Wir Menschen sind von Natur aus mit starken Reflexen ausgestattet. Säbelzahntiger von links? Rennen! Schlange von rechts? Nicht bewegen! GEMA von vorn? Immer feste druff! Nur so ist es zu erklären, dass sich nach einer Meldung in den Aachener Nachrichten Deutschlands Blogger auf die GEMA einschossen. Ein neuer Sachbearbeiter hätte die Gebühren für die musikalische Beschallung des Weihnachtsmarktes verdreifacht, weswegen die Musik dieses Jahr ausfallen muss. Andere Weihnachtsmärkte behielten offensichtlich ihre Sachbearbeiter, zumindest waren aus keiner anderen Stadt Klagen zu hören. Deswegen fragte die Flaschenpost beim Märkte & Aktionskreis City e.V. und bei der GEMA nach. Doch erklären, wie das alles kam, konnte niemand. Man redete wohl aneinander vorbei, errechnete Gebühren aufgrund neuer Abrechnungsmodelle, aber anhand falscher Grundlagen, und kam auf einen Betrag, den der Betreiber nicht zahlen wollte und die GEMA nie verlangte. In solche Berechnungen gehen allerhand lokale Gegebenheiten ein: Werden Lieder nachgespielt oder nur abgespielt. Und wenn sie nur abgespielt werden, macht es einen Unterschied, ob eine CD von vorne bis hinten oder eine Auswahl einzelner Stücke die Weihnachtsmarktbesucher beschallten. Jeder Lautsprecher schlägt mit 15.84€ pro Tag zu Buche, und die Anzahl der möglichen Besucher oder tatsächlichen Quadratmeter vor der Bühne werden ebenfalls berücksichtigt.
Inzwischen hat man sich geeinigt, eine neue Berechung wies ungefahr 4.000.-€ aus; so viel oder so wenig wie die letzten Jahre auch. Dafür mussten zwar einige Lautsprecher abgebaut werden, aber die Besucher werden es danken: eine Umfrage in Aachen ergab nämlich, dass die Mehrheit die Stille auf dem Weihnachtsmarkt bevorzugt. Doch ganz still war es vor der Einigung auch ohne die Beschallung von der Bühne nicht: die Glühweinstände und das Kinderkarusell sorgten für ihren eigenen Liederteppich.
Ganz frei von Missverständnissen mit der GEMA ist übrigens der Weihnachtsmarkt in Monschau: in dem kleinen Ort in der Eifel wird ausschließlich GEMA-freie Musik gespielt.
Was lernen wir aus der ganzen Aufregung, dem Medienrummel und dem ausgeschütteten Adrenalin? Am Urheberrecht gibt es einigen Reformbedarf. Und dass die schon lange überalterten Urheberrechte aus analogen Zeiten in die digitale Welt kopiert wurden, ist nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern zeigt auch, dass weder die moderne Technik, noch die Chancen dieser Technik verstanden wurden. Die GEMA selbst, die dieses Recht durchsetzt, ist ebenfalls zu kritisieren: die Rücksichslosigkeit mit der entweder kassiert oder verboten wird, macht sprachlos; doch hat die GEMA rein formal das Recht auf ihrer Seite. Es ist an uns Piraten Einfluss auf Gesetze zu nehmen. Das Thema Urheberrecht steht aus gutem Grund auf unserer Agenda.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.