
Egal ob man sich auf Twitter umhertreibt oder Facebook. Egal ob es Signal, Threema, Whatsapp, Mumble oder Telegram ist. Oder ein Forum, Lattenrost, Matrix oder welches Tool auch immer uns einfallen mag. Wir nutzen sie zu Kommunikation. Kommunikation mit potenziellen Interessierten an den Positionen und der Arbeit der Partei. Aber eben auch zur internen Kommunikation. Unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Community-Channel handelt (Beispiel Telegram), einen Austausch in einer bestimmten Arbeitsgemeinschaft oder Diskussionsrunden mit Bundesvorständen (Mumble).
Ein verbindender Faktor ist allen Kanälen und Tools gleich: Wir kommunizieren mit Menschen. Mal mit ihnen. Mal über sie. Mal gegen sie.
Nicht umsonst geben „wir“ uns Netiquette, oder Leitlinien oder versuchen das in eine Art Kodex zu pressen.
Im Grunde versuchen wir das irgendwie festzuschreiben, was aufgrund der Individualität der Menschen nicht wirklich standardisierbar ist. Nach außen mag man sich daran noch irgendwie halten, aber nach „innen“ wird es dann schon etwas schwieriger.
Dies liegt unter anderem auch daran, dass die sogenannten sozialen Kompetenzen bei jedem oder jeder von uns sehr heterogen ausgeprägt sind. Das ist für sich allein betrachtet kein großes Problem, denn wir Menschen zeichnen uns ja nicht nur bei den sozialen Kompetenzen durch eine hohe Heterogenität aus. Warum spielen dann aber soziale Kompetenzen eine so große Rolle, selbst wenn wir engagiert diskutieren? Ist uns die soziale Kompetenz zeitweise abhandengekommen?
Wikipedia bringt uns mit seiner Definition etwas näher, worüber genau wir denn da reden:
Soziale Kompetenz (englisch: social skills), häufig auch Soft Skills genannt, ist die Gesamtheit individueller Einstellungen und Fähigkeiten, die dazu dienlich sind, eigene Handlungsziele mit den Einstellungen und Werten einer Gruppe zu verknüpfen und in diesem Sinne auch das Verhalten und die Einstellungen dieser Gruppe zu beeinflussen. Soziale Kompetenz umfasst eine Vielzahl von Fertigkeiten, die für die soziale Interaktion nützlich bzw. notwendig sind. Ein zuweilen mit ihr gleichgesetzter Teilaspekt der sozialen Kompetenz ist dabei die sogenannte soziale Intelligenz als „Fähigkeit, andere zu verstehen sowie sich ihnen gegenüber situationsangemessen und klug zu verhalten“.[1]
Wir sprechen hier also von individuellen Fähigkeiten, nicht von irgendwelchen abstrakten Fähigkeiten, die obskure Parteigliederungen haben sollen. Individuelle Fähigkeiten bedeuten in diesem Zusammenhang eben auch, dass auch ein Bundesvorstand als Gruppe keine eigenen „Softskills“ haben kann, sondern sich aus den individuellen Kompetenzen der jeweiligen Mitglieder:innen zusammensetzt. Dies nur einfach als Einstieg, da wir uns die einzelnen Softskills nun näher anschauen. Und nein, ich schaue jetzt mal nicht auf die Softskills, die man beim Umgang mit sich selbst definiert, sondern eher auf die Skills, die notwendig sind, um in einer politischen Partei etwas voranzubringen.
Im Umgang mit anderen:
- Achtung
- Hilfsbereitschaft
- Anerkennung
- Empathie/Perspektivenübernahme (Mitgefühl bzw. Einfühlungsvermögen)
- Kompromissfähigkeit
- Recht durchsetzen können
- Menschenkenntnis
- Kritikfähigkeit
- Wahrnehmung
- Toleranz
- Respekt
- Sprachkompetenz
- Interkulturelle Kompetenz
- Zivilcourage
Schau an. Neben vielen Begriffen, die wir tagtäglich in der Partei üben, finden wir natürlich auch einige, die uns in den letzten Wochen abhandengekommen sind. Oder es zumindest so scheint, als wären sie abhandengekommen. Insbesondere im Umgang mit Anderen. Im Umgang mit Menschen, die nicht unserer Meinung sind (meiner Meinung sind). Im Umgang mit Meinungen, die uns nicht in das persönliche Bild oder die persönliche Meinung oder die individuelle Wahrnehmung zu bestimmten politischen Themen oder Vorgängen passen. Mit Gruppen oder Gliederungen der Partei, die nach „unserer Meinung“ nicht das tun, was sie tun sollen. Oder nicht schnell genug. Oder gar nichts tun.
Was uns dabei scheinbar am schnellsten abhandengekommen ist, ist vornehmlich die Fähigkeit zur Kritik und zum Umgang damit. Kritik zu üben ist eine der Sachen, die Menschen seit Menschengedenken tun. Nicht neu. Kritik ist, neben der Neugierde, eine der Triebfedern der menschlichen Entwicklung. Wir wissen das. Wir wenden das an. Wir teilen Kritik aus. Mal betrifft Kritik auch uns selbst. So ist das Leben.
