9/11-Truther, Chemtrail-Verfechter, Germanische neue Medizin-Anhänger, Passivrauchschädlichkeits-Leugner und Homöopathie-Gläubige. Mit diesen und anderen Bewegungen, irrationalen Überzeugungsystemen und Verschwörungstheorien musste sich die Piratenpartei in dem letzten halben Jahr vermehrt auseinandersetzen.
Mit der wachsenden Bekanntheit und Popularität der Piraten wuchs unweigerlich das Potential, zum Magneten für Verbreiter eben jener Glaubenssysteme zu werden. Die niederschwellige Einstiegsmöglichkeit der Piratenpartei ist für viele Piraten ein Segen. Man trägt sich in eine Mailingliste einer interessanten Arbeitsgemeinschaft oder des eigenen Landes- oder Kreisverband ein und schon kann man an der politischen Arbeit der Piraten partizipieren. Mit unserer Sprachkonferenzsoftware Mumble kann man sich auch ohne Mitgliedsausweis oder sonstiges Autorisierungsszenario verbinden und mitreden.
Mit der Zeit traten aber auch die Schattenseiten dieser Offenheit zu Tage. Ob es Trolle auf diversen Landeslisten waren, die einfach jedes konstruktive Gespräch zu nichte machten, oder schlicht enormen Traffic erzeugten, dass viele Leute diese hundert Mails pro Tag nicht mehr lesen wollen. Oder es werden zielführende inhaltliche Auseinandersetzung zu bestimmten Themen torpediert, so dass man den Eindruck gewann, dass in bestimmten AGs die hysterischen Stimmen das Heft fest in der Hand hielten. Oft handelte es sich dabei allerdings um nicht mehr als 2 Stimmen die sich gegenseitig befeuerten während der Rest der AG stoisch versuchte, die Ansichten oder Themen dieser Störer zu ignorieren. Man entschied sich häufig für die bekannte Internetforenweisheit: „Don’t feed the troll“ zu deutsch, „Füttere nicht den Troll“. Das bedeutet, man soll die Themen dieser Trolle „aushungern“ lassen, indem man auf die von ihnen verbreiteten Ansichten nicht reagiert.
Leider hat diese Maßnahme den Nachteil, dass die Stimmen der Trolle unbeantwortet und unbekämpft im Raum stehen bleiben. Das mag für den Außenstehenden den Eindruck erwecken, die Stille bedeute Zustimmung. Auch die aktive Entgegnung kostet nicht nur enorm viel Ausdauer und Nerven, sie verhallt allzu oft in der Wahrnehmung von außen, wenn sie nicht kontinuierlich betrieben wird.
Prinzipiell verfügt die Piratenpartei durchaus über genug kritische und skeptische Stimmen die den extremsten irrationalen Glaubenssystemen an entsprechenden Stellen keine Bühne geben. Ob es sich um Liquid-Feedback-Anträge handelt oder Anträge beim Bundesparteitag, die Schwarmintelligenz funktioniert dort bei diesen Themen sehr gut. Jedoch erreicht sie bei weniger offensichtlichen und subtilen Unterwanderungsversuchen ihre Grenzen. Gerade bei kleinen AGs oder nicht eindeutigen Themen gerät man schnell in undurchsichtiges Gebiet. Dort ist eine gründliche Recherche und eine umfassende Diskussion mit stichhaltigen Argumenten unabdingbar. Auch geraten wir an dieser Stelle in Bereiche, in denen gezielte Lobbyarbeit nur schwer erkennbar ist. Selbst wenn man sie erkennt, kann man ihr als Laie oft nicht auf angemessenem argumentativen Niveau begegnen. Die Frage, welche Quellen seriös sind und welche nicht, erscheint im Zuge der fortschreitenden Professionalisierung von Internetangeboten erst mit einigem Hintergundwissen beantwortbar zu sein.
Da wir uns dieser Mechanismen mehr und mehr bewusst wurden, rafften wir uns schlussendlich auf und suchten nach Gleichgesinnten, die rationale Denkweise, logische Argumentation und Fähigkeiten bezüglich Medienkompentenz zu verbreiten. So gründete sich, unter großer Aufmerksamkeit, die AG Skeptische Piraten.
Wir einigten uns schnell auf die allgemeine Ausrichtung der AG, denn eines wollen wir mit aller Entschiedenheit nicht: Denkverbote. Ziel der AG soll es nicht sein, missionarisch durch die Partei zu ziehen um sich mit den Mitgliedern eine Schlammschlacht hinsichtlich spezifischer Themen zu liefern. Jeder soll glauben dürfen was er möchte und niemand soll diffamiert oder an den Pranger gestellt werden. Wir halten es schlicht für die programmatische Arbeit hilfreich und zielführend, sich mit den Mechanismen von rationaler Denkweise und „Argumentative Fallacies“ auseinanderzusetzen und so schlussendlich zu gut recherchierten und durchdachten Anträgen zu gelangen. Im liberalen Sinne der Piraten werden wir versuchen, zum Einen selbst programmatische Arbeit zu leisten und zum Anderen, als Ansprechpartner für die Parteimitglieder zur Verfügung zu stehen, sie hinsichtlich logischer und rationaler Argumentation zu beraten. Wenn es ausdrücklich gewünscht wird, beraten wir auch in inhaltlichen Fragen.
Welche Themen wir im Zuge der programmatischen Arbeit anschneiden werden, steht noch im Raum, da wir uns immer noch in der Gründungsphase befinden. Thematische Überschneidung mit dem Themenbereich Bildung und Verbraucherschutz sind denkbar, aber auch andere Themenbereiche können berührt werden. Im Augenblick befinden sich die Mitglieder der AG in der Kennenlernphase, in der wir unsere Motivationen und persönlichen Ziele ausloten.