Heute um 15:26 erreichte uns über das Redaktionspostfach folgende Erklärung von Manuel Wolf zu seinem Rücktritt aus dem Bundesvorstand der Piratenpartei Deutschland. Es ist uns eine Ehre, diese Erklärung unverändert und umgehend zu veröffentlichen.
Vielen Dank für deine Arbeit, Manuel, es ist sehr sehr schade aber wir können dich gut verstehen!
Liebe Piraten, ich möchte euch darüber informieren, dass ich am 03.12.2021 von meinem Posten im Bundesvorstand mit sofortiger Wirkung zurückgetreten bin.
Die Gründe für meinen Rücktritt
Ich hatte mich als Kandidat zur Wahl gestellt, weil ich die Partei auf Bundesebene besser kennenlernen wollte. Ich hatte mir erhofft, Piraten aus ganz Deutschland kennenzulernen und einen Austausch anzustoßen. Ich wollte den Vorstand erlebbarer für andere machen und so vielleicht auch neue Menschen motivieren, über ihre kommunale Arbeit hinaus tätig zu werden.
Diese Wünsche und Ziele haben sich jedoch nicht erfüllt und auch meinen Ansprüchen an mich selbst konnte ich nicht gerecht werden.
Woran lag das? Ich habe für mich mehrere Gründe gefunden:
Zum einen herrschte innerhalb der Vorstandsgruppe von Beginn an eine angespannte Atmosphäre, ich habe immer wieder kleine und große Ausbrüche äußerst negativer Gefühle erleben müssen. Es gab Schuldzuweisungen, Unterstellungen oder allgemeines Misstrauen; nicht unbedingt mir gegenüber sondern innerhalb der ganzen Gruppe. Meine Kritik darüber habe ich den Vorstandskollegen immer wieder inner- und außerhalb der Sitzungen kundgetan, eine spürbare Änderung konnte ich nicht feststellen. Mit dieser Kritik war ich nicht allein, auch von extern wurden uns diese Eindrücke immer wieder geschildert, inklusive ihrer negativen Wahrnehmung.
Zum anderen sind da die Grabenkämpfe in der Piratenpartei im Allgemeinen, welche bis hinauf in diesen BuVo geführt wurden. Diesen fallen sowohl ich als auch andere immer wieder zum Opfer. Das geschieht meist in aller Öffentlichkeit, von Menschen, von denen ich annahm, dass sie mit mir, dem restlichen Vorstand und der Partei insgesamt an einem Strang für den Erfolg der Piraten ziehen sollten. Und für eine Partei, die sich in Lager aufteilt, welche sich nicht sachlich-inhaltlich sondern ausschließlich persönlich und häufig auch unter der Gürtellinie streiten, kann und möchte ich mein Gesicht nicht länger als Vorstand zur Verfügung stellen.
Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht und anderen Vorständen meine Gedanken mitgeteilt, zum Teil schon vor Monaten. Doch mein Entschluss steht fest. Dass mein Austritt die verbleibenden Vorstände belasten wird, ist mir bewusst und ich entschuldige mich dafür von Herzen. Ich bitte alle Piraten um Verzeihung, insbesondere die, die mir bei der Wahl im Frühjahr ihre Stimme gaben und ihr Vertrauen in mich setzten.
Ich werde definitiv Mitglied der Piratenpartei bleiben und ich werde weiter aktiv für diese kämpfen, aber nicht innerhalb der aktuellen Strukturen auf Bundesebene. Hier in Dresden und Sachsen kann ich – trotz auseinandergehenden Meinungen – auf Augenhöhe mit allen sprechen. Und genau diesen konstruktiven Dissens brauche ich als Motivation.
Eines noch
Das Folgende ist eine Bitte, ein Appell, ein Aufruf… nennt es, wie ihr wollt. Doch bevor ihr weiterlest, bitte ich euch um einen Moment der Konzentration auf euch selbst: Bitte nehmt die folgenden Worte so neutral wie möglich auf: Wir, die Gemeinschaft der Piraten in Deutschland, haben einige Probleme.
