Ein Gastartikel von Jörg Preiß
Es wird Krieg geben
Wie kommt man nach 75 Jahren Frieden zu solch einer drastischen Aussage? Es scheint rechte Tendenzen bei Polizei und Militär zu geben, zugegeben. Und ja, es gibt einige wenige, die nach Umsturz schreien, weil ein Stück Stoff angeblich nicht zu ihrer Auffassung von Freiheit passt. Aber wahrscheinlich sind das nur Symptome, die auf das hinweisen, was wirklich fehlt: Wertschätzung.
Wo wir herkommen
Damals nach dem Krieg… nein, dies soll nicht die x. Nacherzählung des Wirtschaftswunders werden. Es soll nur ein Hinweis darauf sein, was unsere Großeltern zu ihrer Erziehung bewog. Meine Oma hatte ein Handtuch in ihrer Küche an der Wand mit der Aufschrift “Sonntags das Beste, Montags die Reste”. Und es war in Ordnung. Die Woche über gabs es etwas schnelles zu essen, aber an Sonntagen gab es manchmal Braten oder ein Huhn. Man konnte sich auf etwas freuen. Durch die mittlerweile stattgefundene Industrialisierung braucht man für die nächste Roulade lediglich die Verpackung aufzureißen, Kartoffeln inklusive. Zum Angebotspreis von 1,99 beim nächsten Discounter. Hackfleisch bekommt man für 99 cent (vielen Dank auch für diesen Bärendienst, Frau Klöckner). Durch das Überangebot hat tierische Nahrung keinen rechten Preis mehr, durch die ständige Verfügbarkeit hat sie keinen richtigen Wert mehr. Fleisch wird als günstiges Nahrungsangebot als gegeben angesehen, ja sogar gefordert. Natürlich ist man besorgt über die Zustände bei Tönnies, niemand sollte unter solchen Verhältnissen hausen müssen wie die Angestellten. Aber für diese mitverantwortlich gemacht werden, das möchte man bitte nicht.
Ständige Verfügbarkeit
Aus heutiger Sicht mutet es archaisch an, dass es in grauer Vorzeit lediglich 3 Programme gab. Aber auch hier ergab sich ein Gefühl, das in Zeiten von Netflix & Co nur noch selten anzufinden ist: Vorfreude. Captain Kirk kam Dienstags abends im Vorabendprogramm, also war man zu dieser Zeit zu Hause. War die Sendung vorüber, hieß es eine Woche warten. Und es war in Ordnung. Man lebte das Ritual. Es ging soweit, dass sich die ganze Familie am Samstag Abend traf, um gemeinsam “Wetten Dass” zu zelebrieren. Mit dem Privatfernsehen bekam die Art des Genusses schon einen leichten Dämpfer. Durch die Menge an Werbung war man schon fast gezwungen, die Serien auf Video zu bannen. Und da man so bereits verzögert schauen konnte, konnte man auch mehrere Folgen hintereinander konsumieren… das Unheil nahm seinen Lauf. Die einzige rituelle Handlung stellt heute das Durchforsten der “Andere sahen auch”-Liste dar. Die Vorfreude bleibt auf der Strecke.
Ähnlich erging es dem Hörgenuss. Wie lange wartete man damals auf die Folgescheibe seiner Lieblingsgruppe, um sie direkt nach Erscheinen so lange zu hören, bis man textsicher genug für ein Konzert war. Man bemaß noch die Qualität der Seite A gegenüber der Seite B – und nicht jede Schallplatte konnte hier überzeugen. Brauchte man musikalische Unterhaltung, so galt es zwischen verschiedenen Schallplatten physikalisch auszuwählen. Es ist und bleibt ein Unterschied, ob man einen Doppelklick auf eine Datei macht oder wirklich die Hülle in die Hand nehmen und entfernen muss. Und auch hier ergibt sich durch die vollständige Industrialisierung ein ständiger Strom an Konsum – der Name “Streaming” deutet es ja an. Die Playlist wird von Algorithmen erzeugt, Musik rauscht nur noch als konstante Welle. Damit die einzelnen Lieder der Top 10 auch zueinander passen, haben die Produzenten eine Zauberformel gefunden, die besagt: wenn die Melodie auf einer bestimmten Notenfolge basiert, ist ein Hit wahrscheinlicher. Und das Radioprogramm wird immer eintöniger, und man sieht sich immer häufiger wegen Copyrightverletzungen vor Gericht wieder.
Auch hier führt die Überflutung durch ein zu großes Angebot zu einer wahl- und zügellosen Auswahl. Die nächste Folge einer beliebigen Serie ist nur einen Klick entfernt, das nächste passende Musikstück folgt sogleich. Wie soll man auf diese Weise das Werk eines Komponisten oder Regisseurs schätzen lernen, wenn es die Aufmerksamkeit für 3 bzw. 40 Minuten an sich zieht und sofort ersetzt wird?
Ständige Bezahlbarkeit
Ein weiteres Bonmot meiner Großmutter lautet: “Ich habe noch nie Schulden gehabt. Wenn ich etwas wollte, habe ich so lange gespart, bis ich das Geld zusammen hatte”. Heutigentags undenkbar. Der Kühlschrank ist kaputt? Kein Problem, dank Nullprozent-Kredit! Es muss der neueste Fernseher sein? Kaufen Sie jetzt, zahlen sie irgendwann! Durch die Wende in der Zinspolitik der Notenbank wurde das gesamte Spar- und Kreditwesen umgekrempelt. Niemand kann mehr recht für die Zukunft sorgen, Sparen wird unmöglich gemacht. Das Geld soll ja arbeiten, es muss zum Wachstum beitragen.