Nur was uns scheinbar immer weiter abhandenkommt, ist die Kritikfähigkeit. Kritikfähig? Bin ich! Wird wohl jeder für sich in Anspruch nehmen. Doch wann genau das so ist, warum sind wir dann in einer Situation wie jetzt? Warum toben sich ein Shitstorm nach dem anderen über Twitter. Warum sind manche thematische Mailinglisten übersät von nichts anderem als sinnfreien Genörgel gegen Einzelne, gegen Gruppen, gegen Strukturen. Wieso eskalieren in schöner Regelmäßigkeit Mumble-Sitzungen mit Funktionsträgern, insbesondere dem Bundesvorstand?
Nein, wir haben die Fähigkeit zur Kritikfähigkeit nicht verlernt. Wir über Kritik, wir stecken Kritik ein. Nichts Neues. Doch was uns allen wohl ein bisschen fehlt, ist die Fähigkeit Kritik zu formulieren und auch Kritik anzunehmen.
Kritikkompetenz – eine unterschätzte (soziale) Kompetenz
Kritikwas ….?
Die erlernte Fähigkeit, Kritik nicht als Angriff gegen die eigene Person, sondern als nützlichen Hinweis für Handlungsverbesserungen aufzunehmen, und die erlernte Fähigkeit, Kritik so zu üben und zu formulieren, dass sie anstatt zu kränken im Gegenteil motiviert, wird als Kritikkompetenz bezeichnet.
Und nun möge sich jede oder jeder fragen, ob persönlich beim Formulieren von Kritik gegen andere wirklich daran gedacht wurde, diese so zu formulieren, dass sie anstatt zu kränken wirklich motiviert. Und beim Entgegennehmen als Kritik wirklich immer respektiert wird, dass diese nicht gegen die eigene Person, sondern zur Optimierung/Verbesserung von #Dingen ist. Wenn man sich die letzten Wochen so anschaut, stellt man fest, dass auf allen Seiten, an allen Ecken und bei fast allen der handelnden Personen extremste Defizite bei der Kritikkompetenz gibt. Na klar, das schließt den Autor des Blogs mit ein. Keine Frage. 😉
Doch was können wir denn jetzt genau tun, um dieses Dilemma wieder aufzulösen?
Wir? Gefragt ist hierbei jede(r) Einzelne. Ich? Ja klar, DU auch. Du, der Leser oder die Leserin dieses Beitrags. Du musst nicht mit dem, was ich in diesem Blog schreiben einverstanden sein. Das erwarte ich nicht. Aber Du darfst natürlich erst einmal Deine Anerkennung und Deinen Respekt zum Ausdruck bringen, dass ich mich hinsetze und überhaupt etwas schreibe. Nein, nicht um Recht zu behalten, sondern um zum Nachdenken anzuregen, um etwas gemeinsam zu bewegen. Verdient das nicht Respekt und Anerkennung? Würdest DU selber Dir das nicht auch wünschen, wenn Du einen Blog schreibst? Na klar.
Sicher, Du darfst mir dann auch gern sagen, was ich vielleicht falsch sehe, dass ich mit dem Blogpost komplett falsch liege, dass es genügend Argumente gibt, die gegen meine Ansicht sprechen. Das darfst Du nicht nur, das sollst Du auch. Das bringt mich weiter, diese Kritik nehme ich dann gern an, denke darüber nach und vielleicht hast Du auch recht. Oder ich? Oder wir beide?
Ist das am Ende entscheidend? Nein. Im Sinne der Kritikfähigkeit und der Kritikkompetenz ist es das nicht. Es ist völlig egal wer am Ende des Tages von uns beiden recht hat.
Es ist entscheidend, dass Kritik so geübt wird, dass sie den anderen anspornt, dass sie ihn ermutigt, Dinge beim nächsten Mal anders zu machen. Besser zu machen. Oder aber dem oder der Kritisierenden zeigt, dass er/sie mit seiner/ihrer Kritik auch mal falsch liegen kann.
Es ist wichtig, dass Du und Ich uns mit gegenseitigem Respekt und Achtung begegnen, trotz aller unterschiedlichen Ansichten. Und dass wir uns gegenseitig das Gefühl geben, dass es nicht um einen Angriff geht, sondern um das Vorankommen in der Sache.
Wenn wir uns trotz aller gegenläufigen Ansichten, trotz aller unterschiedlichen Meinungen, trotz aller Differenzen mit Achtung, Respekt und Kritikkompetenz begegnen, dann haben Shitstorms auch keine Chance mehr. Dann haben Lautsprecher keine Chance mehr. Dann haben wir alle die Möglichkeit, die Partei gemeinsam voranzubringen.
Eine Grundvoraussetzung dafür ist das „zuhören“, das verstehen wollen. Viel zu oft lesen oder hören wir etwas, ohne wirklich „zuzuhören“. Viel zu oft sind wir einfach auf „Angriff“ geeicht und vergessen dabei den anderen, seine Worte, seine Laute, seine Gestik, seine Zeilen aufzunehmen.
Wir sollten uns einfach wieder einmal zuhören. Etwas sehr schwieriges. Ich weiß.
Es wäre schön, wenn jede(r) Einzelne von uns wieder anfängt, dem Anderen wieder zuzuhören. Mit Respekt. Mit Achtung und Kritikkompetenz.
Nicht übermorgen. Nicht morgen. Sondern jetzt.