»Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt zu sehen wünschen.« – Mahatma Gandhi
Ein Gastartikel von Amicia
Diese Woche ging ein kurzer emotionaler Ruck durch die Piratenpartei, ein Zucken, als würde sie langsam aus dem Dornröschenschlaf erwachen wollen, in dem sie sich nun schon seit ein paar Jahren befindet. Es war der amtierende Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble, der die Piratenpartei als ein Experiment bezeichnete, dass an sich grandios gescheitert ist. Ein Urgestein der Deutschen Politik nimmt den Namen “Piratenpartei” in den Mund, lächelt dabei verschmitzt und reibt sich die Hände.[1] Ein Mann der “alten Schule”, der vor Konservativismus nur so strotzt.
Doch es waren auch wenige Sekunden, in denen die Mitglieder dieser Partei für einen Moment geeint waren. Denn alle, die bis heute aktiv für die Partei tätig sind und es auch weiterhin sein werden, wissen, dass die Piratenpartei mehr ist, als nur ein Experiment. Sie ist eine Partei in der deutschen Politiklandschaft, die nach einem schnellen Aufstieg ein tiefer Fall erwartete und dass mit viel Collateralschäden. Doch es sind auch viele übrig geblieben aus dieser Zeit, die bis heute ihr Herzblut in die Parteiarbeit stecken.
Als außenstehende Person wirkt es jedoch häufig so, dass insbesondere die Mitglieder, die den damaligen Aufschwung der Partei miterlebt haben, dieser “alten” Zeit bis heute nachtrauern und so im Tal der Tränen verweilen. Sie wurden damals mit einer Veränderung konfrontiert, die sie bis heute nicht wahrhaben wollen. Dies wiederum führt zu einer inneren Blockade, die der Offenheit für Neues und Veränderungen kaum Raum lässt.[2] Doch die Welt hat sich weiter gedreht, die Partei mag viele auf ihrem Weg nach Neuland verloren haben, jedoch finden sich immer wieder Menschen, die an die Piratenpartei glauben und sich ihr zuwenden. Im besten Fall werden sie Mitglied und bringen sich aktiv in die politische Arbeit ein.
Sobald nach einigen Monaten die parteiinternen Strukturen etwas klarer sind, zeigen sich auch schnell die ersten Unschärfen. Was sich als Basisdemokratie verstanden wissen will, ist ganz viel “Ich” und “meine Meinung”. Da ist wenig miteinander oder füreinander einstehen. Das Parteiprogramm wird zum persönlichen Vorteil, maximal flexibel wie ein lockeres Gummiband, ausgelegt. Hinzu kommt der Umstand, dass einige Personen seit einigen Jahren bestimmte Vorstandspositionen, unabhängig der Ebene, besetzen. Da zeigt sich ganz klar eine Schwachstelle: Mitmach-Partei ist ja gut und schön, dies kann aber nicht bedeuten, dass jede Person auch alles machen kann, nur weil sie darauf gerade Lust hat. Leider fehlt ihr jegliches Qualitätsmanagement in der Personalauswahl. Wer will, der kann und wenn er gewählt wird, dann darf er auch. Das ist jedoch nicht allzu selten auch den mangelnden Ressourcen geschuldet. Nur leider ist nicht jeder Indianer auch zum Häuptling auserkoren. Das Resultat ist manchmal verheerend: Qualitativ mittelmäßiger Output, den niemanden außerhalb des eigenen Dunstkreises interessiert. Und entsprichst du nicht der Meinung des jeweiligen Häuptlings, so wirst du schnell zum internen Feind erklärt und gehörst zum falschen “Lager” (die “Flügel-Debatte” wird hier bewusst ausgeklammert).
Doch auch medial haben wir wenig zu bieten, für Außenstehende “fordern” und “befürworten” oder “begrüßen” wir Mal wieder irgendwas, das die Mainstream-Bubble füttert. Doch was ist aus der Piratenpartei geworden? Was ist aus dem geworden, wofür sie bei Gründung angetreten ist? Wo sind die Kernthemen? Was macht uns aus, was unterscheidet uns positiv von den anderen? Was sind unsere Lösungen? Alle diese Fragen bleiben bisher unbeantwortet und genau das vermisse ich: Unsere eigene Identität. Die Partei wirkt wie eine Getriebene, die damit beschäftigt ist, dem tagesaktuellen Mainstream hinterher zu hetzen. Als wüsste sie nicht, wo ihr Platz ist und vor allem nicht, wer sie ist. Doch wir sind so viel mehr als das!
Ich vermisse das gegenseitige Unterstützen, das gemeinsame Konsens finden und das selbstbewusste Auftreten, dass wir die Piratenpartei sind und dass wir für diese und jene Punkte eintreten und diese und jene Lösungen anbieten. Ich vermisse das “Wir” in der Partei für alle in unserer Gesellschaft.
Die Menschen sind Corona-müde, wir müssen auf sie zugehen und ihnen Lösungen anbieten, wie das neue Normal nach der Pandemie für sie aussehen kann. Damit auch weiterhin Freiheit.Würde.Teilhabe unsere Gesellschaft ausmachen. Es hilft nichts, wenn wir uns in eine Opferrolle begeben, indem wir sagen, wir konnten dies oder jenes nicht tun, wegen der Pandemie… Nein, das ist der falsche Ansatz. Er muss richtig lauten: Wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen, um die bestmöglichen Ziele zu erreichen. Machen wir uns nicht kleiner als wir sind, die eigene Haltung hat ganz viel damit zu tun, wie wir von anderen wahrgenommen werden.
