerhand Demonstrationen in allen Stadtteilen zwischen dem Flughafen sowie dem Veranstaltungsort. Darüber hinaus patrouillieren schon Wochen vor dem Gipfel PolizistInnen in den Quartieren um den Veranstaltungsort und kontrollieren Ausweise oder mitgeführte Taschen nach Lust und Laune. Gegen dieses Vorgehen wurde ein Aufruf von Organisationen aus dem Bürgerrechtsumfeld, Angehöriger verschiedener Parteien sowie Privatpersonen verfasst, den auch Hamburger Piraten teils als Erstunterzeichner mit unterstützen.
Wenig überraschend ist auch, dass der G20-Gipfel nach dem Willen der Regierungen in Bund und Land zwar gerne in Hamburg stattfinden darf. Protestierenden wird es dagegen möglichst schwer gemacht, das Wochenende in Hamburg zu bleiben. Anträge von Seiten der Protestierenden, Camps beispielsweise im Volkspark oder im Stadtpark zu errichten, wurden seitens der Stadt nicht gestattet. Das letzte Wort ist hierbei noch nicht gesprochen, das Verbot eines Camps im Stadtpark wurde in erster Instanz kassiert, in zweiter Instanz wurde ihm allerdings wieder stattgegeben. Nun erfolgt zeitnah das finale Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Eine Erlaubnis von Camps im Stadtgebiet würde nicht nur zu einer Entspannung und Deeskalation beitragen. Ein Abdrängen von Protestierenden hat vor dem Hintergrund der teilweise totalitär agierenden Staats- und Regierungschefs, die beim Gipfel zu Gast sind, einen besonderen Beigeschmack.
“Der Hamburger Senat weiß, dass diese Staatsleute totale Sicherheitsansprüche erheben – unabhängig von einer gegebenen oder nicht gegebenen Sicherheitslage”, kritisiert daher auch der Vorsitzende der Piratenpartei Hamburg, Dr. Martin Schütz. “Macht- und Repräsentations-Vorführungen des Staates aber rechtfertigen in keinem Fall das Suspendieren, Einschränken oder Behindern von Grundrechten!”