Die Piratenpartei versteht sich als Mitmachpartei – offen auch für Nicht-Mitglieder. So ist es nur konsequent, dass die Piraten in Erfurt ein Oberbürgermeister-Kandidaten-Casting veranstalteten, um den besten OB-Kandidaten für die Wahl 2012 zu finden. Gefunden wurde Peter Brückner, 50-jähriger Diplomingenieur und Softwareentwickler.
Flaschenpost: Peter, du bist selbst kein Pirat und doch der Kandidat der Piratenpartei für die Oberbürgermeisterwahl in Erfurt geworden. Wie kam es dazu?
Peter Brückner: Es gab eine öffentliche Aktion: “Schlage einen Kandidaten vor”. Genau 55 mögliche Kandidaten wurden vorgeschlagen – aber nur zwei haben sich am Ende bereiterklärt. Die Entscheidung haben die Mitglieder nach Befragung der Kandidaten getroffen. Ein paar passende Kandidaten(innen) gibt es bei den Piraten meines Erachtens allerdings auch.
Flaschenpost: Bei dieser Podiumsdiskussion musstest du gegen andere Kandidaten bestehen. Wer sind die Mitbewerber um das Amt im Wahlkampf?
Peter Brückner:
- SPD: Amtsinhaber Andreas Bausewein – Ziele, alles geht so weiter….
- Linke: Michael Menzel – Ziele, Mitbestimmung, Zugänglichkeit, Wohnungspolitik
(Kommunale Wohnungsverwaltung), ÖPNV (fahrscheinfrei), Bürgerbeteiligung bei
Grossprojekten — eigentlich alles Punkte die ich gut finde - FDP: Thomas L. Kemmerich – Finanzierung planen/Einnahmen verbessern, ohne von
der Substanz zu leben. Keine Versprechen an die Bürger. - B90/Grüne: Katrin Hoyer/Nutzung erneuerbarer Energien in Erfurt, Kultur und
BürgerInnenbeteiligung - CDU: Michael Panse – Ausnahmen für die Umweltzone, als wichtigstes Ziel: gegen Grund- und Gewerbesteuererhöhung, Einstellung des Sozialtickets, insgesamt ziemlich negativ, ohne eigene bessere Vorschläge.
- Freie Wähler: Hier tritt Dr. Gerd Stübner an. Die PM der freien Wähler mit seinen Ziele findet sich im Netz
Einzelkandidaten gibt es wahrscheinlich auch, sehr wahrscheinlich tritt noch der rechtskonservative Pro Erfurt e.V. an (und bei der NPD weiß man’s auch noch nicht…)
Zur Zeit regiert eine Art Koalition aus Linken,SPD und Grünen, mit denen man zusammenarbeiten muss, bis die Piraten bei der Kommunalwahl die Mehrheit bekommen.
Flaschenpost: Und was beinhaltet dein Programm?
Peter Brückner: Wir haben ein Kommunalprogramm, das gerade in ein Wahlprogramm gegossen
wird. Was mir so einfällt:
- Transparenz im Umgang mit dem Bürger und seinem Geld im Rathaus.
- nur noch öffentliche Sitzungen des Stadtrates und der Ausschüsse
- Veröffentlichung der Beschlussvorlagen/Beschlüsse in bürgerlesbarem Deutsch, Einspruchsfristen, Bürgerabstimmung sowie eine Petitionsplatform und Regelung der Bewertung. (z.B. ab 1000 Bürger muss neu vorgeschlagen werden)
- Preiswerter(er) Nahverkehr, eventuell sogar Probebetrieb kostenlos für bestimmte Personen (alle?). Um die Auswirkungen auf die Nutzung und den Autoverkehr zu bewerten. Hier muss noch gerechnet werden.
- keine Unterbezahlung / Aufstocker bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an Firmen (und SubFirmen)
- verstärkte Überprüfung des Gewerbes-Leiharbeit
- Beteiligung von Grundstücksspekulanten an der Finanzierung der Stadt
- Transparente Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen (Beispiel bei Bedarf)
- Vereinfachung der Verwaltung für den Bau (Beispiel bei Bedarf)
- Wiedereingliederung von in Firmen ausgelagerten Verantwortungen, wenn das der Sparsamkeit und der Überschaubarkeit dient
- Priorität für Rad/Fussgänger/Nahverkehr in der Innenstadt. Autofreie Zonen/Tage.
Wir arbeiten noch an einem Kurzprogramm. Weggelassen habe ich hier mal die Vorschläger der ‘Regierungsparteien’, da kann man sicher einfach zustimmen, wenn es zu den Piratenzielen passt. (Linke z.B KOWO, Zugänglichkeit, Mitbestimmung; Grüne: Bürgerbeteiligung, ökologische Themen)
Einen wirklich abgrenzenden Punkt wie das BGE, Drogenentkriminalisierung,… wie in der Bundespolitik haben wir noch nicht.
Flaschenpost: Vor der Wahlzulassung müssen mindestens 200 Wahlberechtigte ins Rathaus und dort deine Kandidatur mit ihrer Unterschrift unterstützen. Sind so viele Unterschiften bis zum Stichtag in sechs Wochen zu schaffen?
Peter Brückner: Wir organisieren zunächst Aktionen, bei der jeder Pirat mit seinen Freunden/Bekannten/Verwandten kommen kann.
Schön ist der Counter im Internet, bei dem jeder sehen kann, wie weit wir sind.
Flaschenpost: Wie kann man sich ein piratiges Rathaus vorstellen?
Peter Brückner: Mit weit geöffneten wärmeisolierten Türen. Mit demokratischen Entscheidungen unter Bürgerbeteiligung. Mit Vernunft und Ausgleich.
Flaschenpost: Viel Erfolg!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.