
Eine Kolumne von Ullrich Slusarczyk

Am 20.01.1942 treffen sich in einer Villa am großen Wannsee unter dem Vorsitz von Reinhard Heydrich mehrere wichtige Beamte und Funktionäre des Naziregimes. In der ca. 90-minütigen Sitzung werden folgenschwere Entscheidungen für mehr als 6 Millionen Menschen getroffen, die letztendlich zu ihrem Tod führen.
Am 25.11.2023 treffen sich diesmal diverse Neonazis. Darunter einige aus der AFD, aber auch aus der CDU sind einige gekommen. Das Treffen findet im Landhaus Adlon statt. Und auch hier werden Dinge besprochen, die das Leben von Millionen Menschen in Deutschland beeinflussen würden, wenn sie den umgesetzt werden würden.
Da ist von Remigration die Rede. Gemeint ist aber Vertreibung! Vortragender ist der identitäre Martin Sellner. Betroffen wäre viele Menschen, auch Deutsche. Und das alles völlig offen, nicht etwa versteckt in einem Hinterzimmer.
Ich will hier nicht auf die beiden Konferenzen im Einzelnen eingehen, das haben andere schon sehr gut gemacht, wie man in den Links nachlesen kann.
Mir stellt sich die Frage, was machen wir eigentlich dagegen? Also jeder für sich persönlich, die Politik insgesamt, die einzelnen Parteien, also auch die Piratenpartei, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und was macht die Gesellschaft? Immerhin haben wir ja als eines der wenigen Völker direkte und sehr unmittelbare Erfahrungen mit Faschisten, Nazis, Vertreibung, Inhaftierung etc.
Ich
2021 bin ich in Hannover zur Kommunalwahl angetreten.
Ich habe nicht erwartet, gewählt zu werden. Was ich allerdings auch nicht erwartet habe, war, dass meine Plakate in einem Bezirk, den man ohne Probleme als doch eher Links/Grün bezeichnen kann, teilweise abgerissen wurden. Ich habe noch sehr viele Menschen kennengelernt, die Nummern auf Ihren Unterarmen eintätowiert hatten. Ich werde immer und überall Neonazis bekämpfen. Sie als das bezeichnen, was sie sind, eben Neonazis. Genauso werde ich gegen diese unsägliche Art und Weise vorgehen, Menschen mit anderer Meinung als Nazis zu bezeichnen. Mit Neonazis gibt es keine Zusammenarbeit. Neonazis gehören geächtet. Ebenso solche, die andere als Nazis beschimpfen, obwohl sie es nicht sind.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Der ÖRR wurde gegründet nach dem Beispiel der BBC. Ein Grund war, staatliche Einflussnahme zu verhindern – Staatsferne und Neutralität waren das Ziel. Dieses Ziel wurde, so wie ich das sehe, klar verfehlt. Der ÖRR wird seiner Aufgabe schon lange nicht mehr gerecht und mutiert immer mehr zu einem Propagandasender für die Altparteien und die Neonazis. Politiker können ungehindert in den diversen Formaten Lügen verbreiten, völlig ohne Widerspruch. Neonazis sind Dauergäste bei Talkshows. Querdenker/Schwurbler und praktisch alle, die nur laut genug brüllen, bekommen eine Plattform geboten. Es gibt aber mehr Parteien, als die, die in den Umfragen angezeigt werden. Der ÖRR hilft aktiv dabei mit, dass die Neonazis in ganz Deutschland auf dem Vormarsch sind. Genau das, was mit der Schaffung von ARD und ZDF verhindert werden sollte!
Politik
Hier ist die Sache schwieriger und komplexer. Da gibt es einen Hubert Aiwanger und seine freien Wähler. Hubert Aiwanger ist ganz klar ein Neonazi. Und das auch ohne das Pamphlet, das ja angeblich von seinem Bruder ist. Aber auch ein Markus Söder macht sich schuldig, da der Vorfall um Hubert Aiwanger keine Konsequenzen hatte. Darüber hinaus schürt er, genau wie sehr viele Politiker aus CDU/CSU, FDP und SPD Feindbilder.
Seien es der Versuch Demonstranten auf Biegen und Brechen zu kriminalisieren – oder auch Politiker anderer Parteien mehr als nur zu verunglimpfen. Dabei kennen wir alle die Folgen von solch einem Vorgehen! Die einzige Partei, die auch Regierungsverantwortung hat, und sich nicht daran beteiligt, sind die Grünen. Das reicht aber nicht.