Das führt letztendlich zur Altersarmut in fast allen Schichten, es führt aber auch zu den Auswüchsen bei des Deutschen liebstem Kind: dem Auto. Auch hier überschlagen sich die Händler mit Angeboten: leasen sie jetzt, schon ab 99€ im Monat! Früher war ein Automobil ein Traum, für den es lange zu arbeiten galt. Mitunter war das Modell eines bestimmten Sportwagenherstellers auch unerreichbar. Mittlerweile wurden gefühlt 75% aller PKW durch die neuesten SUV ersetzt, viele auch in Ausführung einer früheren englischen oder amerikanischen Luxusmarke. Da es sich aber jeder leisten kann, wie kann man sich von anderen absetzen? Es geht nur durch höher, breiter, wuchtiger. Es werden Geländewagen gefahren, die gar nicht ins Gelände können. Es werden Modelle gefahren, die eigentlich in die Weiten der amerikanischen Highways gehören, auf Straßen, die dafür gar nicht breit genug sind.
Durch die Politik sogar noch mit Abwrackprämien unterstützt, wird auch auf diesem Sektor die Wegwerfmentalität gefördert. Die Wirtschaft muss brummen. Es kann keine Verzögerung, kein Sparen stattfinden. Es ist nicht mehr möglich, sich mit einer Errungenschaft zu identifizieren, weil man sie sich endlich leisten konnte. Folglich befriedigt das Konsumgut auch nur für kurze Zeit. Man wird rastlos, unglücklich, unzufrieden.
Wachstum
Es wäre wünschenswert, wenn wir am Beginn eines großen Umschwungs stünden. Was zu Beginn der Pandemie noch so hoffnungsvoll klang – endlich haben wir Zeit in uns zu gehen, verbunden mit Entschleunigung und Rückbesinnung – klingt mittlerweile wie zuvor. Unser Wirtschaftsminister freut sich, dass der Einbruch der Wirtschaftsleistung doch nicht so gravierend sei, und er hofft, das Wachstum erreiche im nächsten Jahr wieder neue Höchststände. Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass die Ressourcenverschwendung weitergeht wie bisher.
Dabei wird die Nützlichkeit dieses Wachstums an keiner Stelle hinterfragt. Aus welchem Grund sollte ein Beförderungsdienstleister ein Wachstum erzeugen? Sollte der Daseinszweck der Deutschen Post AG nicht darin bestehen, kostendeckend Briefe und Pakete möglichst noch am nächsten Tag auszuliefern – wie es jahrzehntelang der Fall war? Wäre nicht allen geholfen, wenn die Deutsche Bahn AG dafür sorgt, pünktlich die Fahrgäste abzuholen und ans Ziel zu bringen, mit funktionierenden Zügen und verlässlichem Gleiswerk? Wer hat sich diesen Unsinn ausgedacht, dass beide Staatsunternehmen nur einigen wenigen einen Gewinn in Form einer Dividende bringen sollten?
Und dieses Hinterfragen sollte überall stattfinden. Stellen werden gestrichen um Milliarden einzusparen – warum? Um die Gewinne in die Höhe zu treiben? Das ist – mit Verlaub – absurd. Während um uns herum die Wälder brennen, die Insekten sterben, die Arbeiter entlassen werden, zeigt ein einzelner Computer statt 2,1 Milliarden nun 2,2 Milliarden an. Womöglich noch bei einer Privatperson, die solch eine Summe zu Lebzeiten niemals ausgeben kann. Um es noch einmal zu wiederholen: das ist absurd.
Ausblick
Es bleibt zu hoffen, dass die Unzufriedenheit der Menschen nicht die Grundfeste unserer Demokratie angreift, so wie sie es bereits in vielen anderen Ländern getan hat. Aber selbst wenn es nicht der umsichgreifende “Patriotismus” ist, es wird die Zeit kommen, an dem auch bei uns der eigene Staat wieder an erster Stelle stehen wird – wenn das Wasser knapp wird. Die Flüchtlingswelle hat bereits gezeigt, dass man nicht gewillt ist, den eigenen Wohlstand mit Bedürftigen zu teilen. Die anhaltenden Dürreperioden lassen darauf schließen, dass diese Zeit gar nicht mehr so fern ist. Und die Wissenschaftler bestätigen, dass durch die Erderwärmung ein großer Teil an Landfläche unbewohnbar wird. Somit treffen schwindende Ressourcen, Flüchtlingsströme, sowie unzufriedene Menschen aufeinander – die Geschichte der Menschheit zeigt leider, dass das noch nie eine gute Kombination war.
Das streben nach Status Symbolen ist doch total normal. Wie sonst will man als Mann die ganzen hübschen Frau von sich überzeugen ?
Durch Armut ganz sicher nicht ! Da muss man schon was zu bieten haben, egal ob SUV oder Porsche oder den Garten mit coolem Party Pool !
Haste Nix dann biste nix so funktioniert das nunmal in unserer Gesellschaft. Und ach ja bevor ich es vergesse: Nice Guys finish last !
Ein verantwortlicher Lebensstil wird doch mit Verachtung bestraft, das ist uncool folglich will das dann im Grunde auch niemand.