Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
42 ist die Antwort eines Supercomputers auf die Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“ aus dem Science-Fiction-Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams. Im Prinzip soll die Antwort verdeutlichen, dass die Frage zu vage war und es deswegen keine befriedigende Antwort gibt.
Nun ist das ASCII-Zeichen 42 in der Computerwelt das Zeichen für *. Es wird als Joker, als Platzhalter verwendet. Und in heutiger Zeit auch als sogenanntes „Gendersternchen“.
Und auch hier ist die Frage zu vage und das Gendersternchen wohl nicht die Lösung.
Das Problem
Frauen werden in unserer Gesellschaft noch immer nicht als gleichwertig angesehen. Noch immer werden sie schlechter bezahlt, noch immer traut man ihnen weniger zu, und noch immer dürfen sie z.B. nicht über Ihren eigenen Körper entscheiden und noch immer werden Frauen getötet (Femizide), einfach, weil sie Frauen sind und damit nichts wert.
Die Frage
Wie löst man das Problem?
Die Antwort
42, das Gendersternchen.
Allerdings wissen wir schon aus dem Roman von Douglas Adams, dass die 42 sehr unbefriedigend ist. Und auch das Gendersternchen ist in keiner besseren Lage. Das Gendersternchen hat den Focus eben auf das Problem gelenkt.
Lösen kann es das aber nicht. Denn die Lösung ist nicht in einer anderen Schreibweise zu finden, sondern muss in den Köpfen der Menschen sein. Dazu muss schon die Erziehung geändert werden, den sie zementiert dieses Bild. Auch meine Mutter hat mir noch gesagt, dass Männer nicht weinen. Dass ich der Mann in der Familie wäre, wenn mein Vater nicht da ist und ich dann meine Schwester beschützen müsste. Rückblickend betrachtet war das jetzt nicht wirklich schlimm und hat auch alles andere als ein negatives Frauenbild bei mir geschaffen. Aber, obwohl meine Mutter ganz klar zu Hause und auch sonst das Sagen bei uns hatte, zeigt es, dass selbst sie nicht frei von solchen Vorurteilen war. Und letztendlich geht es genau darum, den Abbau von Vorurteilen.
Das männliche Generikum zu verbieten und darüber mit einer Inbrunst zu streiten, als wenn die Welt davon abhinge, habe ich noch nie verstanden. Und lösen wird es nichts. Das Problem sind wir, sind die Bilder in unserer Gesellschaft und wie wir unsere Kinder erziehen. Wie mache ich einem Kind klar, dass ein Mädchen genauso viel „Wert“ ist wie ein Junge, wenn ich Frauen gleichzeitig verbiete, eine Abtreibung vorzunehmen.
Wie erklärt ein Gendersternchen, dass eine Frau für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommt wie ein Mann? Gar nicht. Ich halte es für sehr gut, dass wir unser Augenmerk eben auf genau solche Probleme in unserer Gesellschaft lenken. Aber langsam wird es Zeit, nach Lösungen zu suchen. Sonst kann es uns so ergehen, wie der Erde in Douglas Adams Roman, die schließlich abgerissen wurde, weil sie einer geplanten Hyperraum-Umgehungstraße im Weg ist.
Es gibt noch ein vergleichbares Problem mit ähnlichem Lösungsansatz.
Das Problem 2
Die Ungleichbehandlung von Menschen, die nicht weiß sind.
Die Frage
Wie löst man das Problem?
Die Antwort 2
Statt einem Gendersternchen erfindet man neue Namen.
Ich hatte meine erste Begegnung mit einem „Neger“ im Alter von 7 Jahren mitten in West-Berlin, als die Amerikaner ein Manöver abgehalten haben und ich frisch aus der Schule kommend einem schwarzen Soldaten quasi in die Arme gelaufen bin. Ich hatte noch nie vorher einen Schwarzen gesehen und war schwer beeindruckt von dem Riesen. Allerdings war ich für mein Alter damals sehr klein, und es kann also gut sein, dass er nur ganz normal groß war. Trotzdem beeindruckend. Als ich dann nach Hause kam, habe ich genau dieses Wort verwendet. „Ich habe einen Neger gesehen!“ Von Rassismus war ich da ungefähr so weit entfernt, wie das heute der Gipfel des Mount Everest für mich ist. Könnte daran gelegen haben, dass ich noch gar nicht wusste, was das ist. Natürlich habe ich später gelernt, was Rassismus ist, wie er sich auswirkt usw. Ich habe sogar mal neben einer amerikanischen Wohnsiedlung in Berlin gelebt, und dort mit den Soldaten zusammen manchmal Basketball gespielt. Klar ist, Rassismus ist auch in unserer Gesellschaft noch immer ein heftiges Problem. Was umso mehr verwundert, als wir ja schon längst wissen, dass eine andere Hautfarbe absolut keinen Einfluss hat auf die Intelligenz.
Leider ist auch hier der Lösungsansatz neue Namen (PoC = Person of color, BiPoC = Black, Indigenous, and People of Color) zu erfinden, nicht wirklich hilfreich. Denn auch hier gilt, nicht die Schreibweise muss sich ändern, sondern in den Köpfen der Menschen muss sich was ändern. Und auch hier ist die Erziehung gefragt, auch hier sind es manchmal die Bilder. So wurden z.B. zum Anfang der Corona-Pandemie gerne Bilder mit asiatisch aussehenden Menschen von Verlagen und in den Social Mediakanälen verwendet, um einen Zusammenhang mit Chinesen herzustellen. Jetzt z.B. wurde die Variante Omikron in Südafrika entdeckt, allerdings eben nur entdeckt, der Ursprung liegt dort nicht! Und doch haben einige sofort zur Bebilderung von Omikron schwarze Menschen verwendet.
Fazit
In den Köpfen der Menschen etwas zu ändern ist sehr schwer. Steter Tropfen höhlt den Stein, ist sicher nicht verkehrt. Sich aber alleine darauf zu verlassen, dass man ein paar Wörter ändert und schon ist alles gut, dürfte wohl eher sehr „blauäugig“ (blauäugig = in kindlicher, weltfremder Weise vertrauensvoll, alles ohne Weiteres glaubend) sein. Alles, was fremd ist, ist uns suspekt.
Ich weiß nicht, wo das herkommt. Aber es wird Zeit, dass wir erkennen, dass die Erde eine Kugel ist, mit verschiedenen Hautfarben und Religionen. Bis dahin sind Dinge wie Gendersternchen und PoC sicher eine Methode, um den Focus auf diese Probleme zu lenken. Andere aber gleich anzugreifen, nur weil eben nicht gegendert wurde oder statt PoC Schwarzer verwendet wurde, ist absolut nicht hilfreich. Die dabei teilweise verwendeten Unterstellungen habe ich schon immer für außerordentlich albern gehalten. Es gilt das Gesamtbewusstsein zu ändern, und das ist ein wohl sehr langer und schwerer Weg.
Der Homo Sapiens ist noch längst nicht so vernunftbegabt, wie wir uns das einbilden!
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.