Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 03. Juli 2008 das Bundeswahlgesetz für verfassungswidrig. Dieses Bundeswahlgesetz verletzte die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit, da es auf Grund der Überhangmandate zu einem negativem Stimmgewicht und somit einer Verzerrung des Wählerwillens kommen kann. Um diese Fehler zu beheben hatte der Gesetzgeber drei Jahre Zeit. Am 30. Juni 2011 lief die Frist aus, ohne dass etwas geändert wurde, was auch gleichzeitig das erste Mal ist, dass eine vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist nicht eingehalten wurde.Was ist ein Überhangmandat? Ein Überhangmandat entsteht wenn in einem Bundesland mehr Kandidaten einer Partei ein Direktmandat gewinnen, als dieser Partei an Sitzen für dieses Bundesland überhaupt zustehen würde. Diese Direktmandate werden Überhangmandate genannt und die Partei erhält diese Sitze zusätzlich, was gleichzeitig die Anzahl der Mandatsträger im Bundestag erhöht.
Was ist das negative Stimmgewicht?
Unter einem negativem Stimmgewicht versteht man das eine Partei ein Mandat in einem Bundesland kriegen kann wenn diese in einem anderen Bundesland weniger Stimmen erhalten hat oder umgekehrt ein Mandat verlieren kann wenn diese Partei in einem anderen Bundesland mehr Stimmen bekommen hat. Eine vollständige Beispielrechnung würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, aber die Wikipedia hat ein Fallbeispiel aus der Bundestagswahl 2002, welches detailliert das Entstehen des negativen Stimmgewichts darstellt.
Die Regierungskoalition brachte zwar am 28. Juni 2011 einen Gesetzesentwurf in den Bundestag ein jedoch behebt dieser nicht die Fehler die vom Bundesverfassungsgericht bemängelt wurden. So sind weiterhin Verzerrungen des Wählerwillens durch ein negatives Stimmgewicht möglich, da die Lösung der Regierungskoalition eine Beibehaltung des Umfangs der Überhangmandate vorsieht.
Der Unterschied zur bisherigen Regelung liegt in der Reihenfolge der Zuteilung der Mandate. Die Sitze im Bundestag sollen nun zuerst in festen Kontingenten an die Länder vergeben werden, jeweils nach Anzahl der Wähler und danach erst an die Parteien. Die bisher möglichen Listenverbindungen der einzelnen Landeslisten bei Bundestagswahlen sollen auch nicht mehr möglich sein. Hierdurch sollen Verrechnungen der Mandate zwischen den Ländern verhindert werden. Ein weiterer Unterschied sind neu eingeführte Zusatzmandate, die für kleine Landeslisten als Ausgleichsregelung für die gestrichenen Listenverbindungen geschaffen werden sollen.
Die Opposition war auch nicht untätig und hat jeweils eigene Gesetzesentwürfe vorgeschlagen:
Die Bundestagsfraktion der Grünen war die erste, die einen Gesetzesentwurf vorlegte. Dieser Entwurf der Grünen sah vor die Überhangmandate eines Landes mit den Listenmandaten der anderen Bundesländer verrechnet werden. Sollte dies nicht möglich sein, wie es z.B. bei des Bundestagswahl 2009 mit der CSU in Bayern der Fall war, sollen einfach die Wahlkreisgewinner mit den wenigsten Stimmen kein Direktmandat erhalten bis keine Überhangmandate mehr entstehen würden.
Weiterhin sah der Entwurf vor bei Parteien die an der 5%-Hürde gescheitert sind aber Direktmandate erhalten haben die Zweitstimmen für diese Partei bei der Sitzverteilung nicht zu berücksichtigen.
Im Vorschlag der SPD ist vorgesehen im Ausgleich zu den Überhangmandaten Ausgleichsmandate einzuführen. Nach der nächsten Bundestagswahl, die durch diese Ausgleichsmandate natürlich den Bundestag erheblich vergrößern würde, sollte dann auf der Erfahrung der letzten Bundestagswahl die Anzahl der Wahlkreise verkleinert werden damit der Bundestag dann wieder nicht ganz so groß ist.
Die Linke schlägt noch weitergehende Reformvorschläge vor. Konkret zu den Überhangmandaten und der Möglichkeit des negativen Stimmgewichts schlägt die Linke vor interne Überhangmandate intern zu verrechnen und externe Überhangmandate durch Ausgleichsmandate auszugleichen.
Der Entwurf der Regierungskoalition muss jetzt noch durch die zweite und dritte Lesung. In der dritten Lesung wird der Entwurf dann abgestimmt und sollte es eine Mehrheit dafür geben brauch der Entwurf nur noch eine Mehrheit im Bundesrat bevor er dann am Ende dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt wird.