Alle anderen verschieben den Diskurs immer mehr nach rechts. Sehr zur Freude der Neonazis. In der Zwischenzeit äußern sich viele Politiker entweder unverhohlen rassistisch, ableistisch (behindertenfeindlich), homophob oder outen sich als Neonazis in einer der Altparteien. Am schlimmsten aber finde ich die Lügerei fast aller Politiker, vor allem derer in Regierungsverantwortung. Noch dazu Lügen, die so leicht zu widerlegen sind. Und so wundert es nicht, wenn der Ruf von Politikern eher der einer Kakerlake entspricht, denn dem einer hoch angesehenen Respektsperson. Da ist natürlich legitim, mal eben eine Fähre, auf der der Vizekanzler sich befindet, zu blockieren und die Menschen auf der Fähre zu bedrohen. Die Altparteien sind die besten Unterstützer der Neonazis. Das ist erschreckend, denn es handelt sich dabei um gebildete Menschen.
Piratenpartei
Ich kann nicht behaupten, dass wir uns in der Bekämpfung gegen rechts wirklich hervortun würden. Im Gegenteil, wir streiten uns lieber darüber, ob und welche Fahne wir dafür verwenden sollten. Und zu meinem großen Bedauern ist es ausgerechnet bei uns nicht unüblich, andersdenkende oder missliebige Parteikollegen als Nazis zu diskreditieren.
Meine persönliche Auffassung dazu ist, dass solche Menschen aus der Partei ausgeschlossen gehören und strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Denn für mich sind auch die Kommunikationskanäle der Piraten kein rechtsfreier Raum. Was ich auch vermisse, sind klare Statements, sobald Neonazis sich zu Wort melden. Vielleicht muss man ja nicht auf wirklich jeden Scheiß reagieren, aber wir schweigen. Und das so gut wie immer. Hier fehlt uns ganz klar Profil, ein Plan und Rückgrat.
Justiz
Die Justiz und ihre drei Arme, Legislative, Judikative und Exekutive sollten der Gewaltenteilung unterliegen. Das ist in Deutschland so nicht der Fall! Leider hat das Auswirkungen, die ebenfalls den Neonazis in die Hände spielen und zu Ungunsten der Menschen im Land sind. Die Politik nimmt erheblichen Einfluss auf Gerichte und Staatsanwaltschaften. Das ist so deutlich erkennbar, dass sogar die EU dies schon bemängelt hat. Dazu kommt, dass viele Dinge schlicht nicht verfolgt werden. Gewalttätige Polizisten, rechtsextreme Chats, das Ausspionieren persönlicher Daten etc. Hier muss dringend etwas getan werden, bevor uns ein ganzer Arm, noch dazu bewaffnet, entgleitet. Stichwort hier: unabhängige Polizeibeschwerdestelle.
Gesellschaft
Was vielleicht mal als Protestwahl begonnen hat, ist jetzt zu einem ausgewachsenen Problem für die Gesellschaft geworden. Die Gewaltbereitschaft ist gestiegen, Angriffe auf Journalisten, Politiker und/oder Andersdenkende sind schon fast die Regel geworden. Die Prozentzahlen der Neonazis steigen unaufhörlich. Aber wirklich was dagegen tun, Fehlanzeige. Es gibt bereits Menschen, die glauben, dass das Konzept der Demokratie gescheitert ist. Wenn ich sehe, was ein Putin, Orban oder ein Xi Jinping alles völlig ungestraft machen können, dann muss ich zugeben, ganz so abwegig ist der Gedanke nicht.
Ich habe nie erwartet, dass die nach dem Krieg durchgeführten sogenannten Entnazifizierungen dazu geführt hätten, dass es keine Nazis in Deutschland mehr gibt. Geht es nach den Umfragen, sind es allerdings deutlich mehr als gut ist.
Allerdings sind Umfragen keine Wahlen und es gibt schon noch Menschen, die gegen Rechts vorgehen. Wollen wir hoffen, dass das ausreicht und nicht irgendwann wieder eine Wannseekonferenz stattfindet. Auch hier gilt: Nie mehr!
Ullrich Slusarczyk
Redaktionsmitglied Ullrich Slusarczyk
1963 in West-Berlin geboren. Jetzt in Hannover. Sehr viel gemacht im Leben und sehr viel gesehen. Schreibe gerne. Bin für direkte Sprache bekannt, manchmal berüchtigt. Halte nichts davon, Fakten auf einem DIN A4 Blatt breitzutreten, wenn das Wort „Idiot“ ausreicht. Schreibe jetzt hier die Kolumne hauptsächlich. Meine Themen sind: Gesundheit, Digitalisierung, Urheberrecht und Energie. Ich bin kein Wissenschaftler, logisches Arbeiten und Denken ist mir aber nicht fremd. Bin ein Wissenschaftsfan. Lese Science Fiction. Habe Karl May gelesen, aber auch Antoine de Saint-Exupéry oder Stanislav Lem.