Nein, hier geht es nicht um politische, hier geht es um “richtige” Kultur. Was das heißt? Profan formuliert versteht man ja unter Kultur all das, was den Menschen vom Affen unterscheidet. Wenn man darüber aber weiter nachdenkt, bekommt man schnell Zweifel darüber, ob man alle diese Unterschiede Kultur nennen möchte. Sieht man sich die lateinischen Ursprung des Wortes Kultur an, kann cultura unter anderem auf die Bearbeitung und Pflege eines Ackers zurückgeführt werden.
Im weiteren Sinne bezieht sich der Begriff auf die persönliche Kultivierung (Bildung, Stil). Außerdem kann man unter Kultur die Bildenden Künste, also Literatur, Malerei, Musik und die dazu gehörenden darstellenden Künste (also Theater, Oper, Film und dergleichen) verstehen, oder ganze Lebensweisen mit diesem Titel versehen (Kulturkreise, deutsche Kultur). Wenn das immer noch keine befriedigende Antworten sind, dann begnüge man sich mit dem Zitat von Max Frisch: „Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen nicht mehr in der Lage sind, zu definieren, was Kultur ist.“
Was hat das mit den Piraten zu tun? Nun, vor kurzem wurde bei den Piraten die “Bundes AG Kulturtankstelle” gegründet. Die Grundidee des Projektes wird dabei wie folgt formuliert:
Jeder Kunstschaffende kann kostenlos Werke auf eine Kulturtankstelle laden lassen und somit nach Außen darstellen. Alle Inhalte sind für Kulturliebende und Interessierte frei abrufbar aber dennoch durch offene Lizenzmodelle geschützt und somit weiter Eigentum der Künstler. Für die Betreiber einer Kulturtankstelle kommt hinzu, dass diese Lizenzmodelle keine GEMA-Gebühren erzeugen. (…) Anders als bei vielen Angeboten im Internet, liegt das Hauptaugenmerk der Kulturtankstelle auf lokalen Künstlern der Region. Auch spezielle Veranstaltungen in der Umgebung können über die Kulturtankstelle bekannt gemacht werden.
Deswegen werden Kulturtankstellen auch regional betrieben, zurzeit in Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.
Vor dem Hintergrund der Urheberrechtsdebatte ist die Kulturtankstelle ein sehr interessanter Ansatz. Nicht nur, um Kunstschaffenden eine zusätzliche Plattform zu geben, ihre Werke einem größeren Publikum vorzustellen, sondern auch auch dafür, wie man praktisch mit Urheberrechtsfragen umgehen kann. Welche andere Partei überprüft schon im eigenen Hause ihre programmatischen Vorstellungen auf Praxistauglichkeit?
Die intensive Diskussion, die durch die Piraten in der Öffentlichkeit angestoßen wurde, zeigt jedenfalls zweierlei: Erstens, das zurzeit bestehende Urheberrecht ist nicht mehr zeitgemäß: Denn es hat keine befriedigenden Antworten auf die Nutzung von Kulturgütern im Netz, ohne Heerscharen von Nutzern zu kriminalisieren und Rechtsanwälten und Inkassounternehmen ein Zusatzgeschäft für leicht verdientes Geld zu ermöglichen. Zweitens zeigen die heftigen Reaktionen in der Öffentlichkeit, dass die Forderungen der Piraten allein auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein können.
Davon ausgehend, dass der Umgang mit kulturellen Gütern durch das Internet als relativ neuer, hoch innovativer Technik eine völlig neue Qualität bekommt, muss man konstatieren, dass die Politik mal wieder geschlafen hat, statt darauf rechtzeitig durch geeignete Regelungen reagiert zu haben. Welches Zitat könnte da besser passen, als das von Theodor Heuss, der nachweislich noch keinen DSL-Anschluss hatte: „Politik kann nie Kultur, Kultur aber Politik bestimmen.“ In diesem Falle ist es die “Internetkultur”, die die Politik herausfordert, den Umgang mit ihrem Kulturgut endlich fair zu regeln.
Gründe genug, dem Projekt “Kulturtankstelle” die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, für rege Beteiligung zu werben, und ihm viel Erfolg zu wünschen!
Wer sich also daran beteiligen möchte: Die “Betreiber” der Tankstellen suchen interessierte aktive Piraten, die sich einbringen wollen.
Als Anlaufstelle für Außenstehende und als Info-Portal sei dazu http://kulturtankstelle.net empfohlen. Die Mail-Liste findet man unter http://lists.piratenpartei-bremen.de/listinfo/kulturtankstelle.
Und als Arbeitsplattform vor allem für den Anfang eignet sich https://kulturtankstelle.piratenpad.de/