Wieder hat eine ePetition die Hürde genommen. In einem Endspurt, der in den letzten 36 Stunden über 10.000 weitere Zeichner brachte, knackte die ePetition 35441 24 Stunden vor Ablauf der Frist die magische Grenze von 50.000 Unterstützern und hatte am Ende sogar über 60.000 Unterstützer gefunden.
Die Petition fordert die sogenannte GEMA-Vermutung (§13c UrhWahrnG) aufzuheben und somit die Umkehr der Beweislast als unzulässig zu erklären.
Bruno Kramm, der Urheberrechtsexperte der Piratenpartei erklärt die GEMA-Vermutung so:
Die GEMA Vermutung aus dem UrhWG mag in früheren Zeiten weniger
Content-Oligopole ein probates Mittel zur unkomplizierten Berechnung von
Lizenzabgaben dargestellt haben und unter Gesichtspunkten der
Verteilungsgerechtigkeit sogar ansatzweise die Musiknutzung abgebildet
haben. Im Zeitalter der Aufgliederung in einen Markt der immer
vielfältigere Nischenwerke und Subgenres produziert diese Vermutung
nicht nur grundsätzliche Ungerechtigkeit bei der Verteilung, sondern
zwingt die Musiknutzer auch in eine umgekehrte Beweislast für das
aufgeführte Repertoire. Sie müssen die Nichtmitgliedschaft des
Songtexters und der Komponisten von genutzten musikalischen Darbietungen
mit Klarnamen zu jedem einzelnen Titel nachweisen. Pseudonyme akzeptiert
die GEMA nicht, da sich dahinter ja ein GEMA-Urheber verstecken könnte.
Der bürokratische Aufwand dieser Nachweispflichten ist für Musiknutzer
nicht zu bewältigen und führt dazu, dass sowohl bei Veranstaltern aber
auch in der Tonträgerlizenzierung riesige Beträge ungerechtfertigt von
der GEMA berechnet werden und dann größtenteils an die privilegierten
Mitglieder verteilt werden.
Mit der GEMA-Vermutung machten zuletzt die Musikpiraten Bekanntschaft. Obwohl alle Titel einer von ihnen produzierten CD unter einer CC-Lizenz stehen, wollte die GEMA Geld sehen. Die GEMA konnte nicht ausschließen, dass ein unter einem Pseudonym auftretenden Künstler eben doch Mitglied der GEMA ist. Beweisen musste die GEMA diese GEMA-Unterstellung nicht. Denn durch das Prinzip der Beweisumkehr wäre es Aufgabe der Musikpiraten, der GEMA zu beweisen, dass nichts unterschrieben wurde. Da die Musikpiraten weder die Tatsache einer GEMA-Mitgliedschaft widerlegen konnten noch die verlangten 60.- Euro zahlen wollten geht der Streit vor Gericht. Beide Seiten machten ihre Entschlossenheit deutlich, die Sache bis zum Ende auszutragen.
Absolut lesenswert war ein Kommentarzur Petition, der sie verdammte und die GEMA sowie die GEMA-Vermutung wort- und detailreich verteidigte. Wegen der geschliffenen Formulierungen und der GEMA-freundlichen Argumentation wurde schnell der Verdacht geäußert, der Kommentar stamme in Wirklichkeit nicht von einem GEMA-Mitglied, sondern von einem GEMA-Pressesprecher selbst.
Man kann davon ausgehen, dass nicht nur David Henninger, der die Petition einreichte, gespannt vor dem Rechner saß und die Anzahl der Zeichnungen verfolgte. Unabhängig voneinander fiel einigen Personen auf, dass die Anzahl der Mitzeichner am frühen Abend um mehr als 1.000 wieder nach unten ging. Es gibt sogar einige Screenshots, die das belegen. Die Vermutungen reichten von Betrug über Cachingeffekte bis zu notwendige Bereinigungsläufe. Die Bundestags-IT zeigte sich auf Nachfrage der Flaschenpost überrascht und lieferte noch am selben Tag eine Erklärung für das beobachtete Phänomen:
Aus Lastverteilungsgründen werden Browserzugriffe auf verschiedene Portalserver
verteilt. Damit jede Anfrage auf die gleiche Datenbasis trifft, stellt normalerweise ein Replikationslauf sicher, dass alle Portalserver über die gleiche Datenbasis verfügen. Am 17.10. liefen die einzelnen Replizierungsprozesse jedoch leicht asynchron, wodurch die Portalserver jeweils über eine minimal abweichende Datenbasis verfügten. So kam es zum Effekt, das die Zahl der Mitzeichner bei einer später durchgeführten Anfrage scheinbar niedriger lag, als bei einer vorher durchgeführten Anfrage. Da die Portalserver nicht für Schreiboperationen zuständig sind, war der eigentliche Mitzeichnungsvorgang von dem Problem nicht betroffen und alle getätigten Mitzeichungen wurden vollständig und korrekt vom System registriert
.
David Henninger wird das gerne hören. Er wird bald Gelegenheit haben seine Initiative vor dem Petitionsausschuss zu begründen. Was daraus wird ist völlig offen.
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Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.