- In unserer Partei gibt es mehrere verschiedene Strömungen (Flügel, Lager, was euch am besten gefällt) und diese reiben sich unablässig aneinander. Und wäre diese Reibung ausschließlich inhaltlicher Natur, dann könnten wir so viel gemeinsam erreichen. Dies ist leider nicht der Fall. Häufig sind wir thematisch gar nicht weit auseinander, allerdings haben manche Gruppen gegenüber anderen ein solches Feindbild entwickelt, dass eine Kommunikation auf sachlicher Ebene gar nicht mehr stattfinden kann. Es entsteht der Eindruck, dass Person A grundsätzlich verurteilt, was Person B von sich gibt – und umgekehrt.
- Öffentlichkeit und Transparenz ist ein Grundanliegen der Piratenpartei, seit jeher. Es liegt daher auf der Hand, dass sich viele von uns öffentlich über politische Themen austauschen, sei es in den sozialen Medien oder auch diversen Kommunikationskanälen der Partei. Es ist jedoch wenig hilfreich, sich bei diesen Auseinandersetzungen mit mehr oder weniger suggestiven Unterstellungen, Anfeindungen, Beleidigungen oder anderweitig destruktivem Verhalten zu begegnen. Für viele Personen, die sich für die Piratenpartei interessieren, diese kennenlernen oder unterstützen wollen, sind genau diese Medien und Kanäle der erste Anlaufpunkt – und für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance.
- Je überzeugter ein Mensch ist, umso anfälliger wird er für Doppelmoral. Für ein ernsthaftes politisches Auftreten ist die jedoch Gift. Ein Beispiel: Der Bundesvorstand trifft den Beschluss A, worauf es eine große Aufregung gibt, denn wie kann sich diese kleine Gruppe herausnehmen, eine so wichtige Angelegenheit stellvertretend für die gesamte Partei zu fällen?! Eine valide Frage. Wenn sich der Bundesvorstand wenige Monate später jedoch darauf verständigt, dass Beschluss B nicht gefällt werden sollte, weil sie in der wichtigen Angelegenheit nicht für alle Piraten sprechen können, dann erfolgt oftmals von den gleichen in Beispiel A genannten Personen der Seufzer, der BuVo müsse diesen Beschluss unbedingt treffen, weil er so wichtig ist. Diese Doppelmoral erfolgt nicht nur im Hinblick auf die Tätigkeit der Bundesvorstände, sie zieht sich durch die gesamte Kommunikation der Partei. Unsicherheit und Demotivation sind nur zwei der Folgen.
- Viele Piraten äußern regelmäßig Kritik darüber, dass die Bundesebene, ihre AGs und die Beauftragten zu wenig Output produzieren, dass zu wenig vorangehe. Gleichzeitig beklagen die Bundesebene, ihre AGs und Beauftragten, dass zu wenig Input komme, dass die Beteiligung fehle.
Diese vier Punkte lasse ich jetzt einfach mal stehen, denn die Schlüsse sollte jede und jeder individuell für sich daraus ziehen.
Liebe Grüße, Manuel
Lieber Manuel,
vielen Dank für deine Sicht der Situation im Vorstand der Piratenpartei. Ich hoffe, dass es Anregung ist zu einem besseren Umgang miteinander.
Ich finde deinen Beitrag gut und bedaure deinen Rücktritt, obwohl du sonst nicht so in meinem Gesichtsfeld lagst.
Günter, Beisitzer im Vorstand der Piraten in Hamburg
Transparenzinformation:
Ich habe einen Kommentar eines ehemaligen Mitgliedes, der genau dies Art von ad hominem und Hass beinhaltete, nicht freigeschaltet sondern gelöscht.
Sperling
Danke Manuel, ich hoffe die anderen nehmen sich zu Herzen was du sagst.