Extrablatt:
Diese Woche sind Manuel Wolf und Joachim Rotermund aus dem Bundesvorstand zurückgetreten. Von Manuel Wolf gibt es dazu eine persönliche Erklärung.
Und diese Erklärung hat es in sich.
Zitat:
Zum einen herrschte innerhalb der Vorstandsgruppe von Beginn an eine angespannte Atmosphäre, ich habe immer wieder kleine und große Ausbrüche äußerst negativer Gefühle erleben müssen.
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Zum anderen sind da die Grabenkämpfe in der Piratenpartei im Allgemeinen, welche bis hinauf in diesen BuVo geführt wurden. Diesen fallen sowohl ich als auch andere immer wieder zum Opfer. Das geschieht meist in aller Öffentlichkeit, von Menschen, von denen ich annahm, dass sie mit mir, dem restlichen Vorstand und der Partei insgesamt an einem Strang für den Erfolg der Piraten ziehen sollten. Und für eine Partei, die sich in Lager aufteilt, welche sich nicht sachlich-inhaltlich, sondern ausschließlich persönlich und häufig auch unter der Gürtellinie streiten, kann und möchte ich mein Gesicht nicht länger als Vorstand zur Verfügung stellen.
Ende Zitat.
Hier offenbart sich ein Problem, das ich schon seit relativ langer Zeit sehe. Es manifestiert sich im Forum, in den diversen Kommunikationskanälen und wird so auch in die verschiedenen Vorstandsebenen getragen. Und ein Problem dieses Problems ist, dass sich niemand traut, dieses Problem korrekt zu benennen.
Von Trollen und Mobbern
Es handelt sich hierbei um Trollen und Mobben! Das ist heutzutage leider eine weitverbreitete Unart, und leider ist auch die Piratenpartei dagegen nicht gefeit.
Was mich persönlich aber sehr stört, ist, dass auch so gut wie keine Versuche unternommen werden, dagegen vorzugehen.
Ein Problem totzuschweigen löst das Problem nicht. Man muss es benennen und dagegen vorgehen, nur so kann man dem Problem Herr werden. Die Coronakrise zeigt gerade überdeutlich, was passiert, wenn man Trolle und Mobber gewähren lässt. Ich persönlich bin ein Verfechter der diesbezüglichen Nulltoleranz. Und dafür gibt es sehr viele Gründe.
Ein Grund ist für mich, dass ich glaube, dass solche Menschen nicht in die Politik gehören. Jemand, der seinem eigenen Parteikollegen so etwas antut, also Menschen, die man persönlich kennt, mit denen man in einer Organisation ist, mit denen man also eben an einem Strang ziehen sollte, was macht so jemand erst mit Menschen (z.B. Wählern), die er eben nicht persönlich kennt.
Dieses unsachliche, dieses persönliche diskreditieren und diffamieren, ist etwas, wofür ich überhaupt kein Verständnis habe. Und Wähler, die so etwas in aller Öffentlichkeit miterleben, wenden sich entsetzt ab. Ich versuche, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis schon lange nicht mehr Werbung für die Piraten zu machen, nachdem mir unser Forum quasi um die Ohren gehauen wurde.
In einer Partei mit mehreren tausend Menschen kann niemand erwarten, dass alle in allen Punkten identische Meinungen und Vorstellungen haben. Sowas ist absurd. Dann aber andere bis aufs Blut zu bekämpfen, nur weil diese nicht mit einem übereinstimmen, ist falsch. Vorstände werden gewählt. Das ist ein demokratischer Entscheid. Der ist zu akzeptieren. Und zwar bedingungslos. Wir sind Demokraten! Wären wir das nicht, wäre ich, und sicher viele andere auch, nicht mehr in dieser Partei.
Andere Vorstände, die extra zu Parteitagen anderer Verbände kommen, um Unterstützer zu suchen, damit man gemeinsam einzelne oder auch mehrere Bundesvorstände angehen kann, sind mir mehr als nur suspekt.
Wer nicht in der Lage ist, sachlich zu diskutieren und auf persönliche Angriffe zurückgreifen muss, dem muss Einhalt geboten werden. Dazu braucht es Regeln, in denen solche Fälle genau benannt werden! Und es braucht Menschen, die dann solche Regeln auch durchsetzen.
Vorstandswahlen
Es gibt noch einen Punkt, den ich nicht verstehe. Bei einer Wahl stellt man sich zur Verfügung, wenn z.B. der bisher Amtierende nicht mehr antritt. Da der Posten ja jetzt vakant ist, kann sich hier jeder bewerben, und es gilt das Motto, möge der/die Bessere gewinnen.
Wenn aber der Amtierende wieder antritt, schränkt das die Gründe relativ dramatisch ein. Denn jetzt tritt man an, weil der Amtierende entweder schlecht ist, sehr viele Fehler gemacht hat, oder weil man glaubt, man selbst kann es besser. Andere Gründe kann ich nicht wirklich erkennen. Eventuell gibt es noch den Grund, dass man selber antritt, um einen anderen, wesentlich Ungeeigneteren zu verhindern, der sonst, da konkurrenzlos, gewählt worden wäre. Aber schon dieser Grund ist zumindest problematisch. Allerdings weiß ich, dass es andere Gründe gibt.
Ich gebe zu, ich habe das Mittel „Kandidaten grillen“ bisher nur wenig und nicht wirklich gut genutzt. Denn tatsächlich kann man da ja vieles hinterfragen. Das habe ich bisher nicht ausreichend in Anspruch genommen. Ich bin aber selber auch noch nie auf die Idee gekommen, mich für verschieden Ämter zu bewerben, um ganz sicher in einen Vorstand gewählt zu werden. Ich würde mich auch nie z.B. als Schatzmeister bewerben. Das ist nicht meins und wird es nie sein! Das muss man können und wollen. Ich kann Ersteres nur halb, und Zweites gar nicht.
Hier müssen wir, die wir hier ja selber Wähler sind, uns selber an die Nase fassen und uns zu Recht fragen, wieso wir sowas zulassen. Auch in einem Vorstand sollte Qualität an erster Stelle stehen. Zu meinem Bedauern, habe auch ich schon Menschen gewählt, die sich später als Irrtum oder sogar Fehler herausgestellt haben. Aber aus solchen Fehlern kann man ja nur lernen. Ich erinnere mich an die ersten größeren Parteitage, wo ein älterer Pirat speziell beim „Kandidaten grillen“ ständig ans Mikrofon ging. Damals habe ich gedacht, boah, was lästig. Was ein Querulant. Heute muss ich mich dafür entschuldigen und eigentlich sogar bedanken. Denn diese Fragen sind wichtig! Vielleicht sollten wir bei der Vergabe unserer Stimmen in Zukunft etwas anspruchsvoller sein. Und viele Kandidaten kann man ja schon vorher befragen!
Ich werde mir in Zukunft die Mühe machen, und das stellvertretend für viele über die Flaschenpost machen.
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.
Gute Analyse.
Nur weil du nicht gewählt wurdest, möchtest du anzweifeln das es legitim ist das sich andere Personen zur Wahl stellen?
prinzipiell gebe ich dir Recht, das Mobbing und Trollen nicht in Ordnung ist. Doch was ist jetzt der Troll/Mobber? Der Gewählte oder der Verschmähte?