Was ist nur aus uns geworden, seitdem der Eiserne Vorhang fiel und die Mauer eingerissen wurde? Früher, in den goldenen Zeiten des kalten Krieges, gab es Gewissheit. Die – das waren die Bösen. Sie hatten ihren Gulag, sperrten Kritiker weg, bürgerten sie aus oder verbannten sie nach Sibirien. Der Ostblock kontrollierte die Presse und westliche Zeitungen durften nicht ins Land. Wir – wir waren die Guten! Wir hatten Meinungs- und Pressefreiheit. Selbst Hilfsarbeiter hatten ein Einkommen mit dem sie ihre Familie ernähren konnten. Es gab die Freiheit zu reisen sowie die Verheißung auf gesellschaftlichen Aufstieg. Wir – wir konnten uns besser fühlen als die da drüben.
Doch 1989 fiel der Vergleichsmaßstab weg – es gab keine Größe mehr, an der wir uns orientieren konnten um festzulegen was besser ist. Nun gibt es auch bei uns Verschleppungen und Folter, Guantanamo als westlichen Gulag, Besatzungstruppen in Afghanistan. Einfache Tätigkeiten verrichten working poor. Unsere Politiker fordern und ermöglichen mit der Vorratsdatenspeichung, der Klarnamenpflicht, der Steueridentifikationsnummer und der flächendeckenden Kennzeichenüberwachung Überwachungsmöglichkeiten, von denen wohl nicht mal die Stasi zu träumen wagte. Internetseiten sollen bei uns gesperrt werden und Auslandsgespräche werden eh schon lange ausnahmslos mitgeschnitten. Protest wird – wie in Stuttgart – erst weggekärchert und anschließend müde geplaudert.
Dass im England der Krawalle die Kommunikationskanäle überwacht werden, ist mehr als nur wahrscheinlich. Premier Cameron erwägt nun Sperren von Twitter und Facebook.
Hätten sich der Westen solche Dinge zu Zeiten Chruschtschows, Breschnews, oder Gorbatschows geleistet, hätte es im Ostblock keine Geheimprozesse, keine Verschleppungen, keine Wahlen mit Einheitslisten und schon keinen Gulag geben müssen. Der Aufruf “geh doch nach drüben, wenn es dir hier nicht gefällt” hätte wohl jeden Kritiker zum Schweigen gebracht!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.