[1] https://www.pscp.tv/w/1ynKOBPwPqwxR
[2] https://www.change-management-consultant.de/wie-change-management/
Die Piraten haben wohl nicht mehr genug und nicht mehr genug motivierte Mitglieder. Ich hatte den Piraten im Herbst 2020 den Tipp gegeben doch bitte eine Webseite zu bauen bei der man Firmen reinstellen kann die tr0tz Bürojobs, ihre Mitarbeiter nicht ins Homeoffice lassen sondern in den Großraumbüros weiterarbeiten lassen. Daraus ist nichts geworden. Eine Grüne hat das Thema aufgegriffen. Leider sehr spät um beim Schutz gegen Corona wirksam werden zu können. Und natürlich können die Grünen eine wichtige Ursache dafür, das Arbeitnehmermachpostionsverschlechechterunsgesetz Hartz IV nicht kritisieren, denn sie haben es ja eingeführt.
In Baden-Württemberg gefährdet die CDU-Kultusministernin die Gesundheit der Schüler und Lehrer weil sie unbedingt Präsenzuntericht will. Außerdem will sie statt der schon eingeführten Open-Source-Lösungen lieber Steuergeld nach Redmond überweisen will.
Aber in dem Baden-Württemberg haben die Piraten es zwar vor Gericht geschafft die hohen Hürden für die Unterstützungsunterschriftensammlungen dort abzusenken aber es sind andererseits in vielen Wahlkreisen immer noch keine Kandidaten aufgestellt. Trotz der hohen Hürden hatte die Piraten das früher mal geschafft.
Die Piraten brauchen mehr Mitglieder und auch mehr die dran glauben, dass eine besser Politik nur (!) mit Piraten möglich ist.
Letzteres heißt also auch, dass Themen & Argumentationen den Vordergrund gerückt werden, die nur die Piraten so verwenden können und nicht mehre andere Parteien auch. Und die Partei muss sich um mehr Mitglieder bemühen, die dann auch motiviert sind.
Bei der geringen Sichtbarkeit der Partei halte ich dafür eine Möglichkeit zu schaffen auf der sich Ex-Piraten äußern können, unter welchen Voraussetzungen sie sich vorstellen zu könnten, wieder mitzumachen, für den erfolgversprechenden Weg.
Pranger sind nirgends eine gute Idee. Möglich wäre stattdessen, eine Liste vorbildlicher Arbeitgeber, die mobiles Arbeiten problemlos ermöglichen, zu veröffentlichen. Das spornt eventuell andere an.
Transparenzinformation: wir haben zu diesem Artikel eine Kommentar erhalten, der die Autorin herabwürdigt, die Flaschenpost in die Nähe der BILD rückt und vorwürfe in Bezug auf “braune Flecken” auf der Hose macht.
Aus Gründen des Anstandes und der mentalen Hygiene haben wir diesen Kommentar nicht veröffentlicht und werden diese auch in Zukunft nicht tun. Wir erwarten ein Mindestmaß an Umgangsformen.
Als Ex-Mitglied würde ich herzhaft davon abraten, Ex-Mitgliedern eine Plattform zu bieten, unter welchen Umständen sie wieder eintreten würden – und zwar aus PR-technischen Gründen.
Ich habe immer noch Kontakt zu anderen früheren Parteimitgliedern, und ich kenne keines, das wieder eintreten würde. Das hat im Detail unterschiedliche Gründe, doch einen Grund eint diese Leute (da ich nicht für andere spreche, ist das Folgende ausschließlich meine persönliche Sicht): Es war nicht der Weg ins Abwärts, nicht die Mangelverwaltung in finanzieller oder personeller Hinsicht (eine Kleinpartei hat nun mal nicht so viel Geld und auch weniger Personal, das ist schon o.k.), sondern der zwischenmenschliche Umgang, der wirklich unter aller Kritik war. Selbst das war eine zeitlang auszusitzen. Doch als die Partei und ihre Organe nichts, aber auch gar nichts taten, um dem Mobbing, der Hetze, der Misogynie und was es noch alles gab (letzteres für weibliche Mitglieder, versteht sich) Einhalt zu gebieten, war es irgendwann eine Frage der geistigen Hygiene, der Piratenpartei den Rücken zu kehren. Und eine Rückkehr schließe ich kategorisch aus. Einfach, weil nicht abzusehen ist, dass sich das geändert hat. Klar, es gab irgendwann Awareness-Teams, doch deren Möglichkeiten zum konkreten Handeln waren gleich Null. Es wurden auf Parteitagen Karten verteilt, mit denen man unangemessenes Verhalten sanktionieren konnte, aber es blieb bei derart kosmetischen Maßnahmen. Frauen wurden unter “postgender” wegsortiert, denn das war so schön bequem, musste sich die männliche Mehrheit doch nicht mit dem eigenen misogynen Verhalten auseinandersetzen.
Ich bin kurz vor der Bundestagswahl 2009 wegen Zensursula eingetreten, und es dauerte nach meinem Austritt 2016 ein paar Jahre, bis ich mich für eine neue Partei entschied. Dort kann ich auch netzpolitische Themen bearbeiten. Konflikte gibt es überall, aber ein solcher offen gelebter Umgang würde dort nicht geduldet. Für mich gibt es immer nur vorwärts, aber niemals ein Zurück.