
Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk
Es gibt nichts Schlimmeres als jemanden, der an der Spitze steht, und der dann aber zaudert. Das ist insofern interessant, als Olaf Scholz der Mann ist, der den Brechmitteleinsatz (mit Todesfolge) [1] angeordnet hat, und dem wir die wohl härteste Vorgehensweise deutscher Polizisten gegen Demonstranten (G20 Gipfel in Hamburg) [2] in Deutschland zu verdanken haben.
Und jetzt ist da ein Zauderer, einer der Fragen von Journalisten nicht beantwortet, der Angst hat eine Entscheidung zu treffen, weil die vielleicht falsch sein könnte. Wo war all diese Angst, als er noch kein Kanzler war? Da schreibt ein Abgeordneter der CSU auf Twitter Folgendes:
Thomas Erndl
@TErndl
Der @Bundeskanzler
sagt mir in der Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses, dass die Lieferung von #Marder eine „furchtbare Eskalation“ wäre. Ernsthaft? Ein gepanzertes Fahrzeug, das täglich Leben schützen kann? Was steckt hinter dieser ängstlichen Politik des Bundeskanzlers?
Ich weiß nicht, ob das stimmt. Allerdings konnte ich bis jetzt keinen Widerspruch entdecken. Und da stellt sich mir dann doch die ein oder andere Frage.
Wie kann jemand, der noch 2017 so entschlossen vorgegangen ist, plötzlich so einbrechen? Betrachten wir einmal das Problem:
Der Ukrainekrieg
Am 24. Februar dieses Jahres überfällt Russland die Ukraine. Seitdem starben nach Schätzungen der Nachrichtenagentur Reuters mindestens 46000 Menschen. Mehr als 17 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Und das alles in einem Land mit 44 Millionen Einwohnern. Verursacht durch einen größenwahnsinnigen Diktator, der seit 1999 über Russland herrscht und der der ehemaligen Größe der Sowjetunion nachtrauert. Und der jetzt versucht, dieses ehemalige Weltreich wiederherzustellen.
Den ersten Anlauf dazu kann man getrost als gescheitert ansehen, denn die Ukrainer unter der Führung von Wolodymyr Selenskyj wehren sich unerwartet heftig und erfolgreich. Und so schreitet der Krieg, der ja genaugenommen schon 2014 mit der Annexion der Krim durch Russland begonnen hatte, fort. Und nachdem die Russen sich zwischenzeitlich sogar teilweise zurückziehen mussten, haben sie Ihre Taktik geändert. Mit Artillerie und Raketen werden Dörfer und Städte einfach Stück für Stück zerstört. Bilder, die mich an den Zweiten Weltkrieg erinnern, in denen man die Skelette von Häusern sieht. Ich bin in West-Berlin geboren und aufgewachsen und kenne noch die Lücken in der Bebauung, hervorgerufen durch Fliegerbomben. Jetzt sieht es so aus, als wenn genau so ein Krieg wieder läuft. Und es gibt nicht die kleinste Garantie, dass er mit der Ukraine endet.
Und dann ist da unser Bundeskanzler, der von einer furchtbaren Eskalation spricht. Damit meinte er die Lieferung der „Marder“ an die Ukraine.
Einem Schützenpanzer, dessen erste Entwürfe auf das Jahr 1959 zurückgehen, und der 1969 bestellt und 1971 in Dienst genommen wurde. Und der 2015 außer Dienst genommen wurde. Sein Nachfolger ist der Puma.
Derselbe Schützenpanzer, der gebraucht unter anderem nach Chile, Indonesien und Jordanien exportiert wurde. Ein Schützenpanzer ist in erster Linie zur Unterstützung und zum Schutz der Infanterie da. Er transportiert Soldaten und unterstützt sie im Kampf. Er lässt keine Bomben regnen, schießt keine Raketen ab.
Wo also liegt das Problem?
Ein Grund dürften sicher die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland sein. Hier hat sich speziell die SPD hervorgetan. Stellvertretend seien hier Gerhard Schröder und Manuela Schwesig genannt.
Die Angst, dass uns Russland den Krieg erklärt, ist es wohl eher nicht. Haben wir also wirklich Angst, nicht mehr heizen zu können oder keinen Sprit für unsere Autos zu haben?
Niemand glaubt das wirklich.
Aber vielleicht ist es ja die Angst, eine Entscheidung zu treffen, die eventuell Wähler kostet, weil es eben nicht von null auf gleich gelingt, die Gas und Öllieferungen eins zu eins ersetzen. Stattdessen lamentieren wir ein wenig herum, faseln von furchtbarer Eskalation und verschieben die Entscheidung so weit wie möglich nach hinten.
Fazit:
Ich bin die zweite Nachkriegsgeneration. Und ich habe gedacht, dass wir aus den vorangegangenen Kriegen gelernt haben. Leider ist dem nicht so. Dass es in Deutschland Menschen gibt, die in sogenannten offenen Briefen fordern, die Ukraine möchte doch bitte kapitulieren, damit der Krieg endet, finde ich erschreckend. Ein großes deutsches Fleischunternehmen, das an die Grenze zur Ukraine fährt, und dort versucht, Mitarbeiter für seine Fabriken anzuwerben, hat mich angewidert. Dass unsere jetzige Regierung, einschließlich ihres Bundeskanzlers, es nicht schafft, die Ukraine so zu unterstützen, wie das erforderlich wäre, ist peinlich und ich schäme mich dafür.
Allerdings bin ich in der Piratenpartei. Und wir haben einen Beschluss gefasst auf unserem Bundesparteitag am 11. – 12.06.2022.
Die Piratenpartei Deutschland verurteilt den russischen Überfall und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die deutsche Piratenpartei sagt, dass der Ukraine mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln Unterstützung (z.B. Waffenlieferungen schwerer Waffen) gewährt werden muss.
Deutschland, im Bewusstsein der eigenen Vergangenheit, muss sich eingestehen, dass die Politik der Annäherung und Zusammenarbeit mit dem Aggressor zu Ende ist. Und genauso konsequent wie Deutschland den friedlichen Weg gegangen ist, genauso konsequent müssen wir an der Seite unserer Bündnispartner handeln. Mit allem, was uns zusammen an der Seite unserer Partner an konventionellen Mitteln zur Verfügung steht. Denn unsere Vergangenheit hat die Welt gelehrt, was passiert, handelt man nicht.
PIRATEN sind überzeugt, dass alle Menschen das Recht haben, fair und gleichbehandelt zu werden. Die Gesellschaft hat die Rechte von Minderheiten zu respektieren. Wir werden uns jeder Form von Diskriminierung widersetzen und uns Gruppierungen entgegenstellen, die Menschenrechte und die Freiheit bekämpfen. Die Ukraine soll im Geiste unseres gemeinsamen Programms und unserer gemeinsamen Werten, in die Lage versetzt werden, mit allem, was nötig, ist, die Freiheit der Menschen in der Ukraine gegenüber der russischen Aggression zu verteidigen können. Der Parteitag bekräftigt die Ziele der Piratenpartei Deutschland aus dem gemeinsamen Grundsatzprogramm, dass Verteidigungspolitik durch gemeinsames Handeln mit Partnern und Verbündeten Stabilität schaffen und die Sicherheit in Europa gestärkt wird.
Die Piratenpartei Deutschland fordert den Bundesverband auf, diesen Beschluss zu unterstützen.
Das hilft natürlich nicht, da wir eben nicht in der Regierung sind, aber vielleicht hilft es ja Ihnen bei der nächsten Wahl!
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.